Robert Longo:
Der Freud-Zyklus
Die in dieser Ausstellung präsentierten großformatigen schwarz-weißen Zeichnungen aus dem Freud-Zyklus des US-amerikanischen Künstlers Robert Longo entstanden in den Jahren 1999 und 2000 in New York. Sie zeigen Details aus Sigmund Freuds Wohn- und Arbeitsräumen in der Wiener Berggasse 19.
Die Bilder
Auf den ersten Blick wirken die Bilder fast wie Fotografien. Und tatsächlich gehen sie auf Fotografien zurück: Sie entstanden wenige Tage vor Freuds Emigration am 4. Juni 1938, als der Fotograf Edmund Engelmann die Geburtsstätte der Psychoanalyse mit etwa 150 Aufnahmen dokumentierte. Da Engelmann die Aufmerksamkeit der Gestapo nicht erregen wollte, verwendete er für diese Fotoserie nur natürliches Licht.
Robert Longo wählte Ausschnitte aus diesen Fotos – die Wohnungstür, die Decke auf der Couch, Figuren aus Freuds Sammlung, den Ofen aus Anna Freuds Behandlungszimmer –, um sie anschließend in stark vergrößerte Zeichnungen zu übertragen. So wird die in den Fotografien Engelmanns präsente Intimität der „Gedächtnishöhle“ in der Interpretation Robert Longos zu einer alptraumhaften Erfahrung. Geisterhaft treten Fragmente des Vertrauten aus dem opaken Schwarz. Das Glas und die schweren schwarzen Rahmen bannen diese Bilder in eine versiegelte, unzugängliche Welt.
Robert Longo
Robert Longo wurde 1953 in Brooklyn, New York, geboren und hat seit Ende der siebziger Jahre ein umfangreiches Œuvre aus Zeichnungen, skulpturalen Installationen, Reliefs, aber auch aus Musikvideos, Filmen und Bühnenbildern geschaffen. Thema seines Werkes ist die Gewalt der allgegenwärtigen Bilderflut in Medien, Kommerz und Kunst. Anders als in seinen früheren Arbeiten thematisiert Longo im Freud-Zyklus jedoch weniger die Gefährdung durch Bilder, sondern den historischen Moment der Bedrohung, in dem die Fotografien, die den Ausgangspunkt seiner Arbeiten bilden, entstanden sind.
Warum diese Ausstellung?
Die erzwungene Auflösung der damals bereits legendären Arbeitsräume der Freuds verwandelt diese vom Symbol einer neuen Wissenschaft in ein Symbol einer zu Ende gehenden Epoche, einer zerstörten Lebenswelt. Im Kontext des Jüdischen Museums Berlin ist Robert Longos Freud-Zyklus also in zweifacher Hinsicht von Interesse: wegen seiner Beschäftigung mit einer der wichtigsten Persönlichkeiten des deutschsprachigen Judentums sowie als Auseinandersetzung mit einem Wendepunkt der deutsch-jüdischen Geschichte.
Danksagung
Die Ausstellung zeigte Leihgaben aus den Sammlungen Wolfgang Beck, München, Prof. Dr. Peter Böckli, Basel, der Galerien Hans Mayer, Düsseldorf, und Metro Pictures, New York, sowie eine Schenkung von Dieter und Si Rosenkranz, Berlin. Allen Genannten gilt unser besonderer Dank.
Informationen zur Ausstellung im Überblick
- 30. Mai bis 18. Aug 2002
Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin
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Altbau 1.OG