Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

< 5. MAI 1933
11. MAI 1933 >

Montag,
8. Mai 1933

Brief von Lili Cassel an ihr ehemaliges Kindermädchen

Kurz nach ihrem 9. Geburtstag schreibt Lili Cassel (geb. 1924) an ihr ehemaliges Kindermädchen Leni. Sie erzählt, wer alles zu ihrer »Kindergesellschaft« gekommen ist, und verziert den Brief mit Zeichnungen ihrer Geburtstagsgeschenke. Aus allem sprechen die Freude und das Glück einer unbeschwerten Kindheit. Malen und Zeichnen sind Lilis große Leidenschaft, ihre Eltern hatten ihr eine Schachtel neuer Buntstifte geschenkt, die sie für Leni ganz genau abmalt.

Die Familie Cassel lebt in Berlin, wo der Vater als Dermatologe arbeitet und im bürgerlichen Bezirk Wilmersdorf Patienten versorgt. Bald nach ihrem Geburtstag erreicht die judenfeindliche Gesetzgebung der Nationalsozialisten auch das Leben von Lili. Sie muss ihre Schule in Wilmersdorf verlassen, da seit dem 25. April der Anteil jüdischer Kinder in den Schulen begrenzt wird. Drei Jahre verbringt Lili auf einer katholischen Schule, bevor sie von der reformpädagogischen Privaten Jüdischen Waldschule Kaliski aufgenommen wird.

Nach den Novemberpogromen 1938 emigriert die Familie nach England und 1940 dann weiter in die USA. 1952 heiratet Lili Erich Wronker, den sie schon seit ihrer Kindheit kennt. Wronkers Familie besaß unter dem Namen »Hermann Wronker AG« mehrere Warenhäuser in verschiedenen deutschen Städten, bis der Betrieb 1934 ›arisiert‹ wurde.

In den USA studiert Lili Wronker Kunst und wird eine erfolgreiche Buchillustratorin. Als Stifterin ist sie seit dem Jahr 2000 dem Jüdischen Museum verbunden und hat 2008 als Zeitzeugin an Workshops des Archivs teilgenommen, bei denen sie Jugendlichen aus ihrem Leben berichtete.

Michaela Roßberg

Kategorie(n): Berlin | Kindheit
Brief von Lili Cassel an ihr ehemaliges Kindermädchen Leni, Berlin, 8. Mai 1933 (Vorderseite).
Schenkung der Projektgruppe Oldenburg
IMPRESSUM