Freitag,
26. Mai 1933
Nachricht der zionistischen Vereinigung Hechaluz an Julius Brünn
Der Hechaluz organisierte Auswanderungen nach Palästina und ermöglichte den jüdischen Jugendlichen eine gemeinschaftliche handwerkliche oder landwirtschaftliche Ausbildung in so genannten Hachschara-Lagern, die sie auf ein Pionierleben in Palästina vorbereiten sollte (Hachschara heißt »Vorbereitung«). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten entwickelte er sich zur größten jüdischen Jugendorganisation im Deutschen Reich mit zeitweise 15.000 Mitgliedern.
Am 26. Mai 1933 erhielt Julius Brünn vom Hechaluz diese Postkarte mit den Zeilen: »Komme Sonnabend d. 27.5. mit deinem Pass nach Lützowstr. 16 um 9 Uhr ins Vorderhaus, rechts, 1. Treppe, Tür links.« Die kurze, etwas konspirativ klingende Nachricht barg für den jungen Mann die Hoffnung, seinem ersehnten Ziel näher zu kommen. Und tatsächlich hatte man vor, ihn zwar nicht auf direktem Weg nach Palästina zu schicken, dafür aber nach Frankreich, von wo aus dann später die eigentliche Alija, die Einwanderung ins »Gelobte Land«, erfolgen sollte.
Das Berliner Büro des Hechaluz befand sich in der Meinekestraße 10 in Charlottenburg. Hier hatten bis 1942 rund 30 zionistische Organisationen ihren Sitz. Julius Brünn wurde jedoch aufgefordert, in die Lützowstraße 16 in Tiergarten zu kommen. Dort verfügte die jüdische Gemeinde im Vorderhaus über Räumlichkeiten, im Hinterhaus befand sich eine liberale Synagoge. Am 27. Mai sollte er hier erfahren, welche Pläne der Hechaluz mit ihm hatte.
Franziska Bogdanov