VielSeitig: Kinderbücher
Lesenswerte Kinder- und Jugendbücher
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Wir haben hier eine Liste von Kinderbüchern zusammengestellt, die wir für besonders lesenswert halten, weil darin die Themen kulturelle Vielfalt, Migration und Diskriminierungserfahrungen behandelt werden, ohne dabei Personengruppen abzuwerten und Vorurteile zu reproduzieren.
Bücher auf dieser Seite
Aygen-Sibel Çelik
Esra trägt auch im Sommer ausschließlich langärmlige Kleidung, sie nimmt nicht an Klassenfahrten teil und geht auch nicht mit ins Schwimmbad. Mitschülerinnen und Mitschüler, deren Eltern und die Lehrerinnen und Lehrer sind sich einig, dass Esras Eltern ihr das aus religiösen Gründen verbieten. Esra ist eine von drei muslimischen türkischstämmigen Schülern der Klasse 3b und wird als einzige von der ganzen Klasse ausgegrenzt – auch von den Lehrern. Sie wird auf dem Schulhof und in der Klasse gehänselt, verspottet und sogar tätlich angegriffen. Die latent rassistische Lehrerin stellt sie vor der Klasse und den Eltern der anderen Kinder bloß. Als die Ich-Erzählerin Funda, deren Eltern ebenfalls aus der Türkei stammen, zu Esra nachhause geht, um ihr die Hausaufgaben zu bringen, entdeckt sie zufällig den wahren Grund für Esras seltsames Verhalten, den diese bisher erfolgreich geheim gehalten hat.
Funda ist hin- und hergerissen: Soll sie Esra helfen und sich auf ihre Seite schlagen, auch wenn sie dadurch möglicherweise selbst zum Gespött der Klasse wird? Oder soll sie Esra lieber in Ruhe lassen und sie nicht unterstützen, da Esra die Situation schon unangenehm genug ist? So wie Funda müssen sich auch die Leserinnen und Leser entscheiden:
„Was hättest du getan? Lies weiter auf Seite 35, wenn du meinst, dass Funda sich in Esras Angelegenheiten nicht einmischen sollte. [...] Lies weiter auf Seite 55, wenn du denkst, dass es richtig wäre, mit Esra zu reden und ihr Hilfe anzubieten [...].“
Je nachdem, welche Wahl die Leser (und Funda) treffen, findet die Geschichte einmal zu einem schönen, harmonischen, einmal zu einem zumindest versöhnlichen Ende. Alle gegen Esra zeigt, was Vorurteile anrichten können und wie viel Mut und Zivilcourage manchmal notwendig sind, um füreinander einzustehen, aber auch, wie wichtig es ist, diesen Mut immer wieder aufzubringen.
Fabrizio Silei (Text)
Maurizio A. C. Quarello (Bild)
Ben fährt mit seinem Großvater nach Detroit ins Henry Ford Museum, wo dieser ihm „etwas zeigen“ möchte. Das „etwas“ ist ein alter Bus, stellt Ben enttäuscht fest. Doch dann erzählt sein Großvater ihm von einer Zeit, in der in den Vereinigten Staaten Menschen mit schwarzer Hautfarbe streng von Weißen getrennt lebten. Zu dieser Zeit arbeitete er als Gepäckträger am Bahnhof und erlebte viele Ungerechtigkeiten und Gewalt gegen Schwarze. Einer seiner Kollegen wurde vom Ku-Klux-Klan halbtot geprügelt. Und am 1. Dezember 1955 wurde Bens Großvater Zeuge einer mutigen Tat: Er saß in jenem Bus, der nun in dem Museum steht, als eine schwarze Frau sich weigerte, für einen weißen Fahrgast ihren Sitzplatz zu räumen. Sie sagte einfach „Nein!“ Bens Großvater war beeindruckt, gibt aber zu, dass er selbst nicht so mutig war. Die Frau, Rosa Parks, wurde verhaftet. Doch in der Folge boykottierten Schwarze mit Unterstützung von Martin Luther King beinahe ein Jahr lang Busse in der Stadt Montgomery. Am Ende des Boykotts wurde die Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln aufgehoben, und durch den Druck der Bürgerrechtsbewegung erlangten Schwarze nach und nach die gleichen Rechte wie Weiße. Bens Großvater entschuldigt sich bei seinem Enkel für seinen fehlenden Mut und ermuntert ihn zu Zivilcourage. Denn es hat sich viel getan: Wer hätte es vor knapp 60 Jahren für möglich gehalten, dass ein Afroamerikaner Präsident werden
könnte? Aber es gibt immer noch Ungerechtigkeiten auf der Welt, gegen die es sich zu protestieren lohnt.
