Samstag,
3. Juni 1933
Reisepass für Dr. Herbert Schwalbe
In dem Pass legen heute dutzende Sichtvermerke und Kontrollstempel Zeugnis ab von der fünfjährigen Odyssee, die Herbert Schwalbe durchleben wird. Am 10. Oktober 1933 um 8.50 Uhr besteigt er am Bahnhof Charlottenburg einen D-Zug nach Warschau – allein, denn seine Ehefrau und seine beiden kleinen Kinder lässt er schweren Herzens zurück. Sein Ziel ist Persien, wo er die Erlaubnis erhalten hat, sich als Zahnarzt niederzulassen. Er passiert die deutsch-polnische Grenze in Neu Bentschen (Zbąszyń). Mit Transitvisen durch Polen und die Sowjetunion gelangt er schließlich nach Teheran.
Sein Versuch, sich in der zweitgrößten Stadt des Landes, Maschhad, eine stabile Existenz aufzubauen, scheitert. Herbert Schwalbe geht deshalb im Juni 1935 in das Britische Mandatsgebiet Palästina. Die Einrichtung seiner Praxis, die er bis nach Persien mitgenommen hatte, muss er nun wegen des hohen Ausfuhrzolls zurücklassen. In den folgenden Monaten verdingt er sich als Landarbeiter.
Im Frühjahr 1936 reist Schwalbe in die Tschechoslowakei, um seine Familie für 24 Stunden wiederzusehen. Zurück in Palästina bemüht er sich, in die USA auszuwandern. Nachdem er ein Visum erhalten hat, verlässt er Ende Dezember 1937 Haifa mit dem Schiff und landet sechs Wochen später in San Francisco. 1939 gelingt es ihm, seine Ehefrau Else und seine beiden Kinder Reiner und Steffi nachkommen zu lassen.
Jörg Waßmer