
Inside Out
Etgar Keret
Mit Inside Out zeigte das Jüdische Museum Berlin eine Ausstellung des israelischen Autors Etgar Keret.
Ausgehend von Erinnerungen an seine Mutter hatte Keret Kurzgeschichten verfasst, die im Rahmen der Ausstellung nun erstmals öffentlich präsentiert wurden. Die Texte erzählen vom Alltag der Familie in Israel ebenso wie von traumatischen Kriegserlebnissen und Gewalterfahrungen der 1934 in Polen geborenen Mutter.
Ausstellung bereits beendet

Wo
Libeskind-Bau EG, Eric F. Ross Galerie
Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin
Die Geschichten wurden mit vom Autor ausgewählten Objekten präsentiert. Dabei handelte es sich um Objekte aus den Sammlungen des Jüdischen Museums Berlin sowie um Auftragsarbeiten zeitgenössischer Künstler*innen, die in Kooperation mit Keret entstanden sind. Das Zusammenspiel von Erinnerungen, Objekten und künstlerischen Installationen eröffnete Besucher*innen neue, emotionsgeladene Assoziationsräume, die bewusst mit klassischen Erwartungen an einen Museumsbesuch brachen.
Im titelgebenden Einleitungstext Inside Out (Von innen nach außen) stellt Etgar Keret seinen Zugang zur Ausstellung vor:
Von innen nach außen
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Etgar Keret: Von innen nach außen
Audio als Lesetext
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka -
Etgar Keret: Von innen nach außen / מבפנים החוצה
Audio als Lesetext
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka

Etgar Keret: Von innen nach außen
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
Von innen nach außen
Als Erwachsener ist man nur ein kleines Teilchen im unendlichen Universum, ein Staubkörnchen an den Rändern der endlosen Weite, die sich Welt nennt. Wenn man aber ein Kind ist, wird sie genau umgekehrt erschaffen: von innen nach außen. Du bist das Zentrum der Welt. Was dir wichtig ist, ist wichtig, und was nicht – existiert ganz einfach nicht. Meine Mutter erlebte den Zweiten Weltkrieg als Kind. Sie verlor ihre gesamte Familie im Krieg, und als er zu Ende war, blieb sie allein zurück, ohne Verwandte oder Bekannte, die zwischen ihren inneren Erfahrungen und der äußeren Welt hätten vermitteln können, allein mit einem riesigen Mosaik aus Erinnerungsbruchteilen und Erlebnissplittern: eine Geschichte ohne Daten und Namen, eine Geschichte von Empfindungen, Ängsten und Gerüchen – ihre ganz persönliche Geschichte.
In der jüdischen Kultur gibt es eine uralte Tradition, die auf dem Exodus-Vers beruht: „Und du sollst es deinen Kindern erzählen.“ Sie besagt, dass es für alle Juden eine fromme Pflicht ist, ihren Kindern zu erzählen, was ihren Vätern und Vorvätern geschehen ist, damit das Vermächtnis des Volkes nicht verschwindet. Meine Mutter hat nicht gezögert, die Geschichte unserer Familie an mich weiterzugeben, so wie sie sich daran erinnerte, wie ein Kind – von innen nach außen: ohne Namen, ohne Daten, ein bisschen wie ein Märchen. Diese Geschichte teile ich im Sinne dieser Tradition seit Jahren mit meinem Sohn – und ich freue mich, sie nun auch an Sie weiterzugeben.

Etgar Keret: Von innen nach außen / מבפנים החוצה
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
מבפנים החוצה
כשאתה מבוגר אתה רק פרט קטן ביקום האינסופי, גרגר אבק הנח בשולי אותו מישור בלתי נגמר הנקרא עולם. אבל כשאתה ילד, הוא נברא בדיוק ההיפך: מבפנים החוצה. אתה מרכז העולם. מה שחשוב לך חשוב, ומה שלא - פשוט לא קיים. אימי עברה את מלחמת העולם השנייה כילדה. במהלך המלחמה היא איבדה את כל משפחתה, ובסיומה נותרה לבדה ללא שום קרוב או מכר שינסה לפשר בין חוויותיה הפנימיות לבין העולם שבחוץ, רק עם פסיפס עצום של שברי זיכרונות ורסיסי חוויות: היסטוריה נטולת תאריכים ושמות, היסטוריה של תחושות ופחדים וריחות, ההיסטוריה הפרטית שלה. בתרבות היהודית קיימת מסורת עתיקת יומין של "הגדת לבנך", שעל פיה מצווה כל יהודי לספר לילדיו את שקרה לאבותיו ולאבות אבותיו, כדי שהמורשת של העם לא תיעלם. אימי לא היססה לחלוק איתי את סיפור משפחתנו כפי שזכרה אותו, כמו ילדה, מבפנים החוצה: בלי שמות, בלי תאריכים, קצת כמו אגדה; סיפור שאותו, כמצוות המסורת היהודית, אני חולק לאורך השנים עם בני, ושאשמח לחלוק גם איתכם.
Hier können Sie die neun Kurzgeschichten hören und lesen, die Etgar Keret für die Ausstellung geschrieben hat. Keret hat die hebräischen Originaltexte und die englische Übersetzung selbst eingesprochen (die englischen Audios finden Sie auf der englischen Ausstellungsseite). Sprecher der deutschen Texte ist Daniel Kehlmann, der mit Etgar Keret befreundet ist.
Die Rasierklinge
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Etgar Keret: Die Rasierklinge
Audio als Lesetext
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka -
Etgar Keret: Die Rasierklinge / סכין גילוח
Audio als Lesetext
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka

Etgar Keret: Die Rasierklinge
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
Die Rasierklinge
Als ich ein Kind war, umarmte mich meine Mutter andauernd. Ich weiß, alle Mütter umarmen ihre Kinder viel, aber meine Mutter umarmte mich besonders viel. Ich liebte das. Ich liebte es, wenn sie mich die ganze Zeit berührte: mich küsste, umschlang, mein Gesicht streichelte. Aber mit der Zeit fiel mir auf, dass sie mich immer nur mit der Außenseite ihrer Hand berührte, nie mit der Innenseite.
Eines Abends, als ich im Bett lag und meine Mutter, die mir gerade eine Gutenachtgeschichte erzählt hatte, mein Gesicht mit ihrem Handrücken streichelte, fragte ich sie: „Mama, warum streicheln alle anderen Mamas im Kindergarten so …“, ich machte eine streichelnde Bewegung mit der Handfläche, „und bloß du streichelst so?“, und zeigte es ihr wieder.
Meine Mutter lächelte und küsste mich auf die Stirn. „Als ich klein war“, erzählte sie, „hatte ich kein Zuhause, wie du eins hast, nur ein Waisenhaus, und die Leute dort wollten nicht immer gute Dinge mit mir anstellen. Also habe ich zur Sicherheit ein Stückchen Kaugummi in die Innenseite meiner Hand geklebt, und in den Kaugummi habe ich eine Rasierklinge gedrückt.“ Meine Mutter demonstrierte, wie sie den Kaugummi angeklebt und dann eine imaginäre Rasierklinge in dem unsichtbaren Kaugummi versenkt hatte. Als sie damit fertig war, näherte sie ihren Handrücken meinem Gesicht und streichelte mich sanft. „So“, flüsterte sie, als verrate sie mir ein Geheimnis, „habe ich die gestreichelt, die ich lieb hatte. Und so …“, sagte sie und machte mit ihrer Handfläche, einen Millimeter über meiner Backe schwebend, eine streichelnde Bewegung, „habe ich die gestreichelt, die ich weniger lieb hatte.“
Mamas Hand war so nahe an meinem Gesicht, dass ich ihre Körperwärme fühlen konnte. Obwohl ich die Rasierklinge nicht spürte, wusste ich, dass sie da war. Handfläche, Handrücken – bis zu diesem Abend hatte ich nicht gewusst, dass es einen solchen Unterschied zwischen ihnen gibt.

