Sonderausstellung »Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg«

Presseeinladung

Pressemitteilung von Mi, 8. Sep 2010

Bundespräsident Christian Wulff spricht am 27. September zum Auftakt der internationalen Ausstellungstournee

Über 20 Millionen Männer, Frauen und Kinder aus fast allen Ländern Europas wurden als „Fremdarbeiter“, Kriegsgefangene oder KZ-Häftlinge in das nationalsozialistische Deutschland verschleppt oder mussten in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten Zwangsarbeit leisten. Spätestens seit 1942 gehörten Zwangsarbeiter zum Alltag im nationalsozialistischen Deutschland. Die aus allen Teilen Europas, vor allem aus den östlichen Ländern, deportierten Arbeitskräfte wurden überall eingesetzt: in Rüstungsbetrieben ebenso wie auf Baustellen, in der Landwirtschaft, im Handwerk, in öffentlichen Einrichtungen und in Privathaushalten. Ob als Besatzungssoldat in Polen oder als Bäuerin in Thüringen – alle Deutschen begegneten Zwangsarbeitern, viele profitierten davon. Zwangsarbeit war kein Geheimnis, sie war ein weitgehend öffentlich stattfindendes Verbrechen.

Kontakt

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T +49 (0)30 259 93 419
presse@jmberlin.de

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Stiftung Jüdisches Museum Berlin
Lindenstraße 9–14
10969 Berlin

Die Ausstellung „Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg“ erzählt erstmals die gesamte Geschichte dieses Verbrechens und seiner Folgen nach 1945. Kuratiert wurde sie von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, initiiert und gefördert von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“. Die Schirmherrschaft für die Ausstellung hat Bundespräsident Christian Wulff übernommen. Erste Station der internationalen Ausstellungstournee ist das Jüdische Museum Berlin, weitere Stationen in europäischen Hauptstädten sowie in Nordamerika sind geplant.

Zur Pressekonferenz und Eröffnung dieser Ausstellung am Montag, dem 27. September 2010 laden wir Sie ein.

Redner*innen der Pressekonferenz

Cilly Kugelmann, Programmdirektorin, Jüdisches Museum Berlin

Volkhard Knigge, Direktor Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora

Jens-Christian Wagner, Kurator der Ausstellung und Leiter der Gedenkstätte Mittelbau-Dora

Günter Saathoff, Vorstand der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“

Für Interviews wird außerdem Rikola-Gunnar Lüttgenau, Ausstellungskurator und Stv. Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora zur Verfügung stehen.

Pressekonferenz 27. September 2010, 11 Uhr, Vorbesichtigung der Ausstellung ab 10 Uhr
Wo Altbau 1. OG, Bildungsraum

Programm der abendlichen Eröffnung

  1. Begrüßung
    W. Michael Blumenthal, Direktor des Jüdischen Museums Berlin
  2. Grußwort
    Bundespräsident Christian Wulff, Schirmherr der Ausstellung
  3. Erinnern und Verstehen
    Günter Saathoff, Vorstand der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“
  4. Zur Ausstellung
    Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora
  5. Erinnerungen eines ehemaligen Zwangsarbeiters
    Marian Turski, Historiker, Journalist und Überlebender der KZ Auschwitz und Buchenwald

Ausstellungseröffnung 27. September 2010, 19 Uhr
Wo Glashof EG
Eintritt frei

Für Pressefotografen und TV-Teams besteht die Möglichkeit zu einem Fototermin mit dem Bundespräsidenten in der Ausstellung. Eine Teilnahme ist nur für akkreditierte Journalisten möglich, Akkreditierungsschluss ist der 22.9. Bitte nutzen Sie dazu das Formular am Ende dieser Presseeinladung. Vielen Dank.

Fototermin 27. September 2010, 18 Uhr
Wo Altbau EG, Treffpunkt am Pressetisch im Foyer

Zur Ausstellung „Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg“

Zwangsarbeit ist eine europäische Erfahrung ohne Beispiel. An keinem anderen NS-Verbrechen waren derart viele Menschen beteiligt – als Opfer, Täter oder Zuschauer. Anliegen der Ausstellung ist es, erstmals die gesamte Geschichte dieses allgegenwärtigen NS-Verbrechens und seiner Folgen nach 1945 darzustellen. Sie zeigt, wie die Zwangsarbeit von Beginn an Teil der rassistischen Gesellschaftsordnung des NS-Staates war: Die propagierte „Volksgemeinschaft“ und die Zwangsarbeit der Ausgeschlossenen – beides gehörte zusammen. Deutsche „Herrenmenschen“ beuteten die als angebliche „Untermenschen“ Unterworfenen rücksichtslos aus. In der Alltäglichkeit der Zwangsarbeit und in der breiten gesellschaftlichen Beteiligung zeigte sich der rassistische Kern des Nationalsozialismus.

