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Eine Vitrine mit einer Deutschlandkarte, auf der DP-Lager verzeichnet sind, verschiedenen Publikationen und hebräischen Lettern in verschiedener Typografie

Im fremden Land

Publikationen aus den Lagern für Displaced Persons
Einblicke in die Sammlung der Staatsbibliothek zu Berlin

In den unmittelbaren Nachkriegsjahren erschienen in den Lagern für jüdische Displaced Persons Hunderte von Büchern, überwiegend in jiddischer und hebräischer Sprache. Die Staatsbibliothek zu Berlin hat es sich vor einigen Jahren zum Auftrag gemacht, diese Publikationen systematisch zu sammeln.

Mit dieser Vitrinenausstellung wurde 2015 erstmals einen Teil dieser Literatur öffentlich vorgestellt, die zwar in Deutschland gedruckt wurde, sich jedoch nie an ein deutsches Publikum richtete: Ihre Leser*innen waren unfreiwillig in Deutschland gestrandet – Im fremden Land, wie einer der ausgestellten Buchtitel lautet.

Ausstellung bereits beendet

Übersichtsplan mit allen Gebäuden, die zum Jüdischen Museum Berlin gehören. Der Libeskind-Bau ist grün markiert

Wo

Libeskind-Bau UG
Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin

Die Publikationen dokumentieren ein weitgehend in Vergessenheit geratenes Kapitel jüdischer Präsenz in Deutschland nach der Schoa. Bis zu 250.000 osteuropäische Jüd*innen fanden in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands eine ungeliebte vorübergehende Bleibe. In den ausgestellten Werken spiegelt sich der Alltag einer provisorischen Gemeinschaft, deren Ziel die Ausreise nach Palästina bzw. Israel, in die USA und weitere Länder war.

In der Ausstellung zu sehen waren Zeitungen und Zeitschriften, Schulbücher und zionistische Pamphlete ebenso wie Haggadot oder beispielsweise ein Talmudtraktat aus dem süddeutschen St. Ottilien. Prosa- und Gedichtbände aus der Sammlung der Staatsbibliothek zu Berlin zeigen eindrucksvoll, wie die Überlebenden unmittelbar nach Kriegsende damit begannen, über ihre traumatische Vergangenheit zu schreiben.

Staatsbibliothek zu Berlin

Die Sammlung von DP-Drucken der Staatsbibliothek zu Berlin kann gut online recherchiert werden: im StaBikat und StaBiKat+ mit dem Stichwort „DP-Lager“, als zeitliche Einschränkung „1945-1950“ wählen. 
Im StaBiKat+ sind Suche und Anzeige von jiddischen und hebräischen Originaltiteln in hebräischer Schrift möglich.
Zum Online-Katalog der Staatsbibliothek

Die vorgestellten Publikationen sind bis auf wenige Ausnahmen weder aufwendig ausgestattet noch prächtig illustriert. Dennoch sind sie wertvoll, weil sie Spuren von ihren ehemaligen Eigentümer*innen und deren Geschichte tragen.

Titel wie Unser Mut, Unser Weg, Unsere Stimme, Unser Wort oder Unterwegs deuten den Aufbruch in ein neues Leben an und standen gleichberechtigt neben Zeitschriften, die wie Fun leztn Churbn (dt: Von der letzten Zerstörung) die Geschichte der Jüd*innen während des Naziregimes zum Thema haben. Autobiografische Erzähltexte verhandeln das Leben in Deutschland, die Begegnung mit der deutschen Zivilbevölkerung, gezeichnet von Hass und Trauma.

Die Ausstellung war in vier Kapitel gegliedert:

Displaced Person

Der Begriff Displaced Person (DP) bezeichnet Personen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg kriegsbedingt außerhalb ihres Heimatstaates aufhielten und ohne Hilfe nicht zurückkehren oder sich in einem anderen Land neu ansiedeln konnten. 
Mehr auf der Website des Internationalen Suchdienstes ITS

I. Der gerettete Rest

Die jüdischen DPs nannten sich selbst, in Anlehnung an einen biblischen Ausdruck, „Sche’erit Hapleta“, der gerettete Rest. Sie bedurften nicht allein materieller Nahrung und medizinischer Versorgung, sondern kamen in den DP-Lagern nach jahrelangen Entbehrungen auch erstmals wieder mit Zivilisation und Kultur in Kontakt, konnten religiöse und intellektuelle Bedürfnisse befriedigen.

Bereits wenige Tage vor Kriegsende war im befreiten Konzentrationslager Buchenwald schon eine handgeschriebene Zeitung erschienen, unter dem programmatischen Titel Tchies hamejsim (dt: Die Wiederbelebung der Toten). Als sich die Versorgungssituation in den DP-Lagern ab Herbst 1945 allmählich stabilisierte, begannen die Überlebenden, eine reguläre Presse aufzubauen. Zeitungen und Zeitschriften informierten über politische Entwicklungen, berichteten über das Leben in den DP-Lagern und trugen zur allgemeinen Bildung bei.

Im Laufe der Zeit entstanden auch einige Verlage, aber ihre Zahl blieb bescheiden. Seit 1947 traten Schriftsteller*innen mit originären Werken an die Leser*innenschaft. Bis 1950 erschienen rund dreißig jiddische Gedicht- und Prosabände.