In Der Bus von Rosa Parks erzählt Fabrizio Silei eine Schlüsselepisode der Geschichte des 20. Jahrhunderts nach und verbindet sie mit dem Heute. Die eindrucksvollen Bilder von Maurizio Quarello erinnern an Edward Hoppers Gemälde und sind farbig, wo sie den heutigen Teil der Geschichte – den Museumsbesuch – illustrieren, und schwarz-weiß, wo sie die Vergangenheit heraufbeschwören.
Jenny Robson
Ein neues Kind kommt in die Klasse. Wie aufregend! Ist es nett? Wie sieht es aus? Was sind seine Hobbies? Schon auf die zweite Frage bekommen die Schülerinnen und Schüler der Klasse 4SV der südafrikanischen Colliery Grundschule keine Antwort, denn Tommy trägt eine Mütze, die alles bis auf die Augen bedeckt, aber den Spitznamen gleich mitliefert: Tommy Mütze.
Auf dem Schulhof zeigt sich Tommy bald als Fußballtalent – aber niemals ohne Mütze. Jeden Tag rätseln die Kinder darüber, warum Tommy die Mütze nie absetzt, und haben immer neue Ideen, um hinter das Geheimnis zu kommen. Denn Tommy antwortet auf direkte Nachfrage nur mit „Weil“. Daher schlägt zum Beispiel Cherise vor, dass alle aus der Klasse mögliche Gründe für die Mütze aufschreiben und in der Klassenstunde vortragen sollen, damit Tommy endlich mit der Wahrheit rausrückt. An einem anderen Tag verabreden sich die Kinder, ebenfalls alle mit einer Kopfbedeckung in die Schule zu kommen. Mit Witz und Empathie gewinnt die Klasse schließlich Tommys Vertrauen und das überraschende Geheimnis der Mütze wird gelüftet.
Jenny Robson, die als weißes Kind die Apartheid miterlebte und heute Lehrerin in Botswana ist, erzählt eine kurzweilige Grundschulgeschichte aus dem heutigen Südafrika. Der Leser erfährt en passant etwas über die ethnische Vielfalt des Landes, die aber nicht explizit thematisiert wird. Universelle Themen wie Vorurteile, Selbstbestimmung, Geschlechterrollen, Selbst- und Fremdwahrnehmung regen zum Diskutieren an. In Tommy Mütze drückt Jenny Robsons auch ihre Freude über das Ende der Apartheid aus: In ihrem Nachwort schreibt sie, dass in ihrem „Land ein Wunder geschehen ist“.
Monika Helfer,
Michael Köhlmeier (Text)
Barbara Steinitz (Bild)
Rosie ist ein typisches Großstadtkind und lebt mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter in New York. Jeden Mittwoch fährt Rosie mit dem Fahrrad über die Williamsburg Bridge zu ihrem Urgroßvater. Manchmal muss Rosie ihn austricksen, damit er seine lustigen und traurigen Geschichten über ihre jüdischen Vorfahren in Hohenems, einer kleinen Stadt in Österreich, „Europe“, erzählt. Dann berichtet der Urgroßvater von Reikle, die während eines sehr kalten Winters mit ihren Tieren in ihrem Haus zusammenwohnte, oder von der kleinen Sophie, die immer nur die Wahrheit sagte und deshalb viel Ärger bekam. Gemeinsam schmücken Rosie und ihr Urgroßvater die alten Geschichten mit Flunkereien aus, geben ihnen dadurch neue Farbe und verbinden sie mit ihrem Alltag in New York. Rosie und der Urgroßvater handelt auch vom modernen New Yorker Großstadtleben, zum Beispiel vom hilfsbereiten schwarzen Doorman Mr. Richardson und Wing, der fürsorglichen Haushaltshilfe, mit der sich der Urgroßvater gerne über ein Englisch-Chinesisch Wörterbuch verständigen würde, das Rosie aber immer zuhause vergisst.
