Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Freitag,
26. Mai 1933

Nachricht der zionistischen Vereinigung Hechaluz an Julius Brünn

Julius Brünn (1913–2001), ein junger in Berlin lebender Einzelhandelskaufmann, gehörte schon während seiner Schulzeit im ostpreußischen Allenstein als Pfadfinder dem zionistischen Jugendbund an. 1933 suchte er erneut Kontakt zur zionistischen Bewegung, dieses Mal mit dem festen Ziel, möglichst bald nach Palästina auszuwandern. Er wurde Mitglied im Hechaluz (hebräisch für »Pionier«), einer zionistischen Weltorganisation, deren deutscher Landesverband seit elf Jahren bestand.

Der Hechaluz organisierte Auswanderungen nach Palästina und ermöglichte den jüdischen Jugendlichen eine gemeinschaftliche handwerkliche oder landwirtschaftliche Ausbildung in so genannten Hachschara-Lagern, die sie auf ein Pionierleben in Palästina vorbereiten sollte (Hachschara heißt »Vorbereitung«). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten entwickelte er sich zur größten jüdischen Jugendorganisation im Deutschen Reich mit zeitweise 15.000 Mitgliedern.

Am 26. Mai 1933 erhielt Julius Brünn vom Hechaluz diese Postkarte mit den Zeilen: »Komme Sonnabend d. 27.5. mit deinem Pass nach Lützowstr. 16 um 9 Uhr ins Vorderhaus, rechts, 1. Treppe, Tür links.« Die kurze, etwas konspirativ klingende Nachricht barg für den jungen Mann die Hoffnung, seinem ersehnten Ziel näher zu kommen. Und tatsächlich hatte man vor, ihn zwar nicht auf direktem Weg nach Palästina zu schicken, dafür aber nach Frankreich, von wo aus dann später die eigentliche Alija, die Einwanderung ins »Gelobte Land«, erfolgen sollte.

Das Berliner Büro des Hechaluz befand sich in der Meinekestraße 10 in Charlottenburg. Hier hatten bis 1942 rund 30 zionistische Organisationen ihren Sitz. Julius Brünn wurde jedoch aufgefordert, in die Lützowstraße 16 in Tiergarten zu kommen. Dort verfügte die jüdische Gemeinde im Vorderhaus über Räumlichkeiten, im Hinterhaus befand sich eine liberale Synagoge. Am 27. Mai sollte er hier erfahren, welche Pläne der Hechaluz mit ihm hatte.

Franziska Bogdanov

Kategorie(n): Angestellte | Auswanderung | Berlin | Vereine | Zionismus
Postkarte der zionistischen Vereinigung Hechaluz an Julius Brünn, Berlin, 26. Mai 1933
von Avi Brünn

Auf dem Weg nach Palästina

Wann genau Julius Brünn Deutschland verließ, ist nicht bekannt. Seine Abreise muss aber bald nach dem Erhalt der Postkarte erfolgt sein, denn am 31. Mai 1933 erhielt er von seinem Arbeitgeber ein Zeugnis, in dem es heißt: »Herr Brünn verlässt uns im Hinblick auf die augenblicklichen politischen Verhältnisse, um sich eine neue Existenz im Auslande zu schaffen.«

Sein Arbeitgeber war die Deutsche Kleinwarenhaus GmbH, kurz DEKLA. Die Stelle als Substitut des Textillagers im Berliner Bezirk Schöneberg hatte Julius Brünn seit November 1932 inne. Nur fünf Monate später, am Tag des Aprilboykotts, musste er sich in den Kellerräumen des Unternehmens verstecken, um einer drohenden Verhaftung zu entgehen. Auch in den kommenden Wochen legte die Geschäftsleitung ihm nahe, seinem Arbeitsplatz fern zu bleiben. Die jüdische Firma bestand noch bis 1938 und wurde dann enteignet.

In Frankreich hielt sich Julius Brünn, der sich inzwischen Jehoschua nannte, zunächst in Paris auf, ging dann im Sommer in den Süden des Landes, wo er eine landwirtschaftliche Ausbildung erhielt. Im Januar 1934 schließlich teilte man ihm mit, dass er nun für die Alija bestimmt sei. Noch im selben Monat legte er mit dem französischen Dampfer »Marietta Pacha« in Marseille ab und erreichte nach sechs Tagen Haifa. Julius Brünn wurde im Kibbuz Ein Charod aufgenommen, dem mit rund 700 Mitgliedern größten Kibbuz im Land, und lebte in den kommenden Jahren als Pionier in der neuen Heimat.

Arbeitszeugnis der DEKLA (Deutsches Kleinwarenhaus GmbH) für Julius Brünn, Berlin, 31. Mai 1933
Schenkung von Avi Brünn 
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