Titelblatt einer Zeitschrift mit kolorierter Fotografie von Menschen an einem Tisch, darüber das Symbol des gefällten Baums mit frischem Trieb

Das Titelblatt Nr. 16 der illustrierten Monatszeitung Jidische Bilder. Umparteijischer jidischer Chojdesch-Zhurnal far ale Jidn (Gräfeling 1948) zeigt eine kolorierte Aufnahme des dritten Kongresses der befreiten Juden in der amerikanischen Besatzungszone in Bad Reichenhall. Hinter dem Präsidium ist das Symbol der Sche'erit Hapleta zu sehen, ein gefällter Baum mit einem neuen Trieb, vor der Landkarte Palästinas; Abbildung: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

II. Von der letzten Zerstörung

Unmittelbar nach der Befreiung der Konzentrationslager begannen Überlebende die Zerstörung – den Churbn – zu dokumentieren. Historische Kommissionen befragten Zeitzeug*innen, sammelten Dokumente, Fotografien und Artefakte. In Ausstellungen und Publikationen präsentierten sie die Ergebnisse ihrer Arbeit.

Immer wieder wandten sich die Kommissionen an die DPs und forderten sie zur aktiven Beteiligung an der Dokumentationsarbeit auf. Denn in der Sche’erit Hapleta lag, wie es der Historiker Israel Kaplan ausdrückte, jedem Einzelnen die Geschichte auf der Zungenspitze.

Einige Überlebende folgten dem Impuls, ihr persönliches Schicksal und die Geschichten ihrer zerstörten Gemeinden in literarischer und journalistischer Form festzuhalten. Einen wichtigen Stellenwert nahm der Warschauer Ghetto-Aufstand von 1943 ein, der als Symbol für heroischen Widerstand galt.

Buchcover mit hebräischen Buchstaben und dem Bild eines toten KZ-Häftlings, vor dessen Brust eine entrollte Schriftrolle sowie ein Tintenglas mit Feder

Ausstellungskatalog Fun leztn Churbn - Taarucha, Hg. von Israel Kaplan, München: Zentrale Historische Kommission, 1948; Abbildung: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

III. Ausbildung und Auswanderung

Bereits im Sommer 1945 nahmen erste Schulen in den DP-Lagern ihren Betrieb auf. Doch fehlte es zunächst an Schulbüchern. Unterrichtsmaterial aus Palästina und den USA, das in Deutschland vervielfältigt wurde, half den Mangel zu überbrücken.

Sowohl in den Grundschulen als auch in den Berufsschulen war der Unterricht auf eine Auswanderung nach Palästina beziehungsweise Israel ausgerichtet. Jüdische Geschichte und hebräischer Sprachunterricht waren fest im Lehrplan verankert. Auch zionistische Jugendgruppen machten ihre Mitglieder mit dem Leben in einem zukünftigen jüdischen Staat vertraut.

Der Zionismus war die vorherrschende Ideologie der Sche’erit Hapleta. Er stellte den heimatlos Gewordenen eine neue nationale Zugehörigkeit in Aussicht. Mehr als die Hälfte der DPs wanderte schließlich nach Palästina/Israel aus, über 70.000 gingen in die USA.

Buchcover mit hebräischen Buchstaben und Bild einer Häuseransammlung

Im fremden Land, Gedichte von Mates Olitski, Eschwege, 1947; Abbildung: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

IV. Religion und Tradition

Jüdische DPs unterschieden sich stark durch ihre geografische wie soziale Herkunft, ihre Muttersprache und ihr Schicksal während des Zweiten Weltkriegs. Auch hinsichtlich der religiösen Observanz zeigte sich das gesamte Spektrum von säkular bis orthodox.

Hilfsorganisationen bemühten sich darum, in den DP-Lagern die Voraussetzungen für ein religiöses Leben zu schaffen. Sie richteten koschere Küchen und rituelle Tauchbäder ein, verteilten Gebetsriemen und Gebetsmäntel. Nicht zuletzt gründeten sie Talmudschulen und religiöse Schulen für Jungen und Mädchen. Für das Studium druckte man religiöse Werke nach, die aus dem Ausland nach Deutschland geschickt wurden.

Feiertage wurden begangen und bekamen nach der Schoa eine neue Bedeutung, insbesondere Pessach und Purim, an denen die Motive von Versklavung, Bedrohung und Befreiung im Mittelpunkt der Erzählung stehen.

Titelblatt mit hebräischer Schrift, Davidsternen in den Ecken und mittig Notenlinien im Violinschlüssel, Trompete und Flöte

Das Liederbuch Schiron la-Chaluz we-la-Noar (1948) der Bewegung Tora we-Awoda (dt: Tora und Arbeit) betont im Gegensatz zu anderen zionistischen Liederbüchern die Bedeutung der Religion; Abbildung: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Informationen zur Ausstellung im Überblick

  • Wann 3. Sep bis 15. Dez 2015
  • Wo Libeskind-Bau UG
    Lindenstraße 9-14, 10969 Berlin
    Zum Lageplan

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