Etgar Keret: Die Rasierklinge / סכין גילוח
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
סכין גילוח
כשהייתי ילד, אמא שלי חיבקה אותי המון. כל האמהות מחבקות את הילדים שלהן הרבה, אני יודע, אבל אמא שלי חיבקה אותי הרבה במיוחד. אהבתי את זה. אהבתי שנגעה בי כל הזמן: נישקה, עטפה, ליטפה את פניי. אבל עם הזמן שמתי לב שכשנגעה בי, זה תמיד היה עם הצד החיצוני של כף ידה, אף פעם לא עם הצד הפנימי.
ערב אחד, כששכבתי במיטה ואימי, שבדיוק סיימה לספר לי סיפור לפני השינה, ליטפה את פניי בגב ידה, שאלתי אותה: ״אמא, למה כל האמהות האחרות בגן מלטפות ככה…״ והדגמתי ליטוף עם הצד הפנימי של כף היד, ״ורק את מלטפת ככה?״ הדגמתי שוב.
אמא שלי חייכה ונישקה אותי על המצח. ״כשהייתי קטנה,״ היא סיפרה, ״לא היה לי בית כמו שיש לך, רק בית יתומים, והאנשים שם לא תמיד רצו לעשות לי דברים טובים. אז ליתר ביטחון הדבקתי חתיכת מסטיק לצד הפנימי של כף היד שלי, ולמסטיק הצמדתי סכין גילוח.״ אמא שלי הדגימה את תנועת הדבקת המסטיק, ואז הצמידה למסטיק הבלתי נראה סכין גילוח דמיונית. כשסיימה היא קרבה את גב ידה אל פניי וליטפה אותי בעדינות. ״ככה,״ היא לחשה כממתיקת סוד, ״ליטפתי את מי שאהבתי. וככה...״ היא אמרה והדגימה תנועת ליטוף עם כף ידה שריחפה מילימטרים מלחיי, ״ככה ליטפתי את אלה שאהבתי פחות.״ כף ידה של אמא היתה כל כך קרובה לפניי, שיכולתי להרגיש את חום גופה, ואף שלא חשתי בלהב הסכין ידעתי שהוא נמצא שם. כף יד-גב יד, עד אותו ערב לא ידעתי שיש ביניהן כזה הבדל.
Stoff
-
Etgar Keret: Stoff
Audio als Lesetext
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka -
Etgar Keret: Stoff / בד
Audio als Lesetext
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka

Etgar Keret: Stoff
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
Stoff
Bis zu meiner Geburt arbeitete meine Mutter in einer Werbefirma in Tel Aviv. Die Arbeitszeiten waren extrem lang, und als ich geboren wurde, kündigte meine Mutter, die ihren Kindern möglichst viel Zeit widmen wollte, und machte ein Stoffgeschäft in der kleinen Straße in Ramat Gan auf, wo wir wohnten. Der Laden meiner Mutter hieß „Stofflager“. Es war ein fensterloses Untergeschoß und sah weniger wie ein Geschäft als wie ein modriger Keller oder ein Schutzraum aus, aber drinnen war alles geschmackvoll eingerichtet. Als Baby nahm mich meine Mutter jeden Tag in den Laden mit, stellte mich in einer Korbwiege auf die Theke, und so verbrachte ich Stunden – lauschte den energischen Äußerungen meiner Mutter zu Fragen in Sachen Dekolletés und Schnittmuster, schaute neugierig den Frauen zu, die freudig auf der Fahndung nach dem richtigen Stoff und Schnitt für das Kleid ihrer Träume in den dämmrigen Keller kamen. Meine Mutter hat liebend gerne erzählt, dass ich schon lange, bevor ich laufen lernte, älteren Frauen zu schmeicheln wusste, weil ich so viele Stunden auf der Ladentheke zubrachte.
Ich erinnere mich, wie meine Mutter schwere Stoffballen in dem engen, modrigen Kellerloch herumwuchtete. Es war eine harte Arbeit und nicht sehr einträglich, aber als Kind hatte ich das Gefühl, das „Stofflager“ sei wie das geheime Königreich meiner Mutter, ein Ort, an dem sie die alleinige Herrschaft hatte. Die Untertanen kamen mit ihren Bitten und Träumen zu ihr, und sie, die Mutter Königin, bestimmte, was dicker und was dünner machte, was vorteilhaft und was billig aussah, ohne Zögern und ohne überflüssige Höflichkeiten, genau wie eine Königin entscheiden sollte. Und die Frauen kamen weiterhin aus allen Ecken und Enden des Landes in diese Seitenstraße in Ramat Gan mit der Hoffnung, dass es meiner Mutter gelingen würde, in einem der Dutzenden Burda Magazine, die sich in mustergültiger Ordnung auf der Theke stapelten, den perfekten Stoff und Schnitt für sie zu finden, der alles zur Geltung bringen würde, was ihnen schmeichelte, und den ganzen Rest versteckte. „Nicht jeder kann schön sein“, sagte meine Mutter einmal zu mir, „aber wenn man es versucht, sich anstrengt und nicht aufgibt, ist es immer möglich, weniger hässlich zu sein.“

Etgar Keret: Stoff / בד
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
בד
לפני שנולדתי, אמא שלי עבדה במשרד פירסום בתל אביב. שעות העבודה היו תובעניות, וכשנולדתי, אימי, שרצתה להקדיש זמן רב ככל האפשר לילדיה, התפטרה ופתחה חנות בדים ברחוב הקטן ברמת גן שבו גרנו. לחנות הבדים של אימי קראו "מחסן בדים". היא היתה מרתפית ונטולת חלונות ונראתה פחות כמו חנות ויותר כמו מרתף או מקלט טחוב, אבל כל מה שהיה בתוכה היה עשוי בטוב טעם. כשהייתי פעוט היתה אימי לוקחת אותי איתה לחנות בכל יום, מניחה אותי בעריסה על הדלפק, וכך הייתי מבלה שעות: מאזין לקביעות הנחרצות של אימי בסוגיות מחשופים ושניטים, ומתבונן בסקרנות בכל הנשים הנרגשות שהגיעו למרתף האפלולי במסע החיפוש אחרי הבד והגזרה הנכונים לשמלת חלומותיהן. אמא שלי אהבה לספר שבגלל השעות הרבות שביליתי על דלפק החנות ידעתי להחמיא לנשים מבוגרות הרבה לפני שידעתי ללכת.
אני זוכר את אימי מניפה גלילי בד כבדים באותו כוך צר וטחוב. זאת היתה עבודה קשה ולא מאוד מתגמלת, אבל כילד, הרגשתי כאילו "מחסן בדים" הוא מעין ממלכה סודית של אימי, מקום שבו זכתה למשול ביד רמה. הנתינים הגיעו אליה עם בקשותיהם וחלומותיהם, והיא, המלכה האם, היתה קובעת מה משמין ומה מנמיך, מה מחמיא ומה זול, בלי היסוס ובלי דברי נימוס מיותרים, בדיוק כפי שמלכה אמורה לפסוק. והנשים היו ממשיכות להגיע מכל קצוות הארץ לאותו רחוב צדדי ברמת גן, בתקווה שאימי תצליח למצוא למענן, באחד מעשרות גיליונות הבורדה שנערמו על הדלפק בסדר מופתי, את הגזרה והבד המושלמים שיבליטו את כל מה שיכול להחמיא להן ויסתירו את כל השאר. "לא כל אחד יכול להיות יפה," אמרה לי פעם אימי, "אבל אם מנסים, משתדלים, ולא מוותרים, תמיד אפשר להיות פחות מכוער."
Geburtstage
-
Etgar Keret: Geburtstage
Audio als Lesetext
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka -
Etgar Keret: Geburtstage / ימי הולדת
Audio als Lesetext
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka

