Eduard Bernstein (1850–1932), eine der bedeutendsten Figuren in der Geschichte der sozialistischen Bewegung Deutschlands, ist es erspart geblieben, die Nationalsozialisten an der Macht erleben zu müssen. Der führende sozialistische Theoretiker und Wegbegleiter von Friedrich Engels, August Bebel und Rosa Luxemburg starb fast 83-jährig im Dezember 1932, sechs Wochen vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler.
Es war die Aufgabe des Witwers seiner Stieftochter, Benno Chajes, Bernsteins Wohnung aufzulösen und sein Testament zu vollstrecken. Chajes war aufgefordert, den Wert des Nachlasses dem Amtsgericht Schöneberg zu übermitteln. Ein ganz alltäglicher Vorgang. Wie aus seinem Schreiben ersichtlich, handelte es sich um keine große Summe: knapp 4.000 Reichsmark.
Eduard Bernstein gehörte einige Monate später zu den Autoren, deren Schriften auf den Scheiterhaufen der im ganzen Land organisierten Bücherverbrennung landeten und verboten wurden.
Aubrey Pomerance
21. Februar 1933
Prof. Dr. Chajes, Berlin-Zehlendorf
Spandauerstr. 91.
29.IV.-569.08.16
Amtsgericht
Berlin-Schöneberg
Grunewaldstrasse 66/67
In der Testamentssache Eduard Bernstein teile ich den Wert des Nachlasses wie folgt mit:
1. Kapitalwert:
a. Wertpapiere, berechnet nach dem Kurs vom 21. Februar 33: RM 4048,-
b. Resthypothek auf dem Grundstück Werder a.H.: RM 2000,-
Aufwertungshypothek auf dem Grundstück Bozenerstr. 18, an 6. Stelle, fällt bei der Zwangsversteigerung am 22. d.M. [des Monats] aus.
Sa. [Summa] 6048,-
2. Sachwerte:
Die alte Einrichtung, die unverkäuflich war, ist an Wohlfahrtsvereine verschenkt worden. Die Bibliothek ist schon bei Lebzeiten gegen eine lebenslängliche Zahlung verkauft worden.
3. Nachlassverbindlichkeiten:
betragen, soweit sich bis jetzt übersehen lässt, für Beerdigungskosten, Auflösung des Haushaltes, Mietszahlung für den noch laufenden Vertrag etc.: ca. RM 2000-2200
Der Wert des Nachlasses dürfte demnach ca. 3800 – 4000 RM betragen.
(Unterschrift)
als Testamentsvollstrecker