Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

< 31. AUGUST 1933
4. SEPTEMBER 1933 >

Freitag,
1. September 1933

Telegramm von Hans Bloch an seine Frau Erna

Acht Wörter umfasste das Telegramm, das Hans Bloch um 14.15 Uhr aus Tunis an seine Ehefrau Erna nach Paris schickte. Darauf stand kurz und knapp: »TRES VRAISEMBLABLE DECISION PALESTINE DEPART MARDI OU JEUDI«, zu Deutsch: »SEHR WAHRSCHEINLICH ENTSCHEIDUNG PALÄSTINA, ABFAHRT MONTAG ODER DONNERSTAG«.

Der 53-jährige Hans Bloch (1881–1943) hielt sich zu diesem Zeitpunkt bereits 14 Tage im französischen Protektorat Tunesien auf, um sich vor Ort einen Eindruck über die Lebensbedingungen in Tunis und seine beruflichen Chancen zu verschaffen. Schon im April 1933 waren der Arzt und seine Frau zusammen mit den beiden minderjährigen Kindern aus Berlin nach Frankreich geflüchtet. Nun trugen sie sich mit dem Gedanken, von dort entweder in die nordafrikanische Stadt weiter zu emigrieren oder »Alija« zu machen, das heißt nach Palästina überzusiedeln. Die unsichere Zukunft und das ständige Abwägen der beiden Optionen belasteten die Familie zunehmend.

Obwohl Bloch seit jungen Jahren Zionist und zeitweise sogar Vorsitzender des Landesverbandes der Zionisten-Revisionisten in Deutschland war, zögerte er, die Alija als die beste Option anzusehen. Er hielt seine berufliche Perspektive dort für »ganz aussichtslos«. In Tunis zeigte sich jedoch schnell, dass er sich dort nicht wohl fühlte; eine »koloniale Provinz« nannte er die Stadt abschätzig. »Der exotische Einschlag und der südliche Charme können das doch nur eine Weile verdecken. Und nichts, was hier geschieht, geht uns etwas an.« Ausschlaggebend für seine Entscheidung gegen Tunis und für Palästina war aber letztlich die Tatsache, dass während seiner Reise die lang ersehnten Einwanderungszertifikate eingetroffen waren.

Zeitgleich zu seinem Telegramm sandte er einen Brief, in dem er seinen Entschluss näher begründete: »Ich glaube, das ist das wichtigste: Palästina werden wir nie bereuen dürfen, auch wenn wir durch viel Not hindurch müssen, wir werden unsere Ehre gewahrt haben und unser gutes Gewissen. Wenn wir aber hier [in Tunis] oder sonst im Ausland scheitern, und wer kann die Zukunft voraussagen?, dann ist Palästina verloren und ich werde niemals mehr mit Ehren vor der zionistischen Welt, meiner Welt stehen können.«

Nach seiner Rückkehr nach Paris emigrierte die vierköpfige Familie nach Erez Israel.

Jörg Waßmer

Kategorie(n): Ärzte | Auswanderung | Zionismus
Telegramm von Hans Bloch an seine Frau Erna in Paris, Tunis, 1. September 1933
Schenkung von Eva Bloch
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