Wie in vielen Familien bleibt auch in Rosies Familie einiges unausgesprochen: Rosie weiß nicht, warum ihre Großmutter und ihr Urgroßvater sich nicht mögen. Rosies Mutter wiederum denkt fälschlicherweise, dass der Urgroßvater keine Schwarzen mag und traut sich deshalb nicht, von ihrem schwarzen Freund zu erzählen. Und Rosies Mutter und Großmutter verbieten ihr, den Urgroßvater nach seiner eigenen Geschichte und seiner Flucht aus Hohenems zu fragen. Aber Rosie kann natürlich ihre Neugier nicht zügeln und hält sich nicht an das Verbot ...
Die Autoren Monika Helfer und Michael Köhlmeier haben viele Leerstellen gelassen, die nur teilweise mit der Fantasie von Rosie und ihrem Urgroßvater ausgefüllt werden. Die
Scherenschnitte von Barbara Steinitz ergänzen die Geschichte dezent. Dadurch gewährt Rosie und der Urgroßvater einen ungezwungenen Einblick in jüdisches Leben früher und heute.
Hermann Schulz
Mandela ist eine gefährliche Abwehrspielerin und diejenige im Team mit den meisten roten Karten. Ihr Zwillingsbruder Nelson – eine halbe Stunde nach ihr auf die Welt gekommen – ist hingegen der ruhigere und besonnenere von beiden: Er behält immer einen klaren Kopf. Diese Eigenschaften helfen ihm, innerhalb einer Woche ein Fußballspiel gegen eine deutsche Mannschaft aus dem Ruhrgebiet zu organisieren.
Hermann Schulz erzählt eine spannende Fußballgeschichte in der tansanischen Hafenstadt Bagamoyo, die junge Leserinnen und Leser mit dem Alltag afrikanischer Kinder bekannt macht und vor allem zeigt, dass Fußballbegeisterung nicht von Herkunft oder Hautfarbe abhängt. Nelson muss vor der Schule noch Ratten für seinen Vater fangen, die deutschen Gäste begrüßen und den Fußballplatz vorbereiten. Dazu ist Einfallsreichtum nötig: Alte Fischernetze könnten als Tornetze dienen, der Spielfeldrand mit Sand markiert werden. Wo findet sich ein Schiedsrichter, der die Regeln kennt? Der Stürmer darf auf keinen Fall während des Spiels pinkeln gehen. Erlauben die Deutschen, dass Mädchen mitspielen?
Die Geschichte aus Sicht des tansanischen Kapitäns Nelson macht deutlich, dass vieles, was Kindern in Deutschland selbstverständlich erscheint, in Bagamoyo zur Herausforderung wird: Fußballschuhe, ein Lederball und sogar Zeit fürs Training. Mit Feingefühl und Witz erzählt Schulz die Begegnung mit den Spielern aus dem Ruhrgebiet – für Nelson übrigens ein Wort, das „ziemlich kompliziert“ klingt. Der Höhepunkt ist schließlich das spannungsgeladene Spiel, an dessen Ende das komplette Publikum auf den Platz stürmt: „Jeder aus unserer Stadt [wollte] endlich mal einen Weißen an seine Brust drücken.“
Erica S. Perl
Zelda Fried ist elf Jahre alt und erzählt, wie es dazu kam, dass ihr sehnlichster Wunsch, einen Hund zu bekommen, endlich in Erfüllung ging. Ausgerechnet ihr Opa Ace, den sie manchmal ziemlich verrückt findet, hilft ihr dabei. Auf seine Frage: „Bist du bereit?“, hat Zelly dummerweise bereits mit „Ja“ geantwortet. Was ihr Großvater plant, erfährt sie erst später: Nämlich, dass sie zunächst einen leeren Orangensaftbehälter hegen und pflegen soll wie einen echten Hund, ihn an die Leine nehmen, Gassi führen und den Hundehaufen entsorgen soll. Zelly hält diese Idee für komplett meschugge. Aber ihr Opa, ein pensionierter Richter, der eigentlich Abraham Diamond heißt, meint es ernst. Ihre Zusage ist für ihn verbindlich. Zelda sitzt in der Zwickmühle.
