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»on.tour – Das Jüdische Museum Berlin macht Schule« besucht die Jugendstrafanstalten Berlin-Plötzensee und Neustrelitz
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Press Release, Wed 7 Sep 2016
Im September fährt das Jüdische Museum Berlin mit seiner mobilen Ausstellung „on.tour – Das jüdische Museum Berlin macht Schule“ an drei Tagen Jugendstrafanstalten an: Am 12. September besucht das Jüdische Museum Berlin die Jugendanstalt (JA) Neustrelitz. Am 13. und 14. September geht es in die Jugendstrafanstalt (JSA) Berlin-Plötzensee. In den Unterrichts- und Werkstatträumen der Haftanstalten werden vier didaktisch und fachlich geschulte Museumsvermittler*innen mit Gruppen von fünf bis acht jugendlichen Häftlingen zusammenarbeiten. Zusammen nähern sie sich ausgesuchten Themen der jüdischen Geschichte und diskutieren Fragen zum Thema Identitäten und Diversität. Der Besuch in den Jugendstrafanstalten ist Teil der diesjährigen bundesweiten Tour, die seit 2007 insgesamt mehr als 500 Schulen angesteuert hat.
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Sarah Hiron, Leiterin der Outreach-Programme des Jüdischen Museums Berlin, ist vom Erfolg des Projektes in der JSA überzeugt: „Wir haben bei unseren JSA-Besuchen sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir werden wieder offen über Religion, Tradition und Kultur, aber auch über Vorurteile sprechen und diese in kontroversen Diskussionen hoffentlich dann abbauen können“. Nach den vorangegangenen Besuchen konnte Kontakt zu einzelnen Insassen gehalten werden. Einige besuchten nach ihrer Entlassung oder im Rahmen von Vollzugslockerungen das Museum.
Jugendanstalt Neustrelitz
Auf Einladung des Gefängnisses besucht das Jüdische Museum Berlin zum zweiten Mal in diesem Jahr die JA Neustrelitz. „Wir möchten die Jugendlichen durch den Besuch des Jüdischen Museums Berlin zu Multiplikatoren machen, die extremen Ansichten entgegen stehen“, sagt Steffen Bischof, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der JA. Nach dem Besuch im Mai sei das Thema noch lange präsent gewesen. Mit der Ausstellung und dem Workshop von on.tour bieten die Museumspädagog*innen eine intensive Auseinandersetzung mit den Themen Diversität und Toleranz. Aufklärung und Prävention sind wichtige Bestandteile der Bildungsarbeit der JA. Sie werden mit Hilfe verschiedener Kooperationspartner umgesetzt: So pflegen die Jugendlichen in Kooperation mit der jüdischen Gemeinde in Rostock die beiden Jüdischen Friedhöfe in Neustrelitz. Rabbi William Wolff und Gemeindemitglieder aus Rostock sind regelmäßig in der JA zu Gast, um mit den Inhaftierten Gespräche zu führen.
Die JA Neustrelitz ist die einzige Strafvollzugseinrichtung für Jugendliche und junge Erwachsene in Mecklenburg-Vorpommern. Als einzige Haftanstalt in Deutschland sind hier sowohl Jungen als auch Mädchen untergebracht, seit 2009 gibt es auch ein Mutter-Kind-Programm für straffällige junge Mütter. Bis zu 297 Inhaftierte können in der JA aufgenommen werden.
Jugendstrafanstalt Berlin-Plötzensee
„Die Kooperation mit dem Jüdischen Museum ist für uns inzwischen zu einem wichtigen Bestanteil geworden und ich bin sehr dankbar, dass dieser Besuch wieder ansteht. Viele Insass*innen sind in Ihrer Biografie mit Vorbehalten und Vorurteilen gegenüber Juden großgeworden; die Konfrontation und Bearbeitung dieser Vorurteile ist ein wichtiger pädagogischer Prozess, der im Rahmen der Besuche des Jüdischen Museums praxisnah und anschaulich vermittelt wird“ sagt Janina Deininger, Pressesprecherin der JSA. In diesem September besucht das Jüdische Museum Berlin die Haftanstalt zum sechsten Mal seit 2008. „Aber auch der Einblick in die jüdische Kultur und Religion ist für unsere Inhaftierten interessant und erkenntnisreich“, sagt Deininger.
Die JSA Berlin ist mit 423 Haftplätzen eine der größten Haftanstalten in Deutschland für männliche Jugendliche und Heranwachsende. Aktuell sind dort 302 Untersuchungs- und Strafgefangene in Einzelhafträumen untergebracht. Bei der Verbüßung von Jugendstrafe steht auch hier besonders der erzieherische Gedanke im Vordergrund.