Besonderes Augenmerk legt die Ausstellung auf die Beziehungsgeschichte von Deutschen und Zwangsarbeitern. Jeder Deutsche musste sich entscheiden, wie er den Zwangsarbeitern begegnete: mit einem Rest von Mitmenschlichkeit oder der angeblich gebotenen, rassistisch motivierten Kälte und Unerbittlichkeit des Angehörigen eines vermeintlich höherwertigen Volkes. Wie Deutsche von ihren Handlungsspielräumen Gebrauch machten, sagt nicht nur etwas über die Einzelnen aus, sondern auch über die Präge- und Anziehungskraft nationalsozialistischer Ideologie und Praxis. Mit dieser Perspektive geht die Ausstellung über die Geschichte der Zwangsarbeit im engeren Sinne hinaus und verdeutlicht, wie stark die deutsche Gesellschaft nationalsozialistisch durchdrungen war. Die Geschichte der Zwangsarbeit lässt sich keinesfalls auf ein bloßes Regimeverbrechen reduzieren, sie wird vielmehr als Gesellschaftsverbrechen erkennbar.

Über sechzig repräsentative Fallgeschichten bilden den Kern der Ausstellung. Wie die Mehrzahl der gezeigten Dokumente und Bildüberlieferungen sind sie das Ergebnis akribischer Recherchen in Europa, den USA und Israel. Darüber hinaus sichtete das Ausstellungsteam Hunderte von Interviews, die in den letzten Jahren mit ehemaligen Zwangsarbeitern geführt wurden. Thematisch reichen diese Fallgeschichten von der entwürdigenden Arbeit politisch Verfolgter in Chemnitz bis hin zur mörderischen Sklavenarbeit von Juden im besetzten Polen oder dem Zwangsarbeitsalltag auf einem Bauernhof in Niederösterreich.

Zu den Überraschungen der umfangreichen internationalen Archivrecherchen gehörte die Entdeckung einer unerwartet breiten fotografischen Überlieferung signifikanter Ereignisse. Die Fotografien in Verbindung mit den Fallgeschichten bilden die zweite Säule der Ausstellung. Rekonstruiert werden konnten ganze Fotoserien, deren Urheber und die abgebildeten Situationen und Personen. Diese quellenkritisch fundierte Präsentation ermöglicht einen gleichsam szenischen Zugang zu Aspekten der Zwangsarbeit. Filmisch angeordnete Foto- oder Fotoausschnittsvergrößerungen bilden den Einstieg in die weitergehende Auseinandersetzung mit der Geschichte der Zwangsarbeit.

Die Ausstellung gliedert sich in vier Abschnitte: Der erste Teil ist den Jahren 1933 bis 1939 gewidmet. Hier werden insbesondere die rassistisch-ideologischen Wurzeln der nationalsozialistischen Zwangsarbeit offengelegt. Was bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges propagiert, teils in Gesetze gefasst und mit breiter gesellschaftlicher Teilhabe in die Praxis umgesetzt wurde, bildete den Ausgangspunkt für die nachfolgende Radikalisierung der Zwangsarbeit im besetzten Europa, bis hin zur Arbeit als Vernichtung. Dieser Ausweitung und Radikalisierung ist der zweite Abschnitt der Ausstellung gewidmet. Der dritte Ausstellungsabschnitt wendet sich der Zwangsarbeit als Massenphänomen im Deutschen Reich ab 1941/42 zu. Er endet mit Massakern an Zwangsarbeitern bei Kriegsende. Der vierte Teil der Ausstellung umfasst die Zeit von der Befreiung 1945 bis zur gesellschaftlichen Auseinandersetzung und Anerkennung der Zwangsarbeit als Verbrechen in der Gegenwart. Das letzte Wort haben ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.

Eine Ausstellung der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora im Jüdischen Museum Berlin, initiiert und gefördert von der Stiftung „Erinnerung Verantwortung und Zukunft“, gestaltet von gewerk design. Schirmherrschaft: Bundespräsident Christian Wulff.

Mit freundlicher Unterstützung der Wall AG.

Ausstellungsdauer 28. September 2010 bis 30. Januar 2011
Wo Altbau 1. OG
Eintritt 4 €, erm. 2 Euro

Weitere Informationen zur Ausstellung finden Sie unter: www.ausstellung-zwangsarbeit.org

Zur Ausstellung erscheint ein Begleitband auf Deutsch und Englisch:

„Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg“, herausgegeben von Volkhard Knigge, Rikola-Gunnar Lüttgenau und Jens-Christian Wagner im Auftrag der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Weimar 2010.

Ca. 260 Seiten, mit rund 170 Seiten Präsentation der Ausstellung und ca. 60 Seiten wissenschaftlichen Beiträgen namhafter Autoren wie Dieter Pohl, Dietmar Süß und Constantin Goschler. 200 Abbildungen, broschiert, mit Fadenheftung, Preis: 19,80 €.

ISBN deutsche Ausgabe: 3-935598-17-3

ISBN englische Ausgabe: 3-935598-18-1

Für Rezensionsexemplare wenden Sie sich bitte an:

Herrn Philipp Neumann

Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Tel.: +49(0)3643-430156

Fax: +49(0)3643-430100

E-Mail: pneumann@buchenwald.de

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