Fotografische Zeitzeugnisse
Zur Geschichte der Sammlung Herbert Sonnenfeld
Am 29. September 1906 erblickte der Fotograf Herbert Sonnenfeld in Berlin Neukölln das Licht der Welt. Seine Fotografien gehören zu den umfangreichsten und wichtigsten Beständen in der Fotografischen Sammlung des Jüdischen Museums Berlin. Die Sammlung Herbert Sonnenfeld umfasst etwa 3000 Negative aus der Zeit zwischen 1933 bis 1938. Neben Abraham Pisarek und Arno Kikoler zählt Sonnenfeld zu den wenigen jüdischen Fotografen, die in den 1930er Jahren in Berlin und Umgebung jüdisches Leben dokumentierten und uns damit einmalige Bildzeugnisse hinterließen.
Herbert Sonnenfeld arbeitete zunächst als Versicherungsangestellter, wurde im Zuge der antisemitischen Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes aber entlassen. Zur Fotografie kam er auf Umwegen und als Autodidakt: Seine Frau Leni nahm im Anschluss an eine Reise nach Palästina 1933 Kontakt zu verschiedenen jüdischen Zeitungen auf und bot ihnen die Fotografien ihres Mannes an. Diese waren begeistert, kauften ihr die Abbildungen umgehend ab und fragten nach weiteren Bildern. Damit begann Herbert Sonnenfelds Tätigkeit als Pressefotograf.
In den folgenden Jahren hielt er zentrale Ereignisse, Orte und Personen jüdischen Lebens in Deutschland fotografisch fest: Den Kulturbund Deutscher Juden und deren Schauspiel- und Opernaufführungen, Konzerte, Vorträge und Ausstellungen, das Jüdische Museum, das von 1933 bis 1938 in der Oranienburger Straße bestand, jüdische Künstler*innen und deren Werke, die jüdische Sportbewegung, jüdische Wohlfahrtseinrichtungen und deren Fürsorge, jüdische Schulen und Erwachsenenbildungsstätten; Abschiedsszenen am Anhalter Bahnhof auf dem Weg in die Emigration und Hachschara-Lager zur Vorbereitung auf die Auswanderung.
Herbert Sonnenfeld war gezwungen, ausschließlich für jüdische Zeitungen und Organisationen zu arbeiten. Diese Beschränkung führte zu einer thematischen Einseitigkeit, die aus heutiger Sicht zuweilen gespenstisch anmuten mag, uns aber einen einmaligen Einblick in das jüdische Leben der Zeit gewährt. Die zunehmende Entrechtung und Isolierung der Jüdinnen*Juden wird in seinen Fotografien allerdings nicht direkt gezeigt. Jüdische Zeitungen waren damals vor allem darum bemüht, das Selbstbewusstsein und den Lebensmut ihrer Leser*innen zu fördern. Bilder, die Resignation oder Verzweiflung hätten auslösen können, wurden deshalb nicht gedruckt.
Ende 1939 gelang dem Ehepaar Sonnenfeld die Auswanderung nach New York. In ihrem Gepäck befand sich nur ein geringer Teil der Fotografien, die in den Jahren zuvor entstanden waren. Herbert Sonnenfeld und auch seine Frau, die ihn zuvor oft als Assistentin begleitet hatte, nahmen in New York die Arbeit als Fotograf*innen wieder auf und behielten die Spezialisierung auf jüdische Themen bei. 1972 starb Sonnenfeld im Alter von 65 Jahren.
Anfang 1988 konnte die Jüdische Abteilung des Berlin Museums einen Teil seines Nachlasses durch die Unterstützung der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin ankaufen. Zwei Jahre später präsentierte sie 90 Fotografien in einer Ausstellung unter dem Titel Herbert Sonnenfeld. Ein jüdischer Fotograf in Berlin 1933–1938. Nach der Eröffnung des Jüdischen Museums Berlin im Jahr 2001 wurde die Sammlung inventarisiert und wissenschaftlich erschlossen, zwei Jahre später Kontaktbögen von den Negativen erstellt, die als Streifen in den Originalverpackungen erhalten geblieben waren, neue Abzüge angefertigt und diese schließlich digitalisiert. Als im November 2012 die sukzessive Onlinestellung der museumseigenen Sammlungen begann, gehörten die Fotografien Herbert Sonnenfelds zu den ersten Einträgen, die für die Nutzer*innen auf unserer Website durchsuchbar wurden.
Theresia Ziehe, Kuratorin für Fotografie
Zitierempfehlung:
Theresia Ziehe (2014), Fotografische Zeitzeugnisse. Zur Geschichte der Sammlung Herbert Sonnenfeld.
URL: www.jmberlin.de/node/7513