Dienstag,
14. März 1933
Mitgliedskarte der Arbeitsgemeinschaft der Jüdischen Arbeitsnachweise für Jakob Reiss
Zur Hochzeit der Arbeitslosigkeit in Deutschland in den 1930er Jahren konnten Juden kaum darauf zählen, mit Hilfe staatlicher Behörden Arbeit zu finden. Für sie traten im ganzen Land die seit etwa 1896 bestehenden jüdischen Stellenvermittlungen ein, »Arbeitsnachweise« genannt. Sie waren in der »Vereinigten Zentrale für jüdische Arbeitsnachweise« organisiert und staatlich genehmigt.
Im Jahr der Machtübergabe an die Nationalsozialisten stieg die Zahl jüdischer Arbeitsloser sprunghaft an. Die Zentrale wandte sich deshalb an alle jüdischen Arbeitgeber mit der Bitte um Unterstützung. In Berlin blieb das Ergebnis des Aufrufes bescheiden – auf das Jahr gerechnet kamen auf eine gelungene Stellenvermittlung etwa 15 Neuanmeldungen.
Auch Jakob Reiss hatte kein Glück. Im März wandte er sich an die Berliner »Arbeitsgemeinschaft der Jüdischen Arbeitsnachweise«. Für den orthodox erzogenen Reiss war es mit Sicherheit wichtig, eine Stelle zu finden, wo er am Samstag nicht arbeiten musste. Ein Anliegen, das jüdische Arbeitsvermittlungen berücksichtigten. Doch die Bemühungen, wieder eine angemessene Beschäftigung zu finden, blieben erfolglos. Es zeichnete sich ab, dass es für Jakob Reiss in Deutschland keine Zukunft gab. Im Juli 1935 wanderte er nach Palästina aus.
Die jüdischen Arbeitsvermittlungen bemühten sich weiter, die schwierige Situation zu bewältigen. Ab 1935 waren sie unter dem Dach der »Reichsvertretung der deutschen Juden« organisiert. Ihr Netz sollte stark erweitert werden. Doch die zuständigen Behörden bewilligten die Pläne nicht – im Gegenteil. Es wurde verfügt, dass bis zum 1. Januar 1937 alle bestehenden Vermittlungen zu schließen seien. Damit war das Schicksal der seit vierzig Jahren existierenden Selbsthilfeorganisation besiegelt.
Ulrike Neuwirth