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Ton in Ton

Jüdische Keramikerinnen aus Deutschland nach 1933

Foto: Grün-oranges Teeservice, Art Déco, mit Kanne, zwei Tassen mit Untertellern, Zuckerdose und Milchkännchen von Kadar Ltd.

Teeservice, Jerusalem um 1936. Weitere Informationen zu dieser Objektgruppe finden Sie in unseren Online-Sammlungen

Im frühen 20. Jahrhundert erlangten Frauen in Deutschland endlich Akzeptanz und Wahrnehmung im männlich dominierten Kunstbetrieb. Im Bereich der Angewandten Kunst waren sie vor allem in der Arbeit mit Textilien, Keramik und der grafischen Gestaltung stark vertreten. Mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus gehörten jüdische Künstlerinnen zu denen, deren Arbeitsmöglichkeiten und Mittel zur unabhängigen Existenz bedroht waren. Einige hatten die Weitsicht, Deutschland zu verlassen. Ihre rechtzeitige Ausreise rettete ihnen das Leben. 
 

Ausstellung bereits beendet

Übersichtsplan mit allen Gebäuden, die zum Jüdischen Museum Berlin gehören. Der Libeskind-Bau ist grün markiert

Wo

Libeskind-Bau UG
Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin

Michal Friedlander, Kuratorin für Judaica und Angewandte Kunst, stellt einige Ergebnisse ihrer Recherchen zu jüdischen Keramikerinnen aus Deutschland vor; Jüdisches Museum Berlin

Grete Loebenstein

Grete Loebenstein war eine anerkannte Keramik-Designerin und Mitbegründerin der erfolgreichen Haël-Werkstätten für künstlerische Keramik in Velten, etwa 40 km nördlich von Berlin. 1933 wurde sie von den Nationalsozialist*innen „staatsfeindlicher Umtriebe“ bezichtigt. Kurze Zeit später sah Grete Loebenstein sich gezwungen, ihre Firma aufzugeben. Haël wurde, weit unter Wert, an ein NSDAP-Mitglied verkauft, das die junge Hedwig Bollhagen zur künstlerischen Leiterin der Werkstätten machte. Grete Loebenstein verließ Deutschland, um im Ausland ein neues Leben zu beginnen.

Die Ausstellung Ton in Ton folgte Margarete Heymann-Loebenstein nach England und zeigte ihre Versuche, dort künstlerisch wieder Fuß zu fassen: Ihr künstlerischer Stil änderte sich, als sie 1936 nach Großbritannien kam. In Deutschland waren ihre Entwürfe radikal und avantgardistisch gewesen, mit lebhaften Farben. Nun fand sie Arbeit in den Töpfereien von Staffordshire und musste sich dem dortigen Geschmack und den Marktgegebenheiten anpassen. Hier wurden dezente Farben und Blumendekors bevorzugt. Sie versuchte über die Jahre einen neuen Stil zu finden. Der große Erfolg, wie sie ihn in Deutschland erlebt hatte, stellte sich jedoch nicht ein.

Grete Loebenstein

Die Keramik-Designerin Margarete (Grete) Heymann-Loebenstein (später Marks) wurde 1899 in Köln geboren. Sie war Bauhausschülerin und emigrierte 1936 nach England. Sie starb 1990 in London.
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Nach Palästina

Andere jüdische Künstlerinnen wanderten nach Palästina aus und arbeiteten dort als Keramikerinnen. Einige unter ihnen sahen sich als Pionierinnen, für die Palästina ein Wunschziel war, andere wählten das Land aus pragmatischen Gründen.

Ausgebildet in Deutschland, brachten sie hohe technische Fertigkeiten mit. Darüber hinaus verfügten sie über eine starke Durchsetzungskraft und den Willen, sich den Herausforderungen eines Lebens in der neuen Umgebung zu stellen. Welche lokal verfügbaren Tonerden eignen sich für die Herstellung von Keramik? Wie baut man einen Brennofen? Wie kann man seine Bedürfnisse in einem Land ausdrücken, dessen Sprachen man nicht spricht?

Die Keramikpionierinnen im Palästina vor der Staatsgründung wollten ihr handwerkliches Wissen aus Europa nutzen, um etwas Neues zu schaffen, das im Land verwurzelt sein sollte.

„Ich versuchte mich von den mitteleuropäischen Formen, Farben und Glasuren zu befreien und arbeitete nur mit hiesigen Tonsorten und selbstgemachten Engobenfarben.“ (Hedwig Grossmann-Lehmann, 1966)

Hanna Zuntz

Aufgewachsen in einer orthodoxen, zionistischen Familie, emigrierte Hanna Zuntz 1940 nach Palästina. Nach einem Italienbesuch begeisterte sie sich für römische Keramiken und ein altrömisches, roten Glanz erzeugendes Töpferverfahren namens Terra Sigillata. Als Keramikerin von herausragendem technischem Geschick gelang es ihr, diese vergessene Technik wiederzuentdecken. Sie verarbeitete lokalen Ton zu dünnen Schichten und brannte die Objekte bei großer Hitze, wodurch sie ohne Glanzbrand oder Glasur schimmernde Oberflächen erzielte.

