Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Montag,
11. Dezember 1933

Konzert-, Theater- und Filmmerkbuch von Luba Mirskin

Am Abend des 11. Dezember 1933 findet im Beethoven-Saal der Berliner Philharmonie ein Konzert des Kulturbunds Deutscher Juden statt. Susanne Stein, Alt, und Fritz Lechner, Bariton, singen Lieder und Arien unter anderem von Schubert, Gluck und Händel. Im Publikum sitzt die 19-jährige Luba Mirskin, die den Liederabend anschließend in ihrem »Konzert-, Theater- und Film-Merkbuch«, das sie seit über fünf Jahren führt, verzeichnen wird.

Die kulturbegeisterte Luba (1914–1996) lebt mit den Eltern und ihrer Schwester seit 1925 in Berlin. In Charlottenburg wohnen sie zur Untermiete in verschiedenen Pensionen, wo Luba meist auch ein Klavier vorfindet, auf dem sie gern spielt. Hier lernt sie die unterschiedlichsten Schauspieler und Musiker kennen, die dem jungen Mädchen gelegentlich Freikarten für Konzerte oder Theateraufführungen zukommen lassen. Fast jede Woche geht sie ins Kino. Und alles wird von Luba sorgsam in dem Buch »zur Anmerkung von Konzerten, Opern, Schauspielen und Filmwerken« notiert, inklusive Komponist, Regisseur, Interpreten und Aufführungsort. Das Merkbuch spiegelt auf diese Weise auch das reichhaltige Kulturleben der deutschen Hauptstadt wider.

Der erste Eintrag hatte dem Stummfilm »Doña Juanna« mit Elisabeth Bergner gegolten, den die 13-Jährige im März 1928 sah. Der letzte ist der Liederabend vom 11. Dezember 1933. Angesichts der antisemitischen Politik der Nationalsozialisten hatte die Familie Mirskin beschlossen, Deutschland zu verlassen.

Nachdem im darauffolgenden Jahr die Emigration nach Palästina gelingt, folgt Luba ihrer, nach der Musik zweiten, künstlerischen Leidenschaft und beginnt eine Ausbildung bei dem Fotografen Zvi Oron. Täglich fährt sie dafür von Jerusalem nach Tel Aviv.

1942 gründet sie in Jerusalem mit einer Freundin das Studio »Foto Ora«. Die beiden jungen Frauen sind mit ihren Kinderfotografien so erfolgreich, dass Luba sogar ihre inzwischen verwitwete Mutter unterstützen kann.

1948 heiratet Luba den in Bad Nauheim geborenen Juristen Stephan Baumblatt, mit dem sie 1950 nach Deutschland zurückkehrt. Das Ehepaar lässt sich in Mannheim nieder, wo Stephan Baumblatt als Staatsanwalt tätig ist. Ihr Theaterbüchlein bewahrte Luba, die ihren Angehörigen vollkommen frei von Sentimentalitäten schien, zu deren Überraschung bis zu ihrem Tode auf.

Miriam Goldmann

Kategorie(n): Auswanderung | Berlin | Kindheit | Künstler und Schriftsteller
Konzert-, Theater- und Filmmerkbuch aus dem Besitz von Luba Mirskin, Berlin, 1928–1933
Dauerleihgabe

»Talent à encourager«

Die Mirskins kamen ursprünglich aus Russland. Vor der Umsiedlung nach Berlin besuchten die zehnjährige Luba und ihre ältere Schwester Helena ein Mädchenpensionat in der französischen Schweiz, während die Eltern sich nach einem neuen Wohnort in Deutschland umsahen. An die Unterrichtssprache Französisch mussten sich die Mädchen erst gewöhnen. Luba war eine begeisterte Klavierspielerin und erhielt Musikunterricht.

Am 26. März 1925 spielte Luba eines der »Lyrischen Stücke« von Edvard Grieg der »Association des Pensionnats de Jeunes filles de Lausanne et Environs« vor. Die Prüfer bescheinigten ihr Talent und empfahlen, ihre Begabung weiter zu fördern. Die Liebe zur Musik und das Klavierspiel sollten stets eine große Rolle in Lubas Leben spielen, die sie auch mit ihrem späteren Ehemann Stephan Baumblatt verband. Bis ins hohe Alter nahm das Ehepaar regelmäßig die musikalischen Angebote Mannheims war.

Prüfungsbescheinigung für Luba Mirskin über ein Klaviervorspiel, Lausanne, 26. März 1925
Dauerleihgabe 
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