Evaluation und Meinungen zum Projekt Vielfalt in Schulen
Stimmen von Lehrer*innen
Das Projekt Vielfalt in Schulen wurde durch das Institut für Bildung in der Informationsgesellschaft (IBI gGmbH) wissenschaftlich begleitet und fortlaufend evaluiert. Das ermöglichte dem Projektteam, mit zeitnahen Nachsteuerungen den Bedarfen der Schulen besser gerecht zu werden.
Hier finden Sie Auszüge aus dem Evaluationsbericht.
Evaluation
Unter Leitung von Prof. Dr. Wilfried Hendricks führten die zwei Mitarbeiterinnen des IBI Jenny Hayes und Karoline Schnetter in Zusammenarbeit mit Timo Kiesel, selbständiger Coach und Berater, die zweijährige Evaluation durch. Die Grundlage dafür bildeten neben einer Dokumentenanalyse und teilnehmenden Beobachtungen bei Projektveranstaltungen teilweise mehrstündige Gespräche mit den beteiligten Lehrer*innen der drei Partnerschulen sowie mit dem Projektteam. Zu den Leistungen des IBI gehörten die kontinuierliche Kommunikation mit der Projektleitung, ein schriftlicher Zwischenbericht nach dem ersten Projektjahr und ein ausführlicher Abschlussbericht im Herbst 2014.
Wir danken dem Evaluationsteam des IBI für die kritische und konstruktive Zusammenarbeit und empfehlen das Institut gerade für Projekte im Bereich Vielfalt und Diskriminierungskritik gerne weiter.
Stimmen zum Projekt
Lesen Sie hier aussagekräftige Passagen aus dem Evaluationsbericht des Projekts Vielfalt in Schulen, überwiegend Originaltöne der interviewten Lehrer*innen und Sozialpädagog*innen. Der Text ist gekürzt und leicht der Schriftsprache angepasst.
Reflexion und Empathiefähigkeit
„Dem Projekt ist es gelungen, Reflexionsprozesse bei den Lehrenden (und Sozialarbeiter*innen sowie Schulleitungen) anzustoßen. Bei Veranstaltungen, in Zwischengesprächen und in den Interviews war zu beobachten, dass eine individuelle Auseinandersetzung mit Stereotypisierung, Diskriminierung und Machtverhältnissen zugenommen hat. In vielen Fällen ließ sich auch eine gewisse Irritation und Orientierungslosigkeit ausmachen, was positiv zu bewerten ist und bei machtkritischen Reflexionsprozessen immer ein wichtiger Bestandteil ist. Die Lehrenden selbst berichteten von einem verstärkten Bewusstsein für die Vielfältigkeit der Schüler*innen und haben als eine Erkenntnis aus dem Projekt immer wieder die individualisierende Herangehensweise betont.“
So heißt es beispielsweise:
„Den Einzelnen wahrnehmen. […] Und dann kommt eben oft raus [Anm: als Ursache für einen Leistungseinbruch], da hatte ich jetzt ein, zwei Fälle, das es Probleme in der Familie gab. Dass der Vater als Vaterfigur weggebrochen ist und so. Diese Empathiefähigkeit [der Lehrenden], die ich nochmal hervorheben möchte, dass man sich besser [in die Lebenswelt einfühlt] oder genauer hinschaut und nicht einfach in einen Trott verfällt‚ ›okay, er hat jetzt eine schlechtere Leistung, dann gebe ich ihm eben diese schlechtere Note‹.“
„Und dann vielleicht auch nochmal eine Handlung oder eine Entscheidung, die man getroffen hat, zu überdenken und ein Gespräch mit dem Schüler zu suchen und zu sagen: ›Ok, wie ist denn das? Du siehst das jetzt so und so, das hatte ich jetzt gar nicht so bemerkt‹.“
Auch die Fallstricke mancher gut gemeinter Herangehensweise wurden deutlich:
„Wo man so denkt, dass man denjenigen positiv würdigt, dass das ganz anders erlebt werden kann, dass man positiv die Andersartigkeit des Anderen aufgreift, dass man ihn damit eigentlich schon wieder in so eine Schablone reindrückt.“
Bedeutung der Diversity Trainings
In den Gesprächen mit dem Evaluationsteam hoben die Lehrer*innen und Sozialpädagog*innen oft die Bedeutung der Diversity Trainings hervor:
„Und da möchte ich eigentlich nochmal die Diversity Trainings hervorheben, denn da ist die Verbindung von Theorie und Praxis eigentlich am besten gelungen, finde ich. Da gab es einen Theorie-Input und dann sofort ein ›Ok, jetzt machen wir das‹. Und ich glaube, diesen Vielfalts- und Diversity-Begriff, den muss man erfahren.“
„Ich fühle mich da in der Gruppe so wohl, dass ich mich da geben kann, wie ich bin. Und das ist auch ein vielfältiger Ansatz. Das heißt, ich bin nicht nur Geist, sondern ich bin da auch der Mensch, was bei anderen Fortbildungen überhaupt nicht der Fall ist.“
„Bei dem einen Diversity Training kamen eine Kollegin oder auch mehrere Kollegen und ich auf einen Nenner oder wir haben uns ausgetauscht und kamen dann drauf: Ok, selbst wir überdenken uns nochmal doppelt, nicht nur in unserer Rolle als Lehrer, sondern auch in unserer Rolle als Frau, in unserer Rolle als, ja weiß ich nicht, als Deutsche oder keine Ahnung. Also man überdenkt nochmal die eigene Person auf dem Weg in die Schule sozusagen, wie bin ich denn in der Schule?“
