Innovationen
Ein Interview mit Lars Bahners
Lars Bahners ist Verwaltungsdirektor der Stiftung Jüdisches Museum Berlin. Der studierte Jurist arbeitete zuvor über zwanzig Jahre in leitenden Funktionen u.a. in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, der Berliner Kulturverwaltung und der Stiftung Deutsches Hygiene Museum in Dresden.
Lieber Herr Bahners, Sie sind seit dem 1. Dezember 2022 Verwaltungsdirektor am Jüdischen Museum Berlin. Worauf haben Sie sich vor Beginn Ihrer Tätigkeit am meisten gefreut?
Es war und ist für mich ein großes Privileg, in einem der renommiertesten Jüdischen Museen Europas zu arbeiten. Ich habe mich vor allem auf die Zusammenarbeit mit den vielen neuen Kolleginnen und Kollegen gefreut, von denen einige ja das Haus von Beginn an mitaufgebaut haben. Nach den ersten Monaten im JMB hat sich auch herausgestellt: die Vorfreude war begründet!
Gibt es etwas, das Sie nicht erwartet haben?
Wie schön der Blick aus meinem Bürofenster ist! Wenn man von außen auf den Libeskind-Bau guckt, sieht er eher verschlossen aus. Von meinem Büro im obersten Stockwerk aus habe ich aber einen tollen Blick in die Gegend – damit hatte ich nicht gerechnet.
Sie waren an verschiedenen Museen für die Verwaltung verantwortlich. Wie sieht die Arbeit hinter den Ausstellungen und Programmen aus?
Kultureinrichtungen und Museen speziell sind komplexe soziale Systeme, die vielfältige Aufgaben mit manchmal auch sich widersprechenden Zielsetzungen haben. Sie sind zugleich Sammlungs- und Forschungseinrichtung, Bildungsinstitution, Touristenattraktion, häufig Baudenkmal, Diskursraum sowie sozialer Ort für Freizeit und Entspannung. Eine Balance zwischen diesen Funktionen und unterschiedlichen Zielen zu bewahren und bei auseinandergehenden Interessen zu vermitteln, das ist auch die Arbeit der Verwaltung.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Eine dauerhafte Herausforderung ist der Umgang mit knappen oder sogar zurückgehenden Ressourcen bei steigender Anforderung an die Leistungsfähigkeit der Museen. Ressourcenmanagement und -schonung stehen also immer mehr im Fokus der Verwaltung. Ein Beispiel: Zur Bewahrung und zum Erhalt von Sammlungsgütern bedarf es der Sicherstellung konkreter konservatorischer Rahmenbedingungen. Diese sind häufig andere als Besucherinnen und Besucher für einen angenehmen und erlebnisreichen Museumsbesuch erwarten. Und unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und Energieschonung sind wieder andere Parameter zu berücksichtigen. Die Aufgabe der Verwaltung ist hier, die Ressourcen, die das Haus hat, so zu nutzen, dass alle Funktionen des Museums trotz ihrer Komplexität erfolgreich erfüllt werden.
Zu Ihrem Antritt haben Sie betont, sich dafür einsetzen zu wollen, dass das JMB sich weiterhin durch eine exzellente Verwaltung auszeichnet. Was macht eine solche aus?
Museen sind wachsenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen ausgesetzt. Um ihnen gerecht zu werden, braucht es Innovationen, programmatisch und organisatorisch! Diese gilt es meiner Meinung nach innerhalb des Museums in einer gemeinschaftlichen Verantwortung zu entwickeln. Traditionell unterstützt die Verwaltung die anderen Organisationseinheiten durch die Bereitstellung effektiver und rechtssicherer Strukturen, wie es so schön heißt. Die einzelnen Fachbereiche sind dabei zunächst als rein dienende Funktionen gedacht. Ich glaube aber, dass Verwaltung mehr kann. Sie sollte im Prozess nicht am Ende stehen, sondern schon in die Problemlösung oder Entwicklung von Innovationen mit eingebunden werden; nicht zuletzt, um auf diese Art und Weise besser in die Komplexität und Kontingenz der Organisation verwoben zu sein.
Was braucht es, um innovativ zu sein?