Etgar Keret: Geburtstage
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
Geburtstage
Als ich ein Kind war, war ich auf den Geburtstag meiner Schwester neidisch. Meine Schwester Dana ist am 21. November geboren, am gleichen Tag wie meine Mutter, während ich an einem x-beliebigen Tag geboren wurde. Meine Schwester und meine Mutter feierten ihre Geburtstage immer zusammen mit einem gemeinsamen Kuchen und einem gemeinsamen Fest, und es war immer eine fröhliche, festliche Feier, die alle anderen Geburtstage einsam und traurig aussehen ließ. Meine Mutter sagte, es sei ganz natürlich, dass meine Schwester und sie, die einzigen weiblichen Wesen in unserer Familie, am gleichen Tag geboren worden seien, und wenn mein Bruder und ich so verantwortungsbewusst wie Dana gewesen wären, hätten wir darauf geachtet, am Geburtstag unseres Vaters geboren zu werden. Als meine Schwester religiös wurde, fing sie an, ihren Geburtstag nach dem hebräischen Kalender zu feiern, und die gemeinsamen Geburtstagsfeste hatten ihr Ende.
Am achtzigsten Geburtstag meiner Mutter fuhren mein Bruder und ich mit ihr nach Warschau. Wir wollten diesen eindrucksvollen runden Geburtstag feierlich begehen, und was konnte feierlicher sein als ihr erster Besuch in Polen seit dem Krieg? Die Wiederbegegnung mit dem Ort und der Sprache, die sie als Kind gekannt hatte, war sehr bewegend. Im Laufe unseres Aufenthalts besuchten wir das örtliche Archiv, und nachdem wir darum gebeten hatten, einen Blick in die Akte meiner Mutter zu werfen, entdeckten wir zu unserer Überraschung, dass das Datum, an dem wir jahrzehntelang mit ihr Geburtstag gefeiert hatten, gar nicht ihr wirklicher Geburtstag war, sondern dass sie im Januar jenes Jahres geboren worden war. Als meine Mutter die Geburtsurkunde im Archiv sah, bat sie uns, ihr einen Platz zum Hinsetzen zu besorgen und, falls möglich, auch eine Zigarette und ein Tässchen Espresso. „Alles in Ordnung mit dir?“ , fragte ich sie, nachdem wir uns in ein nahegelegenes Café gesetzt hatten, und sie nickte und sagte: „Ich bin völlig in Ordnung, aber auch wenn ich es nicht wäre, ändert das nicht wirklich was.“ Und nachdem sie einen Schluck Espresso getrunken hatte, fügte sie hinzu: „Die zehn Monate an Sozialversicherungsbeiträgen, die ich verloren habe, bekommen wir nie mehr zurück.“

Etgar Keret: Geburtstage / ימי הולדת
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
ימי הולדת
כשהייתי ילד קינאתי ביום ההולדת של אחותי. אחותי, דנה, נולדה בעשרים ואחד בנובמבר, התאריך שבו נולדה אימי, ואילו אני נולדתי בסתם יום. אחותי ואימי היו חוגגות את יום הולדתן יחד, עם עוגה משותפת ומסיבה משותפת, וזאת תמיד היתה מסיבה שמחה וחגיגית שגרמה לכל ימי ההולדת האחרים להיראות בודדים ועצובים. אמא שלי אמרה שזה אך טבעי שאחותי והיא, הבנות היחידות במשפחתנו, ייוולדו באותו היום, ושאם אחי ואני היינו אחראיים כמו דנה, היינו מקפידים להיוולד ביום הולדתו של אבינו. כשאחותי חזרה בתשובה, היא החלה לחגוג את יום הולדתה לפי לוח השנה העברי, וחגיגת ימי ההולדת המשותפים תמה.
ביום הולדתה השמונים של אימי נסענו איתה אחי ואני לוורשה. רצינו לחגוג את יום ההולדת העגול והמרשים הזה באופן חגיגי, ומה היה יכול להיות חגיגי יותר מביקור ראשון של אימי בפולין מאז המלחמה? המפגש המחודש עם מקום ושפה שהכירה כילדה היה מרגש עד דמעות. במהלך הביקור, פקדנו את הארכיב המקומי, וכשביקשנו לעיין בתיק של אימי גילינו להפתעתנו שהתאריך שבו חגגנו איתה את יום הולדתה עשרות שנים אינו תאריך הולדתה האמיתי, ושבכלל נולדה בינואר של אותה שנה. כשאמא ראתה את תעודת הלידה בארכיב, היא ביקשה שנמצא לה מקום לשבת בו, ואם אפשר, גם סיגריה וספל אספרסו. "את בסדר?" שאלתי אותה אחרי שהתיישבנו בבית קפה סמוך, והיא הנהנה ואמרה, "אני בסדר גמור, וגם אם לא הייתי, זה לא באמת משנה," ואחרי שלגמה מהקפה הוסיפה, "את עשרת החודשים של תשלומי הביטוח הלאומי שהפסדתי, כבר לא נקבל לעולם".
Krautfelder
-
Etgar Keret: Krautfelder
Audio als Lesetext
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka -
Etgar Keret: Krautfelder / שדות כרוב
Audio als Lesetext
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka -
Immer wieder
Animation: Tatia Rosenthal
Musik: Wandernder Alptraum von Christopher Bowen
Auftragsarbeit zu Krautfelder
New York 2022

Etgar Keret: Krautfelder
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
Krautfelder
Die Geschichten meiner Mutter aus der Kriegszeit bekam ich nur einmal zu hören. Sie erzählte sie nicht noch einmal, und ich bat sie auch nicht darum. Ausgenommen eine Geschichte, bei der ich sie anbettelte, sie immer wieder zu erzählen.
Es ist eine Geschichte aus den ersten Tagen des Kriegs. Die Deutschen standen kurz davor, in Mszczonów einzumarschieren, und wie viele andere machte sich meine Großmutter mit ihren Kindern, meiner fünfjährigen Mutter und ihrem kleinen Bruder, auf, um aus dem Städtchen zu flüchten. Meine Mutter erzählte, dass sie marschierten, so schnell sie konnten, doch ihre kleinen Beine und meine Großmutter mit dem Baby auf den Armen konnten mit dem Tempo der ganzen anderen Flüchtenden nicht mithalten. Die Leute überholten sie, entfernten sich immer mehr von ihnen, bis sie um eine Biegung verschwanden, und der einzige, der weiterhin das gleichmäßig langsame Tempo beibehielt, war ein hochgewachsener Mann, der einige Dutzend Meter vor ihnen ging und eine riesige Pendeluhr auf dem Rücken schleppte. Meine Mutter erzählte, dass sie sich über die gewaltige Pendeluhr freute, dass sie das Gefühl hatte, ein Glückspilz zu sein, weil sie sogar hier, mitten auf einer ländlichen Sandstraße zwischen endlosen Krautfeldern, jederzeit sagen konnte, wieviel Uhr es war.
Nachdem sie eine lange Weile marschiert waren, begann die Pendeluhr vor ihnen immer langsamer zu werden, und als sie ihr schon ganz nahe gekommen waren, sank der hochgewachsene Mann mitsamt der Uhr auf seinem Rücken zu Boden. Auch meine Mutter und meine Großmutter verließen die Kräfte, und als sie von weitem ein Fahrzeug sahen, das auf sie zukam, sagte meine Großmutter zu meiner Mutter, sie müssten in das Krautfeld, um sich dort zu verstecken, und sie rannten hinein. Der kleine Bruder meiner Mutter erschrak offenbar, als sie so plötzlich losstürmten, und fing an zu weinen. Sie legten sich flach auf die Erde zwischen die Krautköpfe. Meine Großmutter entblößte eine Brust, um das greinende Baby zu stillen. Sie wusste, sie würden es nicht schaffen, sich weiter von der Straße zu entfernen, und dass das Weinen des Babys sie verraten würde.
Der Bruder meiner Mutter ließ sich stillen, und alle drei lagen sie ganz ruhig mitten im Krautfeld. Meine Mutter sagte, dass sie plötzlich ein friedliches Gefühl hatte, alle überwältigenden Sorgen und Ängste wandelten sich für einen Moment zu einer Welt ohne Bösartigkeit, ohne Hass und ohne Gefahr, eine Welt, in der es nichts außer ihnen, feuchter Erde und Kraut gab. Aber auf einmal merkte meine Mutter, dass etwas die Sonne verdeckte. Sie schaute auf und entdeckte, dass ein bewaffneter deutscher Soldat mit Helm über ihr stand, der wie gebannt meine Großmutter und das Baby anstarrte, das sie stillte. Meine Großmutter sah den Soldaten, aber da sie ohnehin nicht wusste, was sie machen oder sagen sollte, ignorierte sie seine Existenz einfach und stillte weiter. Meine Mutter sagte, dass der Soldat eine ganze Weile über ihnen stand, bis er sich dann umdrehte und wegging und meine Mutter, ihren kleinen Bruder und meine Großmutter in ihrer Welt ließ, eine Welt ganz und gar aus Kraut.

