Triumph des Überlebens
Eine Fotografie inszeniert visuell den Sieg über die Nazis
Vor 75 Jahren, am 8. Mai 1945, endete der Zweite Weltkrieg. Eine kleine, erstaunliche Sammlung sehr persönlicher Fotografien gibt Auskunft über die Gemütsverfassung einiger Zeug*innen dieses historischen Augenblicks. Hier ein Beispiel, kommentiert von Cilly Kugelmann, leitende Kuratorin der neuen Dauerausstellung:
Vor vielen Jahren zeigte mir eine Freundin die Fotografie ihres Großcousins aus dem Jahr 1945, einem jungen Mann, der sich in betont lässiger Haltung, Pfeife rauchend, vermutlich in einem Foto-Studio ablichten ließ. Er trägt die gestreifte Häftlingskluft, die zum Synonym für den Massenmord an den Juden Europas geworden ist. Mit der Geste des Pfeiferauchens, eines genussvollen und nutzlosen Zeitvertreibs, der verschwenderisches Nichtstun voraussetzt, überschreibt er die Uniform des Gedemütigten in ein Gewand der Selbstbestimmung und des Sieges über die Nazis. Ich hielt das damals für ein singuläres Foto. Die Recherche zur neuen Dauerausstellung am Jüdischen Museum Berlin hat mehrere solcher Fotografien zu Tage gefördert. So liegt der Gedanke nahe, dass das Bedürfnis nach einem visuellen Beleg für den Triumph des Überlebens verbreiteter war, als wir zu glauben gewagt haben.
Cilly Kugelmann, leitende Kuratorin der neuen Dauerausstellung
Zitierempfehlung:
Cilly Kugelmann (2020), Triumph des Überlebens. Eine Fotografie inszeniert visuell den Sieg über die Nazis.
URL: www.jmberlin.de/node/6969