Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Donnerstag,
30. November 1933

Bauarbeiter im Umschulungslager Waidmannslust

Der Fotoreporter Herbert Sonnenfeld besucht im Herbst 1933 das neu gegründete Umschulungslager Waidmannslust im Norden von Berlin und fotografiert zwei junge Männer beim Verputzen einer Hauswand. Konzentriert mischt der eine den Putz an, während der andere mit einem großen Reibebrett die Masse an der Wand verteilt. Vielleicht sind die beiden bis vor kurzem noch einem kaufmännischen Beruf nachgegangen und haben ihren Arbeitstag im Büro oder Geschäft verbracht und nicht im Freien. Nun gehören sie zu einer Gruppe von rund 100 jungen Juden, die hier umgeschult werden.

Die Ausbildungsstätte wurde von der Jüdischen Gemeinde in Berlin finanziert. Jugendliche und junge Männer aus kaufmännischen oder intellektuellen Berufen wurden in sechsmonatigen Kursen in der Schlosserei, im Wegebau, in Maurer- und Betonarbeiten angelernt oder im Gartenbau unterrichtet. Das Ziel war, sie an körperliche Arbeit zu gewöhnen und ihnen neue berufliche Perspektiven zu bieten, weil sich Juden der deutsche Arbeitsmarkt zunehmend verschloss.

Berufsumschulungen gab es seit dem Ende des Ersten Weltkrieges in vielen der zionistisch ausgerichteten jüdischen Jugendbünde. Mit den nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten einsetzenden Berufsverboten und den zunehmenden Schwierigkeiten bei der Berufsausbildung entstanden als Reaktion darauf neue Ausbildungsstätten. Sie sollten vor allem auf eine Emigration vorbereiteten, denn in vielen Ländern hatten Arbeiter, Handwerker und Landwirte bessere Chancen als Intellektuelle oder Kaufleute. Die meisten der sogenannten Hachschara-Lager (»Hachschara« bedeutet »Vorbereitung, tauglich machen«) waren jedoch weiterhin zionistisch ausgerichtet und bildeten gezielt junge Pioniere für ein Leben in Palästina aus.

Die Aufnahme von Herbert Sonnenfeld erschien am 30. November in der »CV-Zeitung«, zusammen mit einem Bericht des Fotografen. Euphorisch erzählt er von den jungen Männern in dem Umschulungslager, die unter spartanischen Bedingungen leben, aber mit großem Arbeitseifer ihren Aufgaben in dieser »Gemeinschaft ›neuer‹ deutscher Juden« nachgehen. Denn in einer Zeit täglicher Diffamierungen und Diskriminierungen ging es den Verantwortlichen in Waidmannslust neben der beruflichen Umorientierung auch um die Bildung eines Gemeinschaftsgefühls und um die Stärkung der jüdischen Identität der jungen Menschen. Die Jugend sollte zusammengeführt und das Bewusstsein gebildet werden, für eine bessere jüdische Zukunft einzustehen.

Franziska Bogdanov

Kategorie(n): Auswanderung | Berlin | Berufsverbot | Vereine | Zionismus
Bauarbeiter im Umschulungslager Waidmannslust, Fotografie von Herbert Sonnenfeld, Berlin, 1933
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