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„Diese Re­prä­sen­ta­tions­kluft sollten wir schließen“

Drei Fragen an Karamba Diaby

Der erste Schwarze im Deutschen Bundestag – so wird Karamba Diaby häufig vorgestellt. In seinem Buch Mit Karamba in den Bundestag: Mein Weg vom Senegal ins deutsche Parlament gibt Diaby einen spannenden Einblick in seine Lebens­geschichte, die viele Vorurteile ins Wanken bringt.

Diaby stellte sein Buch am 1. Juni 2017 im Rahmen der Reihe Neue deutsche Geschichten im Jüdischen Museum Berlin vor und sprach über seinen Weg vom Senegal in die DDR, seine Erfahrungen im Nachwendedeutschland, über Alltagsrassismen und seine Ziele und Visionen als Bundestagsabgeordneter.

Schon am 26. Mai 2017 machten Sithara Weeratunga und Serpil Polat ein kurzes Interview mit Karamba Diaby und stellten ihm folgende drei Fragen:

Sie kamen in den 1980er-Jahren mit einem Stipendium vom Senegal in die DDR und promovierten zur Schadstoffbelastung deutscher Schrebergärten. Was hat Sie motiviert, sich anschließend als Kandidat für den Bundestag aufzustellen?

Bereits als Jugendlicher habe ich mich in der Schule und später an der Uni für soziale Themen eingesetzt. Nach dem frühen Tod meiner Eltern, als ich noch ein kleines Kind war, haben mich meine 17 Jahre ältere Schwester und ihr Mann aufgenommen. Dieser familiäre Zusammenhalt hat mich sehr geprägt. Jahre später, als ich schon längst in Deutschland angekommen war, zeigte ein Sender zum Todestag von Willy Brandt eine Doku über ihn. ‚Was für ein Politiker!‘ – dachte ich mir. Mein Schwager im Senegal hatte mir schon als junger Mann immer gesagt: „Nichts kommt von selbst.“ Und genau diesen Grundsatz habe ich auch bei Willy Brandt entdeckt und bin deshalb noch in derselben Nacht in die SPD eingetreten.

Karamba Diaby sitzt auf einer Treppe, er trägt einen blauen Anzug mit rotkarierter Krawatte

Karamba Diaby; Foto: Michael Bader

In Ihrem Buch beschreiben Sie, wie Ihre eigentlichen politischen Kernaufgaben (Jugend und Soziales, Bildung und Ökologie) durch die Thematisierung Ihrer Hautfarbe häufig aus dem Fokus geraten: Wieso haben Sie sich vor diesem Hintergrund dazu entschieden, dieses Thema auch selbst in Ihrer Autobiographie aufzugreifen?

Soziale Gerechtigkeit, Zusammenhalt und Offenheit sind die Themen, für die ich mich einsetze und mit denen ich auch in Verbindung gebracht werde. In meiner Biographie geht es aber auch darum, mehrere Aspekte meines Lebens zu beleuchten und dazu gehört auch die Thematisierung der Hautfarbe.

Obwohl es im Bundestagswahljahr 2013 mehrere Abgeordnete (vermeintlich) nicht-deutscher Herkunft gab, wird es zu einer Sensation, dass ein Afrodeutscher in den Bundestag gewählt wird. Was meinen Sie, woher rührt diese Verwunderung und welche Rolle spielt dabei Ihr Wahlkreis Halle in Sachsen-Anhalt?

Jeder Fünfte hat in Deutschland eine Migrationsgeschichte. Bei den Bundestagsabgeordneten trifft das jedoch nur auf jeden Zwanzigsten zu. Deshalb ist es kein Wunder, dass sich einige darüber wundern, wenn es jemand in den Deutschen Bundestag schafft, der auch Wurzeln in einem anderen Land hat. Diese Repräsentationskluft sollten wir schließen. Denn es muss in einer Einwanderungsgesellschaft zur Normalität werden, dass die Herkunft nicht darüber entscheidet, was im Leben erreicht werden kann. Das gilt für die Politik genauso wie für die Bereiche Medien, Verwaltung und Kultur.

Die Fragen stellten unsere Kolleginnen Sithara Weeratunga und Serpil Polat vom Akademieprogramm zu Migration und Diversität. Sie würden im Bundestag auch gern mehr Vielfalt sehen.

Zitierempfehlung:

Serpil Polat, Sithara Weeratunga (2017), „Diese Re­prä­sen­ta­tions­kluft sollten wir schließen“. Drei Fragen an Karamba Diaby.
URL: www.jmberlin.de/node/6247

Interviewreihe: Neue deutsche Geschichten (12)

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