Bei ihren Besuchen werden die Museumsvermittler*innen mit den Häftlingen über Fragen diskutieren, die in der Vorbereitung mit der JSA von den Schüler*innen gestellt wurden, zum Beispiel: „Woran erkennt man eine*n Jüd*in?“, „Welche Aufgabe hat der Rabbi?“ oder „Warum gibt es so viel Hass zwischen Palästina und Israel?“. Auf die Fragen wird während der pädagogischen Arbeit mit der mobilen Ausstellung, im iPad-Workshop und in offenen Gesprächsrunden eingegangen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Judentum, Christentum und Islam werden angesprochen und diese mit den Lebenswelten der jungen Häftlinge in Verbindung gebracht.
Die mobile Ausstellung
Die Museumspädagog*innen bringen fünf robuste und flexibel einsetzbare Ausstellungswürfel mit 16 Vitrinen, Objekten und verständlichen Texttafeln mit, die Einblick in jüdische Geschichte und Lebenswelt geben. Anhand von Alltagsgegenständen und Zeremonialobjekten werden die Themen „Jüdisches“, „Leben und Überleben“, „ Lebenswege“, „Feste feiern“ und „Anfang, Ende und Dazwischen“ vorgestellt. Das Spannungsfeld im 19. Jahrhundert zwischen dem Wunsch nach Anerkennung und Chancengleichheit einerseits, Berufsverboten und Diskriminierungen andererseits wird beispielhaft an den Lebensgeschichten des Kondomfabrikanten Julius Fromm und des berühmten Physikers und Weltbürgers Albert Einstein deutlich.
Zwei iPad-Workshops begleiten die Ausstellung
In begleitenden iPad-Workshops beschäftigen sich die Häftlinge anhand von Biografien mit Fragen zu Identitäten und jüdischem Leben nach 1945. Im Workshop „So einfach war das“ stellte das Jüdische Museum Berlin bekannten und unbekannten, gläubigen und weniger gläubigen Jüd*innen verschiedener Generationen die Frage: „Wie war das eigentlich nach 1945 als Jüd*in in Deutschland aufzuwachsen?“ Die Protagonisten erzählten zu einem Foto aus ihrer Kindheit oder Jugend eine für sie prägende Geschichte. So können die jugendlichen Häftlinge zum Beispiel die Kindheits- und Jugenderzählungen des Schriftstellers Wladimir Kaminer an iPads auswählen und anhören. Anschließend tauschen sie sich über die einzelnen Biografien aus und setzen ihre eigenen Erfahrungen in Bezug zu dem Gehörten.
Im Workshop „Meine Seite(n)“ stehen aktuelle Biografien von jüdischen Jugendlichen im Vordergrund. Die iPads geben mit interaktiven Tagebüchern einen Einblick in das Leben der Jugendlichen und zeigen die kulturelle Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland heute. In einer anschließenden Diskussion nähern sich die Häftlinge den Themen Identität und Interkulturalität, Herkunft, Glaube und Heimat.
Seit 2007 on tour: Die Bildungsinitiative des Jüdischen Museums Berlin
„Jeder Schüler und jede Schülerin in Deutschland sollte mindestens einmal das Jüdische Museum Berlin besucht haben, bevor die Schule beendet ist“, hat sich Gründungsdirektor W. Michael Blumenthal zum Ziel gesetzt. Um die Inhalte des Museums aber auch Jugendlichen nahe zu bringen, die nicht ohne Weiteres nach Berlin reisen können, geht das Jüdische Museum Berlin seit Juni 2007 deutschlandweit on.tour und leistet damit museumspädagogische Pionierarbeit. Inzwischen hat das mobile Museum alle 16 Bundesländer mehrfach bereist und neben mehr als 500 weiterführenden Schulen auch mehrfach Jugendstrafanstalten besucht. Für seine innovative pädagogische Arbeit wurde on.tour 2009 von der Initiative Deutschland – Land der Ideen ausgezeichnet. Bis Ende 2015 nahmen fast 70.000 Jugendliche am on.tour-Programm teil. 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche haben das Jüdische Museum Berlin seit der Eröffnung im Jahr 2001 besichtigt.
„on.tour – Das jüdische Museum Berlin macht Schule“ wird unterstützt von Daimler Financial Services, der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Stiftung Jüdisches Museum Berlin e.V. und dem Ehepaar Eric F. Ross und Lore Ross (sel. A.).
Hier finden Sie weitere Informationen zu on.tour.
Weitere Informationen zur Jugendstrafanstalt Neustrelitz finden Sie unter: www.ja-neustrelitz.de
Weitere Informationen zur Jugendstrafanstalt Berlin finden Sie unter: www.berlin.de/justizvollzug/anstalten/jugendstrafanstalt-berlin
Berichterstattung: Eine Begleitung des Teams zur Berichterstattung ist nur unter vorheriger Anmeldung über die Pressestelle bis zum 9. September, 12 Uhr möglich. Der Zugang zur den Haftanstalten ist streng limitiert.
Fotos für die aktuelle Berichterstattung können Sie unter Beachtung des Bildnachweises hier herunterladen.