Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Montag,
4. September 1933

Schwimmerzeugnis aus dem Wellenbad am Lunapark für Felice Schragenheim

Das Wellenbad am berühmten Lunapark in Berlin, in dem die elfjährige Schülerin Felice Schragenheim (1922–1945) am 4. September ihre Prüfung über 75 Minuten »Dauer-Schwimmen« ablegte, galt seit seiner Eröffnung 1927 als größte Schwimmhalle Europas. Die Nationalsozialisten verachteten den riesigen Vergnügungspark am Halensee als »Schandfleck des Westens« und sorgten dafür, dass er im Oktober 1933 seine Tore schließen musste. Zu diesem Zeitpunkt konnte Felice nicht ahnen, dass ihr als Jüdin einige Jahre später der Besuch von allen öffentlichen Badeanstalten grundsätzlich verboten sein würde.

Felice Schragenheim war Tochter des Berliner Zahnarztes Alfred Schragenheim und seiner zweiten Frau Erna, ebenfalls Zahnärztin. Beide Eltern starben früh. Infolge der zunehmenden antisemitischen Verfolgungen bemühte sie sich ab 1939 Deutschland zu verlassen – doch all ihre Anstrengungen schlugen fehl. Als sie im Herbst 1942 den Deportationsbefehl erhielt, tauchte die 20-Jährige unter. Sie versuchte an verschiedenen Wohnorten mit gefälschten Papieren in der Illegalität zu überleben und arbeitete unter falschem Namen als Sekretärin. Ab Mai 1943 versteckte sie sich bei ihrer nichtjüdischen Freundin Elisabeth Wust (1913–2006), einer vierfachen Mutter, deren Mann Soldat an der Ostfront war.

Am 21. August 1944 wurde Felice Schragenheim von der Gestapo verhaftet und kurz darauf nach Theresienstadt deportiert. Einen Monat später brachte man sie nach Auschwitz und von dort in das Konzentrationslager Groß-Rosen. Als das Lager im Januar 1945 geräumt wurde, musste sie wahrscheinlich auf einen der Todesmärsche nach Bergen-Belsen und starb auf dem Weg oder im Lager selbst.

Lea Weik

Kategorie(n): Berlin | Kindheit | Sport
Dauer-Schwimmerzeugnis für Felice (Velieze) Schragenheim, ausgestellt vom Wellenbad am Lunapark, Berlin, 4. September 1933.
Schenkung von Elisabeth Wust

Nachleben

Felice Schragenheims Geschichte und ihre Liebesbeziehung zu Elisabeth (Lilly) Wust wurden in den 1990er Jahren durch das Buch »Aimée & Jaguar« von Erica Fischer und den gleichnamigen Film von Max Färberböck international bekannt. Den umfangreichen Nachlass mit Briefen, Dokumenten, Gedichten und Fotografien von Felice Schragenheim hinterließ Elisabeth Wust dem Jüdischen Museum Berlin.

Felice Schragenheim bei einem Ausflug an der Havel, Berlin, 21. August 1944. Am gleichen Tag wurde sie verhaftet.
Schenkung von Elisabeth Wust 
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