Etgar Keret: Krautfelder / שדות כרוב
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
שדות כרוב
את הסיפורים של אימי מתקופת המלחמה שמעתי רק פעם אחת. היא לא סיפרה אותם שוב ואני לא ביקשתי. מלבד סיפור אחד, שאותו התחננתי שתספר שוב ושוב. זה סיפור מהימים הראשונים של המלחמה. הגרמנים עמדו להיכנס למושצ'ונוב, וסבתי, כמו רבים אחרים, לקחה איתה את ילדיה, אימי בת החמש ואחיה הפעוט, ונמלטה מהעיירה. אמא שלי סיפרה שהן התקדמו מהר ככל שיכלו, אך אימי הקטנטנה וסבתי, שנשאה את התינוק בזרועותיה, לא הצליחו לעמוד בקצב של כל הנמלטים האחרים. האנשים שעקפו את אימי ואת סבתי הלכו והתרחקו מהן עד שנעלמו בפיתול הדרך, והיחיד שהמשיך לשמור על קצב איטי וקבוע היה גבר תמיר שצעד כמה עשרות מטרים לפניהן ונשא על גבו שעון מטוטלת ענקי. אמא שלי סיפרה ששעון המטוטלת העצום שימח אותה והיא הרגישה בת מזל שאפילו כאן, באמצע כביש עפר כפרי בין שדות כרוב בלתי נגמרים, היא יכלה לדעת בכל רגע מה השעה. אחרי דקות ארוכות של צעידה, שעון המטוטלת שלפניהם החל להאט את צעדיו, וכשכבר היו ממש קרובות אליו, השתרע הגבר התמיר על הכביש כשהשעון עדיין קשור לגבו. גם לאימי ולסבתי החל להיגמר הכוח, וכשראו ממרחק רכב הנוסע לכיוונם, אמרה סבתי לאימי שהן חייבות להיכנס לתוך שדה הכרוב ולהסתתר בו. הן רצו לתוך השדה. אחיה הפעוט של אימי, שכנראה נבהל מהתקדמותן הפתאומית החפוזה, החל לבכות. הן השתרעו על הקרקע בין גידולי הכרוב. סבתי חלצה שד כדי להניק את התינוק המייבב. היא ידעה שהן לא הספיקו להתרחק מהכביש ושבכיו של התינוק עלול להסגיר את מיקומן.
אחיה של אימי הסכים לינוק. וכך שכבו שלושתם בשתיקה בלב שדה כרוב. אמא שלי אומרת שפתאום היא חשה שלווה, כשכל החרדות והפחדים שהציפו אותה הפכו בן רגע לעולם נטול זדון, נטול שנאה, נטול סכנה, עולם שאין בו דבר מלבדן, חוץ מאדמה לחה וכרוב. לפתע הרגישה אימי שמשהו חוסם את השמש. היא הרימה את מבטה וגילתה שמעליה עומד חייל גרמני חמוש חבוש בקסדה ומביט כמהופנט בסבתי ובתינוק היונק ממנה. סבתי הבחינה בחייל, אך מכיוון שממילא לא ידעה מה לעשות או לומר, פשוט התעלמה מקיומו והמשיכה להניק. אימי אומרת שהחייל עמד מעליהן רגע ארוך, ואז הפנה את גבו והתרחק משם, והשאיר את אימי, את סבתי ואת אחיה הפעוט בעולמם, עולם שכולו כרוב.
Musik
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Etgar Keret: Musik
Audio als Lesetext
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka -
Etgar Keret: Musik / מוזיקה
Audio als Lesetext
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka

Etgar Keret: Musik
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
Musik
In unserem Wohnzimmer stand ein schwarzes Klavier. Meine Eltern spielten nie darauf, und obwohl mein Bruder, meine Schwester und ich in unserer Kindheit ein paar Klavierstunden bekamen, spielte keiner von uns weiter. Das schwarze Klavier stand über fünfzig Jahre verwaist bei uns zuhause in der Wohnung, und erst nach dem Tod meiner Mutter wurde es weggegeben. Während dieser fünfzig Jahre habe ich mich nie gefragt, weshalb dieses Klavier im Haus blieb, obwohl jahrzehntelang kein Mensch die Tasten berührte. Für mich war das Klavier ein schwarzes Denkmal aus Holz für die große Liebe meiner Mutter zur Musik, ein Monument, das die Aufgabe hatte, jedem Gast, den es in unser Wohnzimmer verschlug, deutlich zu machen, dass man zuhause bei Familie Keret nicht ohne Musik leben konnte.
Wenn meine Mutter am Abend aus ihrem Stoffladen heimkam, fing sie sofort an, das Abendessen für die Familie zuzubereiten. Während sie kochte, hörte sie keine Musik, nur die lautstarken aktuellen Sendungen im Radio, aber nach dem Essen, wenn sie die Küche saubergemacht und fertig aufgeräumt hatte, legte sie eine Schallplatte auf, setzte sich auf den Holzstuhl in der Küche, zündete sich eine Zigarette an und lauschte der Musik. An den ruhigeren Abenden konnten das Chopins Nocturnen oder die Gymnopédies von Satie sein, doch wenn jemand sie geärgert hatte oder wenn sie besonders gutgelaunt war, legte sie eine Platte von Wagner auf.
In jenen Jahren war Wagners Musik in Israel tabu. Die antisemitischen Anschauungen des Komponisten sowie die Tatsache, dass er von Hitler verehrt wurde, hatten zur Folge, dass seine Werke in Israel weder bei Konzerten aufgeführt wurden, noch im Radio und Fernsehen zu hören waren. Zu unserem Glück kannten sich unsere Nachbarn in Ramat Gan in klassischer Musik nicht genügend aus, um Rheingold oder Tristan und Isolde zu identifizieren. Bis eines Abends die Nachbarin von unten meine Mutter ausgerechnet mitten in ihrer Zigarette störte, weil sie sich ein paar Eier borgen wollte. Die Nachbarin, die von der donnernden Musik stark beeindruckt war, fragte, von wem sie sei, und als meine Mutter antwortete, der Komponist sei Richard Wagner, erblasste sie auf der Stelle. „Frau Keret“, sagte sie in erschüttertem Ton zu meiner Mutter, „Sie können doch nicht Wagner bei sich zuhause spielen, und noch dazu vor den Kindern! Er ist ein Antisemit!“
„Er ist im Prinzip tot“, erwiderte meine Mutter.
„Aber die Nazis …“, beharrte die Nachbarin. „Die haben diese Musik geliebt.“
„Dann haben sie sie eben geliebt“, knurrte meine Mutter ungeduldig. „Sie haben auch Apfelstrudel geliebt, ja und, soll ich vielleicht keine Äpfel essen?“