„[…] besonders das erste Treffen im Rahmen des Diversity Trainings, diese drei Tage. Wirklich drei Tage zusammensetzen und nach einem Theorie-Input etwas machen hat uns als Gruppe zusammengeführt und hat uns auch sehr nah an die Inhalte gebracht, von denen wir dann nicht immer bewusst profitiert haben, dass wir jetzt sagen, ›ok, wir reden jetzt genau über das was wir da gemacht haben‹. Aber es ist einfach eine Einstellung, die wir gemeinsam gemacht, erfahren haben, die uns dann geholfen hat zusammenzuarbeiten.“
Mitgestaltung
Ein Punkt, den die Teilnehmer*innen sehr schätzten, waren die Möglichkeiten zur Mitgestaltung, die das Projekt zunehmend bot:
„Das Projekt ist sehr offen in dem was am Ende entstehen soll. Am Anfang war es relativ starr. Und jetzt mittlerweile, so nach einem halben Jahr, haben sie halt gemerkt, dass es nur lebt, wenn wir auch einen gewissen Freiraum, ja überhaupt in den Workshops oder auch an den Fortbildungstagen haben. Und da sind sie sehr flexibel drauf eingegangen. Die Dynamik hat sich verbessert.“
„Ich finde schon, dass wir da mitgestalten können. Das gefällt mir eigentlich sehr gut.“
Ein wichtiges Element von Vielfalt in Schulen war die externe Prozessbegleitung:
„Ich würde mir wünschen, ich meinte das jetzt symbolisch, dass [die Prozessbegleiterin] oder die Projektleitung öfter an den Schulen ist. Auch mal einen Tag hier verbringt. Einfach mitläuft und guckt, wie das so ist. (…) Ich vermisse gewissermaßen das Interesse, hier vor Ort zu sein. Ich hab es ihr mehrfach gesagt. Aber das ist in ihrem Etat nicht drin. Aber stellen Sie sich vor, sie wär tatsächlich hier, sie könnte auch im Kollegium sitzen, könnte darüber berichten, sie könnte in die Lerngruppen reingehen, sich das mal anschauen. Sie kann daraus auch Ideen für die Workshops entwickeln. Das heißt, die Anbindung könnte viel direkter sein. Aber ich weiß, dass das Geld kostet. Aber wenn es um die Wirksamkeit geht, dann spielt das eine große Rolle.“
Auswirkungen auf die Unterrichtsgestaltung
Von Veränderungen im Umgang mit Schüler*innen bzw. in ihrer Unterrichtsgestaltung berichteten einige Lehrer*innen und Sozialpädagog*innen:
„Ein Anstoß ist die Auseinandersetzung mit dem Umgang mit Vielfalt an der Schule, so dass man sich mal damit auseinandersetzt, wie sich die Schüler an dieser Schule fühlen. Fühlt sich hier eigentlich jeder so angenommen, wie er ist, oder kann man hier so sein, wie man sein möchte?“
„Wenn es so eine konkrete Frage ist, dann kann ich mit zwei oder ich habe einfach zwei konkrete Menschen, Kinder, Schüler im Kopf, die kein Interesse für Unterricht hatten und die durch dieses Thema, was sehr nahe an sie war, an Unterricht herangeführt wurden und auch für diese Zeit, das war, die Einheit ging vier Wochen, glaube ich, eine gute Note bekommen haben. Gute Noten erhöhen die Chancen, einen Abschluss zu bekommen. Ja.“
„Auch in Gesprächen mit Schülern, wenn bestimmte Sachen gesagt werden, z. B. Witze über Homosexuelle, dass man einfach darauf eingeht und darüber spricht und sagt, ich find das nicht in Ordnung. Nur wenn man sich positioniert, stärkt man die, die sich durch sowas angegriffen fühlen. Und das war irgendwie eine wichtige Erkenntnis.“
„Wir haben eine Unterrichtsreihe entwickelt, das schulinterne Curriculum haben wir nicht auf den Kopf gestellt, nein, das wäre eine überzogene Zielsetzung. Aber für Einzelne, da ist der Blick bewusster geworden, das fließt an vielen kleinen Stellen im Unterrichtsalltag ein.“
Zur Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Berlin
Erfreuliche Rückmeldungen gab es schließlich auch in Bezug auf die Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum Berlin:
„Ein Beispiel ist, den Lernort Museum, das heißt das Jüdische Museum als starken Partner, als ein Aushängeschild für Berlin, was es ja ist, für unsere Schüler greifbar zu machen. Es waren im Rahmen der Ausstellung unsere neunten und zehnten Klassen vor Ort und haben dort auch Führungen mitgemacht. Was sie niemals selbst gemacht hätten, weil wir einfach ein paar Vorurteile haben: ›Uh, ins Jüdische Museum gehe ich doch nicht.‹ Und dann sich damit auseinanderzusetzen, da gab es auch, ja, Reibungspunkte mit den Guides, also es war nicht unproblematisch. Für die Schüler war es ein Zugewinn, weil man diesen Vorurteilen und Ressentiments, die bestehen, mit Fakten einfach sehr gut begegnen kann. Und es gibt Führungen, die sehr darauf abheben, die Gemeinsamkeiten der Religionen hervorzuheben. Und das ist ein Anknüpfungspunkt, den kennen Schüler aus unserem Ethikunterricht.“