Hat sie es nicht schon schwer genug? Erst vor ein paar Monaten ist sie mit ihrer Familie nach Vermont gezogen, weit weg von ihren Freunden in Brooklyn, wo sie aufgewachsen ist. Ihre geliebte Großmutter ist gestorben, die Freundin im Ferienlager, wohin ihre Eltern sie als jüdisches Mädchen nicht fahren lassen. Außerdem hat ein Junge aus der neuen Schule Zelly auf dem Kieker. Ständig zieht er sie auf und macht sich über ihren Namen lustig. Da muss doch nicht noch ihr Opa von ihr verlangen, dass sie sich vor ihren Freunden blamiert und sich zum Gespött der ganzen Kleinstadt macht.
Erica S. Perl erzählt auf originelle Art von Zellys Wut, ihrer Trauer und ihren Zweifeln, von Konflikten in den Sommerferien, wie sie schließlich neue Freunde findet und einen echten Hund bekommt. Die Autorin beschreibt anschaulich, wie Zellys Familie ihr beisteht und sie unterstützt, sie schildert ihre Identität als jüdisches Mädchen und die Probleme, die sich daraus ergeben.
Opa und der Hunde-Schlamassel ist eine tiefgründige Geschichte vom Wünschen und darüber, wie Wünsche manchmal in Erfüllung gehen können.
Frank Cottrell Boyce
„Irgendwo bei uns in Bootle lag Xanadu verborgen wie ein Schatz.“ Davon ist Julie überzeugt. Seit Dschingis und sein Bruder Nergui in ihre Klasse gekommen sind, will sie alles über die Mongolei wissen. Sie ist fasziniert von den Jungs in ihren dicken, langen Mänteln, die sie tragen, obwohl Hochsommer ist, und von ihren Geschichten über einen Dämon, der sie verfolgt und Leute verschwinden lässt. Ihre Wohnung stellt sie sich als eine Welt aus Seide, großen Kissen, Pferdekopfgeigen und einem blubbernden Samowar vor. Dschingis unterstützt ihre Fantasie mit Geschichten über das Jagen mit Adlern und geheimnisvolle Rituale. Seine Polaroids zeigen die weite mongolische Steppe und machen die Illusion perfekt. Julie freundet sich mit Dschingis und Nergui an. Sie wird ihr Ratgeber und macht sie mit den Vorlieben britischer Kinder vertraut. So lernt Nergui etwa Fußball zu spielen.
Als Dschingis und Nergui eines Tages nicht mehr in der Schule auftauchen, will Julie die beiden suchen. Dabei bemerkt sie, dass Dschingis ihr die mongolische Oase nur vorgegaukelt hat. In Wirklichkeit sind die Fotos geschickte Collagen, aufgenommen zum Beispiel auf dem Schulhof. Sie sind Wunschvorstellungen und haben mit der traurigen Wahrheit nicht viel zu tun. Denn spätestens als Julie das Wohnhaus der Jungs betritt, wird die politische Brisanz des Romans deutlich. Dschingis und seine Familie leben illegal in Großbritannien. Der Dämon, der sie verfolgt, ist die Ausländerbehörde, welche eines Tages vor der Haustür steht und die Familie abholt. Dschingis und Nergui verschwinden tatsächlich.
Frank Boyce schafft es, die Themen Flucht, Illegalität und Abschiebung sensibel und eindringlich darzustellen – und trotzdem humorvoll zu schreiben. Besonders schön ist die Aufmachung des Buches: Der Text ist auf liniertem Papier geschrieben und erinnert an ein Tagebuch, was zu dem rückblickenden Erzählstil der Protagonistin passt. Dazu sind ausgeblichene Polaroids kunstvoll in die Geschichte eingebettet.
Lutz van Dijk (Herausgeber)
Sive ist zehn Jahre alt und lebt in Masiphumelele bei Kapstadt, einem der ärmsten Townships in Südafrika. Sive hat Fotos und Geschichten gesammelt über alles, was er den Touristen gerne zeigen und erzählen würde, die in sein Township gekommen sind. Die Touristen kommen mit großen, klimatisierten Reisebussen in die verarmten Vororte der südafrikanischen Großstädte. Sie steigen aus, fotografieren die Kinder und die Wellblechhütten, steigen wieder ein und reisen ab – ohne zu erfahren, was diese Kinder bewegt, welche Träume, welche Befürchtungen sie haben.