Etgar Keret: Musik / מוזיקה
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
מוזיקה
בסלון ביתנו עמד פסנתר עץ שחור. הורי לא ניגנו בו מעולם, ואף על פי שאחי, אחותי ואני קיבלנו בילדותנו כמה שיעורי פסנתר, אף אחד מאיתנו לא התמיד בהם. הפסנתר השחור ניצב מיותם בביתנו יותר מחמישים שנה, ורק אחרי מותה של אימי הוא נמסר. במשך אותם חמישים שנה לא שאלתי את עצמי אף פעם מדוע נותר הפסנתר הזה בבית, אף על פי שעשרות שנים איש לא נגע בקלידיו. בשבילי היה הפסנתר אנדרטת עץ שחורה לאהבתה הגדולה של אימי למוזיקה, מונומנט שתפקידו להבהיר לכל עובר אורח שיקלע לסלון שלנו שבבית משפחת קרת לא יכולים לחיות בלי מוזיקה.
אימי, כשהיתה חוזרת בערב מחנות הבדים שלה, מיד היתה מתחילה להכין את ארוחת הערב המשפחתית, ובזמן שבישלה לא האזינה למוזיקה, רק לשידורי האקטואליה הקולניים ברדיו. אבל אחרי הארוחה, לאחר שהיתה מסיימת לנקות ולסדר, היא היתה שמה תקליט בפטיפון, מתיישבת בכיסא העץ במטבח, מדליקה לעצמה סיגריה ומקשיבה למוזיקה. בערבים היותר שלווים היתה יכולה להאזין לנוקטורנים של שופן או לג'ימנופדים של סאטי, אבל אם מישהו הרגיז אותה או כשהיתה שמחה במיוחד, היתה שמה תקליט של וגנר.
בישראל, בשנים ההם, המוזיקה של וגנר היתה טאבו. דעותיו האנטישמיות של המלחין, כמו גם העובדה שהיה נערץ על היטלר, גרמו לכך שיצירותיו לא נוגנו בקונצרטים בישראל ולא הושמעו ברדיו ובטלוויזיה. למזלנו, השכנים שלנו ברמת גן לא היו בקיאים מספיק במוזיקה קלאסית בכדי לזהות את "זהב הריין" או את "טריסטן ואיזולדה". עד שערב אחד הפריעה השכנה מלמטה לאימי בדיוק באמצע הסיגריה שלה וביקשה לשאול כמה ביצים. השכנה, שמאוד התרשמה מהמוזיקה הרועמת, שאלה מי חיבר אותה, וכשאימי אמרה לה שהמלחין הוא ריכרד וגנר, היא החווירה מיד. "גברת קרת," אמרה השכנה לאימי בקול נסער, "את לא יכולה להשמיע וגנר אצלך בבית, ועוד ליד הילדים! הוא אנטישמי." "הוא בעיקר מת," אמרה אימי. "אבל הנאצים..." התעקשה השכנה, "הם אהבו את המוזיקה הזאת." "אז הם אהבו," רטנה אימי בקוצר רוח, "הם אהבו גם אפפל שטרודל, אז מה, שאני אפסיק לאכול תפוחים ?"
Gutenachtgeschichte
-
Etgar Keret: Gutenachtgeschichte
Audio als Lesetext
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka -
Etgar Keret: Gutenachtgeschichte / סיפור לפני השינה
Audio als Lesetext
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka

Etgar Keret: Gutenachtgeschichte
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
Gutenachtgeschichte
Von ihrem Vater hat mir meine Mutter das erste Mal erzählt, als ich im Kindergartenalter war. Ich erinnere mich, dass ich im Schlafanzug im Bett lag und meine Mutter, die am Bettrand saß, mir stolz die folgende Geschichte erzählte:
Gleich nachdem die Deutschen Polen besetzt hatten, wurde einer der nichtjüdischen Nachbarn der Familie meiner Mutter ein Nazi-Kollaborat€. Dieser Nachbar war klein, hatte schwarze Haare, eine große Nase und sah, laut meiner Mutter, „wie die Karikatur eines Juden“ aus, was er ausnutzte, um sich als einer auszugeben und so Verstecke von Juden aufzuspüren und sie zu verraten. Ab dem Tag, an dem sie ins Ghetto deportiert wurden, trafen sie diesen Nachbarn nicht mehr, doch die schrecklichen Geschichten von seinen Denunziationen und ihren Opfern erreichten sie weiterhin. Eines Morgens verließen mein Großvater und meine Mutter das Ghetto. Ihr Plan war schlicht: einen Laib Brot am Schwarzmarkt erstehen, ihn aufschneiden und die Scheiben im Ghetto zu einem Preis verkaufen, der die Kosten des Laibs decken und noch ein oder zwei Scheiben für die hungrigen Familienmitglieder übriglassen würde. Mein Großvater und meine Mutter stahlen sich aus dem Ghetto und gingen ohne gelben Judenstern durch die Straßen von Warschau. Das war sehr gefährlich, aber mein Großvater und meine Mutter waren beide blond und hofften, dass keiner Verdacht schöpfen würde.
An einem der stark belebten Plätze in der Stadt stießen sie plötzlich auf den Nachbarn, den Denunzianten, der keine Sekunde zögerte. Er packte meinen Großvater sofort an der Hemdenbrust und fing an zu schreien: „Juden! Juden!“ Mein Großvater, der sich aus seinem Griff zu befreien versuchte, sah ein, dass sie in wenigen Augenblicken bereits von Passanten umzingelt sein würden, und auch wenn es ihm gelingen würde, sich loszureißen, würde die Menge auf dem Platz meine Mutter und ihn nicht entkommen lassen. Er blickte zu meiner Mutter hin und blinzelte ihr zu, um sie zu beruhigen oder um ihr wenigstens zu verstehen zu geben, dass er auch in diesem furchterregenden Moment noch an sie dachte. Nur an sie. Dann packte mein Großvater den Nachbarn am Hemdkragen und fing an zu schreien: „Ein Jude! Ein Jude! Ich hab einen Juden erwischt!“ Die Menge, die sich um sie versammelt hatte, schaute verwirrt auf die beiden Männer – mein hochgewachsener, blonder Großvater und der kleine, schwarzhaarige Nachbar, der nach der Beschreibung meiner Mutter ein bisschen wie ich aussah –, die sich gegenseitig am Hemd gepackt hielten und aus heiseren Kehlen schrien: „Jude!“ Und nach einem Moment des Zögerns stürzten sich ein paar Leute aus dem Publikum auf den Nachbarn, drückten ihn auf den Boden und traten gegen seinen Kopf und seine übrigen Körperteile, bis er seine Seele aushauchte.
„Das war dein Großvater“, schloss meine Mutter lächelnd, und bevor sie aus dem Zimmer ging, bückte sie sich, küsste mich auf die Stirn und sagte: „Gute Nacht!“

Etgar Keret: Gutenachtgeschichte / סיפור לפני השינה
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
סיפור לפני השינה
הפעם הראשונה שאימי סיפרה לי על אביה היתה כשהייתי בגיל הגן. אני זוכר אותי שוכב במיטה בפיג'מה ואת אימי יושבת על קצה מיטתי ומספרת לי את הסיפור הבא בגאווה: מיד אחרי שהגרמנים כבשו את פולין, הפך אחד השכנים הלא יהודים של משפחתה של אימי למשתף פעולה עם הנאצים.לשכן הזה היה שיער שחור, והוא היה נמוך ובעל אף גדול, על פי אימי הוא "נראה כמו קריקטורה של יהודי", והוא ניצל זאת כדי להתחזות לאחד, וכך לחשוף מקומות מסתור של יהודים ולהסגירם. מיום שהועברו לגטו הם לא פגשו שוב באותו שכן, אבל הסיפורים הנוראים על הלשנותיו ועל קורבנותיהן המשיכו להגיע. בוקר אחד יצאו סבי ואימי מהגטו. התוכנית שלהם היתה פשוטה: לרכוש כיכר לחם בשוק השחור, לפרוס אותה, ואחר כך למכור את הפרוסות בגטו במחיר שיכסה את עלות הכיכר ועדיין ישאיר פרוסה או שתיים לבני המשפחה הרעבים. סבי ואימי התגנבו אל מחוץ לגטו וצעדו ברחובות ורשה ללא טלאי צהוב. זה היה מסוכן מאוד, אבל סבי ואימי, שהיו בהירי שיער, קיוו שאיש לא יחשוד בהם.
באחת הכיכרות הצפופות בעיר הם נתקלו פתאום בשכן המלשן. השכן לא היסס לרגע: הוא אחז מיד בדש חולצתו של סבי והחל לצעוק, "יהודים! יהודים!" סבי, שניסה להשתחרר מלפיתתו, הבין שבתוך כמה רגעים כבר יכותרו בעוברי-אורח, ושגם אם יצליח להשתחרר, ההמון בכיכר לא ייתן לאימי ולו להימלט. הוא הפנה את מבטו לעבר אימי וקרץ קריצה שנועדה להרגיע אותה, או לפחות להבהיר לה שגם ברגע המפחיד הזה הוא עדיין חושב עליה. רק עליה.
סבי תפס את השכן בדשי חולצתו והחל לצעוק, "יהודי! יהודי! תפסתי יהודי!" ההמון שנאסף סביבם הביט מבולבל בשני הגברים - סבי התמיר ובהיר השיער, והשכן הנמוך, שחור השיער, שעל פי תיאורה של אימי נראה קצת כמוני - שאחזו זה בבגדי זה וצעקו בגרונות ניחרים, "יהודי!" וכעבור רגע של היסוס הסתערו כמה אנשים בקהל על השכן, הצמידו אותו לקרקע ובעטו בראשו ובשאר חלקי גופו עד שנפח את נשמתו. "כזה היה סבא שלך," אמרה אימי וחייכה, ולפני שיצאה מהחדר התכופפה, נשקה למצחי ואמרה, "לילה טוב!"
Sprachen
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Etgar Keret: Sprachen
Audio als Lesetext
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka -
Etgar Keret: Sprachen / שפות
Audio als Lesetext
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka

