»Radical Jewish Culture. Musikszene New York seit 1990«
Presseeinladung
Pressemitteilung von Do, 24. März 2011
Anfang der 1990er Jahre entwickelte sich in der New Yorker Downtown-Szene eine avantgardistische jüdische Musikbewegung, die unter dem Titel „Radical Jewish Culture“ bekannt wurde. Musiker wie John Zorn, David Krakauer, Marc Ribot, Anthony Coleman und Frank London untersuchten leidenschaftlich die Möglichkeiten einer neuen jüdischen Musik und emanzipierten sich von einer Haltung, für die Anpassung und gesellschaftliche Unauffälligkeit kennzeichnend war. In ihrer Musik verschmolzen freie Formen des Jazz mit Klezmer-Improvisationen, Experimentalmusik mit Rock, Blues und Punk. Die Sonderausstellung „Radical Jewish Culture“ (8. April 2011 bis 24. Juli 2011) stellt diese Musikszene mit vielen Musikbeispielen und zum großen Teil unveröffentlichtem Material vor.
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Pressestelle
T +49 (0)30 259 93 419
presse@jmberlin.de - Postadresse
Stiftung Jüdisches Museum Berlin
Lindenstraße 9–14
10969 Berlin
Zur Pressekonferenz und Eröffnung am Donnerstag, den 7. April 2011 laden wir Sie herzlich ein.
Pressekonferenz
Pressekonferenz | Donnerstag, 7. April 2011, 12 Uhr Bitte planen Sie genug Zeit für die Sicherheitskontrollen am Einlass des Jüdischen Museums Berlin ein. |
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Vorbesichtigung der Ausstellung | 11 Uhr |
Wo | Altbau 1. OG, Bildungsraum |
Mit | Cilly Kugelmann, Programmdirektorin, Jüdisches Museum Berlin Mathias Dreyfuss, Kurator der Ausstellung, Musée d'art et d'histoire du Judaïsme, Paris Anwesend ist auch der Komponist und Künstler Arnold Dreyblatt. |
Eröffnungsprogramm
- Begrüßung
- Zur Ausstellung
- Musik
Cilly Kugelmann, Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin
Mathias Dreyfuss, Kurator der Ausstellung
Paul Brody, Trompeter und Komponist
Eröffnung | Donnerstag, 7. April 2011, 19 Uhr Bitte planen Sie genug Zeit für die Sicherheitskontrollen am Einlass des Jüdischen Museums Berlin ein. |
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Wo | Glashof EG |
Eintritt | frei |
Zur Ausstellung „Radical Jewish Culture“
Festival for Radical New Jewish Culture – so betitelte der New Yorker Komponist und Saxophonist John Zorn 1992 den von ihm kuratierten Programmteil des Musikfestivals „Art Projekt ’92“ in München. Er lud jüdische Musiker unterschiedlicher Genres dazu ein, unter ihnen Größen der New Yorker Underground-Szene wie Lou Reed und John Lurie. Das Festival löste unter den New Yorker Musikern eine kollektive Auseinandersetzung mit ihrer jüdischen Identität aus und war der Startschuss für eine Reihe von Festivals in New York und in europäischen Städten, so auch 1997 im Künstlerhaus Tacheles in Berlin.
Die Sonderausstellung „Radical Jewish Culture“, die vom Jüdischen Museum in Paris kuratiert und dort im vergangenen Jahr gezeigt wurde, zeichnet die Entwicklung dieser Musikszene mit einer Vielzahl von Musikbeispielen, Konzertmitschnitten und zum größten Teil unveröffentlichten Archivmaterialien der beteiligten Musiker nach. Zu sehen sind Notenhefte, persönliche Bilder und Bücher der Musiker sowie Kunstwerke, die Inspirationsquelle für Kostüme und LP Cover waren. Die Schlüsselfiguren dieser Musikszene kommen in längeren Interviews selbst zu Wort: John Zorn, Anthony Coleman, Marc Ribot, David Krakauer, Shelley Hirsch, Elliott Sharp, Roy Nathanson und Frank London.
Auf der Suche nach einer „Neuen Jüdischen Musik“
In acht Kapiteln gibt die Ausstellung einen Überblick über dieses fruchtbare Musikjahrzehnt der Radical Jewish Culture und seiner Vorboten: Sie beginnt mit einer Einführung in die historischen Ursprünge des Klezmer in Osteuropa, der Weiterentwicklung durch die jüdischen Emigranten in den USA, die Zurückweisung als „Ghettomusik“ in der Nachkriegszeit und des „Klezmer Revival“ in den 1970er und 80er Jahren.
Im Zentrum der Ausstellung steht das titelgebende „Festival for Radical New Jewish Culture“ in München. John Zorn und Marc Ribot hatten anlässlich des Festivals ein Manifest verfasst, in dem sie nach dem jüdischen Anteil an der Entstehung der alternativen Musikszene New Yorks fragten. Ein Höhepunkt in München war die Uraufführung von John Zorns Komposition „Kristallnacht“, die eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der Juden im 20. Jahrhundert darstellt. Die verstörende Aufführung, bei der die Zuhörer den Raum nicht verlassen durften, wird in Alexander Kluges Videomitschnitt in der Ausstellung gezeigt – zusammen mit Noten und Dokumenten aus der Vorbereitungsphase John Zorns. Mit dem Festival und der Aufführung von „Kristallnacht“ setzten die teilnehmenden Musiker auch ein politisches Zeichen gegen den erstarkenden Antisemitismus in Deutschland und Osteuropa.
Spurensuche in der Lower East Side
Zwei Ausstellungskapitel stellen die besondere Rolle New Yorks und speziell der Lower East Side für die Entwicklung der Radical Jewish Culture vor: Auf der Suche nach ihrer jüdischen Identität beschäftigten sich Videokünstler wie Chantal Akerman und Ken Jacobs sowie Musiker wie Anthony Coleman mit der lokalen und sozialen Geschichte des Bezirks, in dem jüdische Einwanderer seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ihre Spuren hinterlassen hatten. Das politische Engagement vieler Künstler der alternativen und jüdischen Musikszene zeigt die Ausstellung am Beispiel der Radical Jewish Music Festivals und anderer Aktivitäten rund um die Knitting Factory in New York.
John Zorns kompositorisches Mammutprojekt „Masada“ - benannt nach der Festung in der judäischen Wüste - ist Thema eines weiteren Ausstellungskapitels: Hervorgegangen aus seiner Suche nach der Grammatik einer „neuen jüdischen Musik“ sind, in Anlehnung an die Zahl der Gebote in der Tora, 613 Musikstücke. Neben Musikausschnitten wird auch ein Pergament-Kunstwerk des amerikanischen Künstlers Wallace Bermann und sein Collage-Film „Aleph“ gezeigt, zu dem Zorn Musikimprovisationen gemacht hatte und dessen Collagen Inspirationsquelle für eine Serie von „Masada“-Covern waren.
Für die Station im Jüdischen Museum Berlin wurde die Ausstellung neu gestaltet. Das Büro KatzKaiser hat als räumliche Metapher für die innere Suche der Musiker die Form eines ausgehöhlten schwarzen Körpers gewählt, der sich durch die Ausstellungsräume zieht: Im goldenen Körperinneren laden einzelne Hörkabinen und kleine Kinos die Besucher ein in die Musik einzutauchen.
Eine Ausstellung des Musée d’art et d’histoire du Judaïsme Paris im Jüdischen Museum Berlin.
Mit freundlicher Unterstützung der Wall AG.