Aus meiner Sicht ist die Voraussetzung für Innovationen jeglicher Art, dass man sich und das eigene Handeln immer wieder hinterfragt. Erst dann kann man eine gemeinschaftliche Haltung für die Aufgaben und Ziele herstellen und dabei neue Formen von Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung entwickeln. Mir macht es Freude, nicht nur einen ausbalancierten Finanzplan aufzustellen, sondern über die Art und Weise, über das „Wie“ der Umsetzung und Steuerung nachzudenken. Dabei können die Organisation und die Mitarbeitenden gemeinsam und in geteilter Verantwortung die eben beschriebene Balance herstellen. Dazu die benötigten Strukturen mit auszubauen und die Mitarbeitenden in dieser Hinsicht zu befähigen, inspiriert mich sehr.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung von Arbeit und Methoden an sich?
Vor drei Jahren, als auf einmal der erste Lockdown kam, haben wir uns gefragt, wie wir jetzt überhaupt miteinander in Kontakt bleiben können. Heute liegen analoge, digitale und hybride Termine in meinem Kalender ganz selbstverständlich nebeneinander. Die Arbeits-, Kommunikations- und Kooperationsmethoden haben sich geändert. Wir sind gezwungen worden, relativ schnell digitale Lösungen zu finden. Darüber hinaus haben sich auch unsere sozialen Beziehungen und gesellschaftlichen Strukturen verändert. Um diesen Veränderungen konstruktiv zu begegnen, neue Strukturen langfristig zu etablieren und eine umfassende digitale Transformation zu gestalten, sind finanzielle und personelle Ressourcen, eine erweiterte IT-Infrastruktur und Kenntnisse neuer Rechtsgebiete nötig. Für die Verwaltung bedeutet das auch ein Einarbeiten in neue Fachgebiete, was ich mit Neugier und Freude gestalte.
Welche Apps nutzen Sie gerne?
Mir gefallen vor allem Community-basierte Apps. Ein Vorteil der Digitalisierung ist ja auch, dass verschiedenste Daten zusammenfließen, sich sozusagen partizipativ aus dem Nutzerverhalten speisen, und dadurch kontinuierlich optimieren. Ich mag besonders eine App, in der User Wander- und Radtouren einsehen, Ausflüge planen und hochladen können.
Haben Sie bereits einen Lieblingsspaziergang oder eine Fahrradroute in der Umgebung?
Ich habe mich tatsächlich sehr gefreut wieder regelmäßiger in Kreuzberg zu sein. Ich bin 1998 nach Berlin gekommen und hatte meine erste Wohnung in der Nähe des Viktoriaparks. Kreuzberg und Berlin habe ich damals vor allem auf dem Fahrrad entdeckt. Kurze Zeit später wurde der Libeskind-Bau eröffnet, und mittlerweile ist rund um den Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz eine architektonische Lebendigkeit entstanden, die mir sehr gefällt und die ich auch heute noch gerne mit dem Fahrrad erkunde.
Welche Museen ziehen Sie besonders an?
Das Schöne an der Berliner Museumslandschaft ist ja die Vielfalt. Neben den größeren Museen, die Weltrang haben und eine beständige Touristenattraktion sind, habe ich nicht zuletzt aus meiner Tätigkeit in der Berliner Kulturverwaltung heraus vermehrt die kleineren Museen schätzen gelernt. Viele Häuser leisten bei sehr begrenzten Ressourcen eine absolut professionelle, hochwertige Arbeit. Persönlich ziehen mich immer wieder Kulturorte an, die Kunst, Natur und Architektur zusammenbringen. Ich denke da zum Beispiel an das Georg Kolbe Museum oder an das Brücke-Museum.
Was wünschen Sie sich für das Museum der Zukunft?
Ich wünsche mir vor allem, dass Museen gesellschaftlich relevante Orte bleiben! Mein Museum der Zukunft hat weniger Zugangsbarrieren, eine breitere Öffnung hinein in die Bevölkerung und arbeitet mit neuen Formen der Vermittlung und Kommunikation. Außerdem ist es in meiner Vorstellung personell divers aufgestellt, agiert sowohl analog als auch digital, und übernimmt gesamtgesellschaftliche Verantwortung.
Das Interview führte Toni Wagner.
Zitierempfehlung:
Toni Wagner (2023), Innovationen. Ein Interview mit Lars Bahners.
URL: www.jmberlin.de/node/10050