Etgar Keret: Sprachen
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
Sprachen
Meine Mutter konnte sechs Sprachen sprechen. Da auch mein Vater eine ähnliche Anzahl von Sprachen lesen und schreiben konnte, dachte ich mir als Kind, dass es sich um einen natürlichen Vorgang handle und die Kenntnis von Sprachen, genau wie Gesichtsbehaarung, etwas sei, das von selber bei mir wachsen würde, wenn ich groß würde.
Polnisch und Jiddisch waren die ersten Sprachen meiner Mutter. Französisch lernte sie im Waisenhaus in Frankreich, wo sie zusammen mit anderen jüdischen Kindern nach dem Krieg hingelangte. Hebräisch und Englisch kamen dazu, nachdem sie illegal nach Israel eingewandert war. Deutsch lernte sie als kleines Mädchen von ihrem Vater, der darauf beharrte, ihr während des Kriegs Deutschunterricht zu geben. „Das rettet dir vielleicht einmal das Leben“, erklärte er ihr. „Den Leuten fällt es viel schwerer, dir deine Menschlichkeit abzusprechen, wenn du ihre Sprache sprichst.“ Und meine Mutter hat auf ihn gehört und fleißig gelernt.
Im Jahre 1995 rief ein höflicher Mensch zu Hause bei meinen Eltern an, der sich als Mitarbeiter einer deutschen Kulturinstitution vorstellte und mich zu einer Veranstaltung in Frankfurt einladen wollte. Meine Mutter, die sich bei dem Telefongespräch als meine Sekretärin vorstellte, weigerte sich, ihm die Telefonnummer der Wohnung zu geben, in der ich zu der Zeit wohnte, war aber einverstanden, mir etwas auszurichten. Das Telefonat zwischen dem Mitarbeiter der deutschen Kulturinstitution und meiner Mutter begann auf Englisch, doch in dem Moment, in dem er erwähnte, dass er daran interessiert sei, mich nach Deutschland einzuladen, wechselte meine Mutter sofort ins Deutsche. Im späteren Verlauf des Gesprächs erzählte ihr der Mann, dass er eigentlich ein gebürtiger Pole sei, der in seiner Jugend nach Deutschland ausgewandert war. „Pole? Ich bitte um Entschuldigung“, sagte meine Mutter in ihrem perfekten Polnisch zu ihm. „Wenn Sie mir das früher gesagt hätten, hätte ich mich von vornherein auf Polnisch an Sie gewandt.“
Als ich zu der besagten Veranstaltung in Frankfurt eintraf und den Mann von der deutschen Kulturinstitution zum ersten Mal persönlich traf, lobte er höflich meine schriftstellerischen Erzeugnisse, doch es schien, dass er viel mehr von meiner Privatsekretärin als von meinen Büchern begeistert war. „Ich weiß aus Erfahrung“, sagte er, „wie schwierig es ist, eine Sekretärin zu finden, die auf so hohem Niveau so viele Sprachen beherrscht. Wie ist es Ihnen gelungen, sie zu finden?“
„Ich weiß auch nicht“, antwortete ich mit einem Lächeln. „Ich habe meine Augen aufgemacht, und da war sie einfach.“

Etgar Keret: Sprachen / שפות
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
שפות
אמא שלי ידעה לדבר בשש שפות. מכיוון שגם אבי ידע לקרוא ולכתוב מספר דומה של שפות, חשבתי לעצמי, כילד, שמדובר בתהליך טבעי, ושידיעת שפות, בדיוק כמו שיער פנים, היא משהו שיצמח בי מעצמו כשאתבגר.
פולנית ואידיש היו השפות הראשונות שאימי רכשה. צרפתית היא למדה בבית היתומים בצרפת, שאליו הגיעה עם ילדים יהודים אחרים אחרי המלחמה. העברית והאנגלית הגיעו לאחר שעלתה באופן בלתי לגאלי לישראל. את הגרמנית שלה היא למדה כילדה קטנה מאביה, שהתעקש להעביר לה שיעורים בגרמנית בזמן המלחמה. "זה אולי יציל את חייך," הוא הסביר לה, "לאנשים הרבה יותר קשה להכחיש את האנושיות שלך כשאת דוברת את שפתם." ואימי הקשיבה ולמדה בשקדנות.
בשנת 1995 התקשר לבית הורי אדם אדיב שהציג את עצמו כעובד במשרד התרבות הגרמני וביקש להזמין אותי לדבר באירוע בפרנקפורט. אימי, שהציגה את עצמה בשיחה כמזכירה שלי, סירבה לתת לו את מספר הטלפון בדירה שבה התגוררתי באותה עת, אבל הסכימה למסור לי הודעה. השיחה בין עובד משרד התרבות הגרמני ואימי החלה באנגלית, אבל ברגע שציין שהוא מעוניין להזמין אותי לגרמניה, גלשה אימי מיד לגרמנית. בשלב מאוחר יותר בשיחה סיפר לה איש משרד התרבות שהוא בעצם יליד פולין שהיגר בנעוריו לגרמניה. "פולני?" אמרה לו אימי בפולנית המושלמת שלה, "אני מתנצלת. אם היית אומר לי את זה מוקדם יותר, הייתי פונה אליך בפולנית מלכתחילה."
כאשר הגעתי לאירוע המדובר בפרנקפורט ופגשתי לראשונים פנים אל פנים את איש משרד התרבות הגרמני, הוא החמיא בנימוס לכתיבתי, אבל נראה שיותר משהתלהב מספרי הוא התפעל מהמזכירה הפרטית שלי. "מניסיון," הוא אמר, "אני יודע כמה קשה למצוא מזכירה ששולטת ברמה גבוהה כזו בכל כך הרבה שפות. איך הצלחת למצוא אותה?" "לא יודע," עניתי בחיוך, "פקחתי את עיניי והיא פשוט היתה שם."
Der erste Engel
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Etgar Keret: Der erste Engel
Audio als Lesetext
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka -
Etgar Keret: Der erste Engel / המלאך הראשון
Audio als Lesetext
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka

Etgar Keret: Der erste Engel
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
Der erste Engel
Diese Geschichte habe ich einmal gehört, als meine Mutter mit meinem Vater von einer Hochzeit zurückkam und völlig betrunken war. Wenn sie in jener Nacht auch nur ein Glas weniger getrunken hätte, könnte ich sie heute wohl kaum hier wiedergeben. Ich habe sie mir etwas verschwommen zusammengereimt. In der Geschichte nimmt die Mutter meiner Mutter mit einer Hand die kleine Hand meiner Mutter, mit der anderen hebt sie ihren kleinen Bruder, noch ein Baby, hoch, und sie rennen die Treppen hinauf. Meine Mutter hört Schritte hinter sich trampeln, die sie verfolgen. Als sie das Dach erreichen, fordert ihre Mutter sie auf, mit aller Kraft loszulaufen und dann auf das nächste, etwas niedrigere Dach hinüberzuspringen. „Hab keine Angst“, sagt sie zu ihr, „du schaffst es.“ Meine Mutter wartet einen Moment, wartet darauf, dass ihre Mutter sagt, „und ich spring dir gleich nach“, doch ihre Mutter, die vom Treppenhinauflaufen noch außer Atem ist, fügt nichts hinzu. „Und wann sehe ich dich wieder?“, hat meine Mutter gefragt, und ihre Mutter hat sich zu ihr hinuntergebeugt und dicht an ihrem Gesicht gesagt: „Jetzt lauf, so schnell du kannst, und spring so weit, wie du kannst, und wenn du gelandet bist, renn mit aller Kraft weiter, und bleib nicht stehen, bis du bei Papa ankommst. Und dann wirst du groß und wirst eine Frau, du wirst einen Mann treffen, den du lieben wirst, und ihr werdet eine Familie haben, und am Schluss wirst du alt und stirbst. Und gleich nachdem du gestorben bist, geh zu dem ersten Engel hin, den du siehst, und sag zu ihm, ‚Ich gehe meine Mutter treffen‘, und er wird es schon wissen, denn ich rede vorher mit ihm, er weiß es schon und bringt dich zu mir.“
Die Geschichte ist hier nicht zu Ende. Nachdem meine Mutter auf das nächste Dach gesprungen war, ist sie nicht mit aller Kraft weitergerannt, wie ihre Mutter gebeten hatte, sondern hat sich versteckt und gesehen, wie die Nazisoldaten ihre Mutter umbrachten und den Schädel ihres kleinen Bruders an einer Ziegelmauer zertrümmerten.
Als sie mir das erzählte, habe ich das schwere Schuldgefühl gespürt, das auf ihr lastete, aber auch den Stolz auf ihre Mutter, die sogar einen Moment, bevor sie ihren Tod fand, nicht bereit war, ihre Tochter anzulügen. Siebenundvierzig Jahre nach der Nacht, in der sie mir das erzählte, ist meine Mutter gestorben. Der letzte Satz, den sie sagte, bevor sie ging, war: „Ich gehe meine Mutter treffen.“

Etgar Keret: Der erste Engel / המלאך הראשון
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
המלאך הראשון
את הסיפור הזה שמעתי רק פעם אחת. אמא שלי בדיוק חזרה עם אבי מחתונה והיתה לגמרי שיכורה. אילו שתתה באותו לילה אפילו רק כוסית אחת פחות, כנראה לא הייתי יכול לחלוק אותו איתכם היום. אני מדמיין אותו קצת מטושטש. בסיפור, אמא של אמא שלי אוחזת את כף ידה הקטנה של אימי ביד אחת, ובידה האחרת היא מרימה את אחיה הפעוט של אימי, והן שועטות במעלה מדרגות. אמא שלי שומעת מאחור את נקישות צעדיהם של מי שדולקים אחריהם. כשהן מגיעות לגג, אמא של אמא שלי מבקשת ממנה שתרוץ בכל הכוח, ואז תקפוץ לגג הקרוב, המעט נמוך יותר. "אל תפחדי," היא אומרת לה, "את תצליחי." אמא שלי ממתינה רגע, היא מחכה שאמה תאמר, "ומיד אחרייך גם אני אקפוץ," אבל אמה המתנשפת מהריצה במדרגות לא מוסיפה דבר. "ומתי אני אראה אותך שוב?" שואלת אימי, ואמא שלה מתכופפת, מקרבת אליה את פניה ואומרת, "עכשיו את תרוצי הכי מהר שאת יכולה ותקפצי הכי רחוק שתוכלי, ואחרי שתנחתי את תמשיכי לרוץ בכל הכוח ולא תעצרי עד שתגיעי לאבא. ואחר כך את תגדלי ותהיי לאישה, ותפגשי איש, אותו תאהבי ותהיה לכם משפחה, ובסוף תהיי זקנה ותמותי. ומיד אחרי שתמותי, תיגשי למלאך הראשון שאת רואה ותגידי לו, 'אני הולכת לפגוש את אמא שלי', והוא כבר יידע, כי אני אדבר איתו קודם, הוא כבר יידע ויביא אותך אלי." הסיפור לא נגמר כאן. אחרי שאימי קפצה לגג השני, היא לא המשיכה לרוץ בכל הכוח כמו שאמא שלה ביקשה, אלא הסתתרה וראתה איך החיילים הנאצים הורגים את אמא שלה ומרוצצים את הגולגולת של אחיה הפעוט כנגד קיר לבנים. כשסיפרה לי את זה הרגשתי את תחושת האשמה הכבדה שעטפה אותה, אבל גם את הגאווה שלה באמא שלה, שאפילו רגע לפני שפגשה את מותה לא הסכימה לשקר לבתה. ארבעים ושבע שנים אחרי הלילה שבו סיפרה לי את זה אמא שלי מתה. המשפט האחרון שאמרה לפני שעזבה היה, "אני הולכת לפגוש את אמא שלי."
Ein guter Tag
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Etgar Keret: Ein guter Tag
Audio als Lesetext
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka -
Etgar Keret: Ein guter Tag / יום טוב
Audio als Lesetext
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka

Etgar Keret: Ein guter Tag
Übersetzung: Dr. Barbara Linner
Sprecher: Daniel Kehlmann
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
Ein guter Tag
Als Kind ging ich am allerliebsten in Restaurants. Und dabei war ich kein Feinschmecker. Aber damals, in den Siebzigerjahren im sozialistischen Israel, war es ein so seltenes und dekadentes Ereignis, in ein Restaurant essen zu gehen, dass man gar nicht anders konnte, als aufgeregt zu sein. Alle paar Monate einmal fuhren wir zu „Viktors Treffpunkt“, ein populäres Tel Aviver Steakhaus, das an einen Schrottplatz angrenzte. Nach dem Essen, wenn meine Mutter und mein Vater schwarzen Kaffee tranken und eine Zigarette rauchten, drehte mein Bruder mit meiner Schwester und mir eine aufregende Runde auf dem Schrottplatz, den wir „Autofriedhof“ nannten. Jedes Mal blieben wir bei einem anderen zerquetschten Fahrzeug stehen und spekulierten darüber, wie es da wohl hingelangt war: Es war von einem Elefanten zertrampelt, aus dem Rachen einer Kanone geschossen worden oder einfach zu schnell gefahren und mit einer Ampel zusammengestoßen.
An einem Schabbat, als ich ungefähr sechs war, fuhren wir zu „Viktors Treffpunkt“, um den gemeinsamen Geburtstag meiner Mutter und meiner Schwester zu feiern. Der schnurrbärtige Kellner, der den Tisch mit einem nassen Lappen abwischte, teilte uns in entschuldigendem Ton mit, dass wegen einer Fehlleistung des Kochs das Restaurant heute keine Pommes frites servieren könne. Der Rest der Familie nahm die Nachricht mit einer gewissen Gleichgültigkeit auf, doch mich traf sie sehr hart. Statt köstlich fettiger Pommes stellte der Kellner eine Platte Reis auf den Tisch, und innerhalb einer Sekunde wurde das ausschweifende, dekadente Festmahl, auf das ich seit Wochen gewartet hatte, zu einem weiteren ganz normalen Familienessen. Meine Mutter, die meine Frustration spürte, fragte mich, ob alles in Ordnung sei. Ich erwiderte zornig, überhaupt nichts sei in Ordnung, denn ohne Pommes sei das ganze Essen nichts wert, und dieser Geburtstag, der ein Spaß und Vergnügen sein sollte, sei ab sofort der traurigste Tag in meinem Leben geworden.
Meine Mutter hörte sich meine ganzen bitteren Klagen geduldig an, und als ich fertig war, legte sie, anstelle einer Antwort, ihren warmen Handrücken an meinen Hals und bat mich halb flüsternd, für sie zu zählen, wie viele Gäste sich momentan im Restaurant befanden. Als ein braver Junge zählte ich alle gewissenhaft. Schabbat Mittag war eine der populärsten Zeiten der Woche in „Viktors Treffpunkt“, und abgesehen von unserem Tisch gab es noch sechsundzwanzig Essensgäste im Lokal. „Sechsundzwanzig?“ Meine Mutter stieß einen anerkennenden Pfiff aus. „Das ist eine Menge! Könntest du mir bitte sagen, was diese ganzen Leute in der Hand halten?“ „Also wirklich“, sagte ich und grinste sie an, „das ist doch ganz einfach. Das ist ein Restaurant. Sie halten Messer und Gabeln in der Hand.“ „Sechsundzwanzig Leute“, meinte meine Mutter beeindruckt, „sechsundzwanzig hungrige Menschen sitzen an ihren Tischen, und jeder isst nur von seinem eigenen Teller. Sechsundzwanzig Menschen halten Messer in ihren Händen, und trotzdem ersticht keiner den anderen.“ Sie beugte sich zu mir, küsste mich sanft auf die Stirn und sagte: „Komm, einigen wir uns darauf, dass heute ein guter Tag ist.“

