Moses Mendelssohn
Philosoph
Ausgehend von Berlin vollzog sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ein Prozess, der das jüdische Leben in Deutschland grundlegend veränderte: Jüdinnen*Juden überwanden die Isolation, in der sie bis dahin gelebt hatten. Sie stellten althergebrachte Traditionen und Denkweisen in Frage und begannen, sich Sprache, Kultur und Konventionen ihrer Umgebung anzueignen. Moses Mendelssohn (1729–1786), der große Philosoph der europäischen Aufklärung, hat diese Entwicklung entscheidend vorangetrieben.
1743 kam Mendelssohn als junger Talmudschüler nach Berlin. In Dessau, wo er aufgewachsen war, hatte er die Bibel, den Talmud und die Schriften des mittelalterlichen jüdischen Philosophen Moses Maimonides studiert. Nun lernte er moderne Sprachen und weltliche Wissenschaften.
Seinen Lebensunterhalt verdiente er zunächst als Hauslehrer, dann als Buchhalter und Teilhaber des Seidenfabrikanten Isaak Bernhard. Mendelssohn litt unter der Büroarbeit, da sie ihn von seinen Studien abhielt:
„Die Geschäfte! Die lästigen Geschäfte! Sie drücken mich zu Boden und verzehren die Kräfte meiner besten Jahre.“
Angeregt von seinem Freund, dem Dichter Gotthold Ephraim Lessing, begann Mendelssohn selbst zu publizieren. Sein Buch Phädon oder über die Unsterblichkeit der Seele (1767) machte ihn als „deutschen Sokrates“ berühmt. Er setzte sich für Toleranz unter den Religionen ein.
In Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum (1783) versuchte Mendelssohn, das Judentum mit der Aufklärungsphilosophie in Einklang zu bringen.
Wie kein Jude vor ihm prägte Mendelssohn die Kultur seiner Zeit – und lebte dabei streng nach den Vorschriften der jüdischen Religion. Er ist die Symbolfigur für die Haskala. Spätere Generationen sahen in ihm den ersten modernen deutschen Juden.
Was bedeutet Haskala?
Haskala (hebr. für Bildung, Aufklärung), bezeichnet die Epoche und später die Bewegung der jüdischen Aufklärung im 18./19. Jh
Moses Mendelssohns Leben in Daten (1729–1786)
1729 | Geboren am 6. September in Dessau |
---|---|
1735 | Besuch der Talmud-Schule, Lektüre der Tora, Übungen in hebräischer Grammatik und Poesie |
1737 | Geburt von Fromet Gugenheim, Mendelssohns späterer Ehefrau |
1739 | Unterricht bei Rabbiner David Fränkel in Dessau |
1740 | Friedrich II. wird König von Preußen |
1743 | Umzug nach Berlin. Studium von Fremdsprachen, Philosophie und Mathematik |
1750 | Hauslehrer beim Seidenhändler Isaak Bernhard. Eingeschränkt durch Preußens Reglement für Jüdinnen*Juden |
1753 | Beginn der Freundschaft mit dem Dichter Gotthold Ephraim Lessing |
1754 | Buchhalter in der Seidenmanufaktur Isaak Bernhards. Freundschaft mit dem Verleger Friedrich Nicolai |
1755 | Mitglied im aufgeklärten Gelehrten Kaffeehaus. Zu Gast im Montagsclub |
1756 | Lernt Klavierspielen. Diskussion mit Lessing und Nicolai mündet im Briefwechsel über das Trauerspiel |
1757 | Herausgabe der Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste mit Friedrich Nicolai |
1760 | Gotthold Ephraim Lessing verlässt Berlin |
1761 | Verlobung mit Fromet Gugenheim in Hamburg. Briefwechsel mit ihr. Philosophische Schriften erscheinen |
1762 | Hochzeit mit Fromet Gugenheim, nach Erhalt des Niederlassungsrechts in Berlin. Wohnung Spandauer Str. 68 |
1763 | Außerordentlicher Schutzjude. Erster Preis der Akademie der Wissenschaften. Jüdische Gemeinde befreit ihn von Abgaben |
1765 | Mitarbeit an Friedrich Nicolais Allgemeiner deutscher Bibliothek |
1767 | Phaedon, sein erfolgreichstes Buch erscheint |
1768 | Tod von Isaak Bernhard. Mendelssohn wird Teilhaber der Seidenfabrik |
1769 | Öffentlicher Streit mit dem Theologen Johann Caspar Lavater, der ihn zur Taufe auffordert |
1770 | Beginn der Übersetzung der Psalmen |
1771 | König verhindert Wahl in die Akademie der Wissenschaften. Ehrung durch die Jüdische Gemeinde. Schwere Krankheit |
1772 | Stellungnahme gegen die traditionell übliche sofortige Beerdigung der Jüdinnen*Juden |
1773 | Kur in Bad Pyrmont |
1774 | Beginn der Arbeit an der Tora-Übersetzung |
1777 | In Königsberg Gespräche mit Immanuel Kant. Letzter Besuch bei Gotthold Ephraim Lessing in Wolfenbüttel |
1778 | Gründung der Jüdischen Freischule, angeregt von Mendelssohn. Durchsicht von Lessings Manuskript Nathan der Weise |
1779 | Ablehnung von Mendelssohns Antrag, seinen Schutzbrief auf seine Frau und Kinder auszudehnen |
1780 | Erster Band der Tora-Übersetzung ins Deutsche erscheint in hebräischen Lettern. Berater für Dohms Emanzipationsschrift |
1782 | Beteiligung an der Emanzipationsdebatte |
1783 | Ehrenmitglied der Gesellschaft von Freunden der Aufklärung. Würdenträger der Jüdischen Gemeinde. Die Psalmen und Jerusalem erscheinen |
1784 | Immanuel Kants Definition der Aufklärung und Johann Georg Hamanns Schrift gegen Jerusalem erscheinen |
1786 | Tod Moses Mendelssohns im Beisein des Arztes Marcus Herz |