Sive aber hat eine Menge zu erzählen: Er lebt mit seinen Wahl- Eltern in einer Art Heim für Kinder, deren Eltern entweder sehr arm sind und in schwierigen Verhältnissen leben oder gestorben sind. Er erzählt vom Leben in Wellblechhütten und wie es ist, wenn diese regelmäßig abbrennen. Er erzählt von der Schule, seinem Lieblingsbuch und den Lieblingsbüchern seiner Klassenkameradinnen und Klassenkameraden. Er erzählt vom Leben der Kinder auf der Straße in Masiphumelele. Der Name kommt aus der Sprache der Xhosa und bedeutet: „Wir werden es schaffen!“ Sive erzählt, wie er und die anderen Kinder Tabletten gegen ihre HIV-Infektion nehmen, und er erzählt ohne Scheu, voller Lebensfreude und Vertrauen.
Großformatige Fotos in leuchtenden Farben zeigen Sive und seine Freundinnen und Freunde, ganz nah und aus Sives Blickwinkel. Sie zeigen den 13-jährigen Ayakha, der niemals lacht, in einer blauen Jacke, die ihm viel zu groß, aber sein einziger Trost ist. Ayakhas Mutter hat kein Interesse an ihm und die große blaue Jacke ist von seinem Wahlvater – dem Vater, den er sich ausgesucht hat. Doch Sive erzählt auch, wie Ayakha seine kleine Schwester wiederfindet und mit ihr wieder erlebt, wie es ist, eine Familie zu sein. African Kids ist ein lebendiges Buch über Kinder in Südafrika, erzählt von einem zehnjährigen Jungen. Der Herausgeber und Übersetzer, Lutz van Dijk, ist einer der Wahlväter und Mitbegründer von Sives Kinderheim.
Seita Parkkola
„Ich heiße Taifun und bin zwölf. Kein schlechtes Alter eigentlich. Und trotzdem kann es für einen Jungen die schlimmste Zeit überhaupt sein. Schlimmer, als wenn dich Organhändler verführen oder du lebenslänglich nachsitzen musst. Zwölf Jahre alt zu sein ist wie der Auffahrunfall von zwölf Autos. Oder wie eine Achterbahnfahrt, die ausgerechnet dann stoppt, wenn du kopfüber in der höchsten Kurve hängst.“ So beginnt die Geschichte Taifuns und die von India und die all jener Kinder, die nicht ›funktionieren‹ in einem System, das sich Unangepasstheit und Freiheitsdrang nicht leisten möchte oder kann.
Für Taifun bedeutet Skateboarden und das damit verbundene Gefühl von Freiheit alles. Auf Druck der neuen Freundin seines Vaters, Ira Frost, von Beruf Schulpsychologin, wechselt er auf eine andere Schule, das „Haus der Möglichkeiten“. Taifun bekommt damit noch einmal die Chance auf eine Zukunft. Das glauben zumindest die zutiefst verunsicherten Eltern und das gesamte Schulpersonal. Und auch Taifun geht mit guten Vorsätzen auf die neue Schule. Doch die entpuppt sich sehr schnell als ein drakonisches Straf- und Überwachungssystem
mit einem dunklen Geheimnis. Taifun muss aus dieser Schule, aus diesem System, ausbrechen, um nicht wirklich alles zu verlieren. Doch die Zeit arbeitet gegen ihn, denn die Schule ist in ihrem erzieherischen Sinn äußerst erfolgreich. Die packend geschilderte Geschichte zwischen Realismus und Science Fiction erzählt von dem Wunsch nach Unabhängigkeit und Freiheit und von erzieherischen Maßnahmen, Kinder zum ›Funktionieren‹ zu bringen und ihren Willen zu brechen. Warum das ›erfolgreich‹ arbeitende totalitäre System sich letztendlich nicht durchsetzen kann, hat allein mit der Zivilcourage der Kinder um India und Taifun zu tun. Sie verweigern sich dem autoritären System, nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand und sind unabhängig in ihrem Denken. Dabei bedienen sie sich – im wahrsten Sinne des Wortes – der Kraft eines Taifuns, um das Schlimmste zu verhindern.