Eva Samuel

Eva Samuel traf 1932 in Palästina ein und konzentrierte sich anfangs auf kleine folkloristische Figuren, angelehnt an die ethnischen Gruppen, denen sie vor Ort begegnete. Ihre Farbauswahl war stark eingeschränkt, da sie weiterhin mit Glasuren arbeitete, die sie für viel Geld aus Deutschland importierte. Evas Geschäftspartnerin stammte aus Hamburg, und sie stellten vor allem deutschsprachige Assistentinnen an. Unter ihnen war Mira Liebes, die dann selbst Karriere machte.

Keramikindustrie in Palästina

Als sich in den 1930er-Jahren in Palästina eine Keramikindustrie zu entwickeln begann, erweiterte sich das Produktspektrum, das zuvor auf Sanitätskeramik wie Waschbecken und Kloschüsseln beschränkt war, um Haushaltsgegenstände.

Hedwig Grossmann aus Berlin, Hanna Charag-Zuntz aus Hamburg und Eva Samuel aus Essen gelten als die Gründerinnen der modernen israelischen Keramikkunst. Die Ausstellung stellte Arbeiten dieser drei Keramikerinnen und aus ihrem Umfeld vor. Darüber hinaus untersuchte sie den Einfluss deutscher Keramik-Traditionen im neu gegründeten Staat Israel.

1952 richtete Dr. Berta Rosenthal in der Manufaktur Lapid in Tel Aviv-Jaffa eine Abteilung für handverzierte Haushaltskeramik ein. Chef-Designerin war die deutsche Immigrantin Elisabeth Cohen-Silberschmidt, die moderne europäische Designelemente einführte.

Blau-weißes Keramikgefäß mit Deckel und Henkel

Gebäckbehälter zu einem Kaffeegeschirr, Entwurf: Elisabeth Cohen-Silberschmidt, Hersteller: Lapid, Tel Aviv, ca. 1960; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Roman März

Spurensuche

Von den meisten jüdischen Keramikerinnen, die sich im Deutschland der 1920er- und 1930er-Jahre ausbilden ließen, fehlt heute jede Spur. Die Gründe sind vielfältig: Sei es, dass sie aufhörten zu arbeiten, ihren Namen änderten oder dass sich ihre Fährte in der Emigration verlor. Viele wurden Opfer der Schoa.

Anhand verschiedener Fotos konnten wir Nora Herz in ihrem Atelier identifizieren. Doch was waren 1937 die Umstände ihrer Ausreise in die USA?

Das Berliner Themenjahr Zerstörte Vielfalt – Berlin 1933–1938

Diese Ausstellung wurde von Michal Friedlander kuratiert. Sie entstand als Beitrag des Jüdischen Museums Berlin zum Berliner Themenjahr Zerstörte Vielfalt – Berlin 1933–1938, an dem sich das Museum auch mit dem Online-Projekt 1933. Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums und der Vitrinenausstellung Bambi und die Relativitätstheorie. Bücher auf dem Scheiterhaufen der Nazis beteiligte.

Eine Frau (von vorne) in einer Töpferwerkstatt an einem Krug arbeitend

Nora Herz in ihrem Atelier auf einem Foto von Herbert Sonnenfeld, Berlin, 1935; Jüdisches Museum Berlin, Ankauf aus Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin. Weitere Fotos von Nora Herz und ihrem Schaffen finden Sie in unseren Online-Sammlungen

Informationen zur Ausstellung im Überblick

  • Wann 10. Okt 2013 bis 1. Jun 2014
  • Wo Libeskind-Bau UG
    Lindenstraße 9-14, 10969 Berlin
    Zum Lageplan

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Michal S. Friedlander, Vasen statt Milchflaschen – Eva Samuel, Hedwig Grossmann und Hanna Charag-Zuntz: die Töpferpionierinnen in Palästina, nach 1932, in: Ingeborg Becker und Claudia Kanowski (Hg.), Avantgarde für den Alltag. Jüdische Keramikerinnen in Deutschland 1919–1933. Marguerite Friedlaender-Wildenhain, Margarete Heymann-Marks, Eva Stricker-Zeisel, Ausstellungskatalog Berlin Bröhan-Museum, Berlin 2013.

Download (PDF / 9.34 MB / auf Deutsch)

Online-Ausstellung Jüdische Keramikerinnen aus Deutschland nach 1933

Eine Spurensuche nach vergessenen Biografien und Werken, in Kooperation mit Google Arts & Culture
Zur Ausstellung bei Google Arts & Culture

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