Etgar Keret: Ein guter Tag / יום טוב
Hebräischer Originaltext
Sprecher: Etgar Keret
Illustration: Asaf Hanuka
Text zum Mitlesen:
יום טוב
כשהייתי ילד הדבר שהכי אהבתי היה ללכת למסעדות. וזה לא שהייתי פיינשמקר. פשוט אז, בשנות השבעים בישראל הסוציאליסטית, לצאת לאכול במסעדה היה אירוע כל כך נדיר ומושחת, שלא יכולת שלא להתרגש ממנו. פעם בכמה חודשים היינו נוסעים ל"מפגש ויקטור", סטקייה תל אביבית עממית שגבלה במגרש גרוטאות. אחרי האוכל, כשאמא ואבא היו שותים קפה שחור ומעשנים סיגריה, היה אחי מוביל את אחותי ואותי לסיור מסעיר במגרש הגרוטאות שאותו כינינו "בית קברות למכוניות". בכל פעם היינו עוצרים ליד רכב מעוך אחר ומנסים לנחש כיצד הגיע לכאן: הוא נרמס על ידי פיל, נורה מלוע תותח, או סתם, נסע מהר מדי והתנגש ברמזור.
שבת אחת, כשהייתי בן שש בערך, נסענו ל"מפגש ויקטור" לחגוג את יום הולדתן של אימי ושל אחותי שנולדו באותו תאריך. המלצר המשופם, שניקה את השולחן במטלית רטובה, הודיע לנו בטון מתנצל שבגלל פאשלה של הטבח, המסעדה לא תגיש היום צ'יפס. שאר המשפחה קיבלה את העדכון באדישות מסויימת, אבל אני לקחתי אותו קשה מאוד. במקום צ'יפס מטוגן שמנוני וטעים, הגיש המלצר לשולחן צלחת אורז, ובתוך שנייה הפכה הארוחה הפראית והמושחתת שצפיתי לה שבועות לעוד ארוחה משפחתית רגילה. אימי, שהרגישה את התסכול שלי, שאלה אותי אם הכל בסדר. עניתי לה בזעם ששום דבר לא בסדר, ושבלי צ'יפס כל הארוחה הזו לא שווה כלום, ושיום ההולדת הזה, שהיה אמור להיות כייפי ומהנה, הפך ברגע ליום הכי עצוב בחיי.
אימי הקשיבה בסבלנות לכל תלונותיי ומררותיי, וכשסיימתי, במקום לענות, הניחה את גב ידה החמימה על צווארי וביקשה ממני בחצי לחישה לספור בשבילה כמה לקוחות נמצאים ברגע זה במסעדה. כמו ילד טוב מניתי בקפדנות את כולם. שבת בצהריים היה אחד המועדים הפופולריים בשבוע ב"מפגש ויקטור", וחוץ מהשולחן שלנו היו במסעדה עוד כעשרים ושישה סועדים. "עשרים ושישה?" שרקה אימי בהערכה, "זה המון! תוכל בבקשה להגיד לי מה כל האנשים האלה מחזיקים ביד?" "נו, באמת," אמרתי וחייכתי אל אימי, "זה קל. זאת מסעדה. הם מחזיקים סכין ומזלג." "עשרים ושישה אנשים," אמרה אימי בהתפעלות, "עשרים ושישה בני אדם רעבים יושבים ליד שולחנות וכל אחד אוכל רק מהצלחת שלו. עשרים ושישה בני אדם מחזיקים בידיהם סכינים, ובכל זאת, אף אחד לא דוקר אף אחד." היא התכופפה, נשקה נשיקה עדינה למצחי ואמרה, "בוא נסכים בינינו שמדובר ביום טוב."
Blick in die Ausstellung

Zum Text Stoff:
Das große Kleid aus allem, Auftragsarbeit von Katharina Trudzinski, Berlin 2022
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Roman März

Zum Text Geburtstage:
Ein Blatt, Auftragsarbeit von Yair Kira, Berlin 2022
Komposition: Amir Shpilman
Programmierung: Eric Medine
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Roman März

Zum Text Krautfelder:
Immer wieder, Auftragsarbeit von Tatia Rosenthal, New York 2022
Musik: Wandernder Alptraum von Christopher Bowen
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Roman März

In der Ausstellung findet sich außerdem ein stattlicher Kaugummiautomat, gefüllt mit gefalteten, in Plastikkugeln verpackten, halbgaren Geschichten von Etgar Keret, über die er sagt:
„Es ist schwer, die Geschichte einer Person zu erzählen, der man näher stand als jemand anderem auf der Welt. Egal, wie sehr man sich bemüht, meistens klappt es nicht. Hier sind die Geschichten, die es nicht geschafft haben.“
Jüdisches Museum Berlin, Foto: Roman März
Ausstellungsimpressum
Künstlerische Leitung
Etgar Keret
Projektleitung Jüdisches Museum Berlin
Daniel Ihde, Projektmanager
Leonore Maier, Kuratorin Sammlungen
Team Etgar Keret, Tel Aviv
Gal Ber, Gal Canetti, Noa Gana
Ausstellungsgestaltung
studio.a, Berlin (Anne Binder)
Ausstellungsgrafik
Team Mao, Berlin (Siyu Mao und Moritz Böhm)
Künstler*innen der Auftragswerke
Asaf Hanuka, Yair Kira, Tatia Rosenthal, Katharina Trudzinski
Literarische Übersetzungen
Jessica Cohen (HE-EN), Dr. Barbara Linner (HE-DE)
Sprachaufnahmen
Deutsch:
tonstudio schieffer, Berlin
Sprecher: Daniel Kehlmann
Englisch und Hebräisch:
Soundhouse, Tel Aviv
Sprecher: Etgar Keret
Ausstellungs- und Vitrinenbau
Tischlerei Holzmanufaktur in Berlin GmbH
Grafikproduktion
Heerlein Werbetechnik GmbH & Co. KG, Berlin
Exponateinrichtung
Fißler & Kollegen GmbH
Ausstellungswartung
Leitwerk Servicing
Gestaltung Werbekampagne
buerominimal, Berlin
Mit herzlichem Dank an alle Kolleg*innen des Jüdischen Museums Berlin, die zur Entstehung der Ausstellung sowie der begleitenden Programme beigetragen haben.
Eine Ausstellung des Jüdischen Museums Berlin in Zusammenarbeit mit Etgar Keret, Tel Aviv

Alle Angebote zur Ausstellung Inside Out – Etgar Keret
- Über die Ausstellung
- Aktuelle Seite: Inside Out – Etgar Keret – 21. Okt 2022 bis 19. Mär 2023
- Digitale Angebote
- Eine merkwürdige Verwandtschaft – Etgar Keret und Daniel Kehlmann im Gespräch, Video-Mitschnitt, 2022, auf Englisch
- My mother’s favorite music – Playlist zur Ausstellung auf Spotify
- Siehe auch
- Etgar Keret, Schriftsteller und Drehbuchautor
- Etgar Kerets Website – auf Englisch
Informationen zur Ausstellung im Überblick
- Wann 21. Okt 2022 bis 19. Mär 2023
- Wo Libeskind-Bau EG, Eric F. Ross Galerie
Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin
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