Laissez-passer
Passierschein der Grande Armée für Maurice Bouchard, Berlin, 1808, Schenkung von Dr. Walter Borchardt-Ott und Ruth Jarecki geb. Borchardt-Ott, 2012
„Die zivilen und militärischen Behörden werden gebeten, Herrn Maurice Borchard, Lieferant der französischen Armee, Überbringer des Vorliegenden, ungehindert nach Frankfurt an der Oder gehen zu lassen, um dort Versorgungsgeschäfte zu tätigen, und ihm bei Bedarf Hilfe und Unterstützung zu gewähren.“
Am 8. Mai 1808 stellte die französische Grande Armée diese Bescheinigung in Berlin aus. Anderthalb Jahre zuvor war Napoleon Bonaparte am 27. Oktober 1806 mit seiner Armee durch das Brandenburger Tor geritten, zwei Wochen nach dem Sieg über das preußische Heer bei den Schlachten von Jena und Auerstedt. Es folgte eine zweijährige Besetzung Berlins durch die Franzosen, während der die fremden Truppen einquartiert, versorgt und die Grande Armée an vielen Orten beliefert werden musste.
Versorgung der französischen Truppen
Hinter dem französisch klingenden Maurice Borchard, dem dieser Passierschein ausgehändigt wurde, verbirgt sich ein 27-jähriger Jude namens Moritz (Mendel) Borchardt. Geboren 1781 in Berlin, hatte er bereits in jungen Jahren eine Speditionsfirma in Hamburg gegründet. Als er um 1805 in die preußische Hauptstadt zurückkehrte, kamen ihm seine Erfahrungen mit dem Transport von Gütern im besetzten Berlin zugute. Bereits 1807 wurden er und sein Bruder Heinrich mit der Versorgung der französischen Truppen beauftragt und lieferten große Mengen Getreide, Stroh und Heu.
Der Passierschein
Das vorliegende Dokument ziert oben in der Mitte das napoleonische Kaiserwappen. Die genaue Beschreibung von Statur und Aussehen Moritz Borchardts ist nicht ausgefüllt, ebenso fehlt seine Unterschrift. Von einem ein Jahr später ausgestellten Reisepass wissen wir aber, dass er 5 Fuß und drei Zoll groß war (160 cm), schwarzes Haar, einen schwarzen Bart, blaue Augen, einen runden Mund, ein breites Kinn, eine lange Nase und ein längliches Gesicht hatte. Unterschrieben ist die Bescheinigung von dem General der Division und Kommandanten von Berlin und Mittelmark (Moyenne Marche) Jean-Baptiste Joseph Noël Borrel. Ein handschriftlicher Vermerk für eine weitere Reise nach Prenzlau im Oktober 1808 befindet sich unten links, während auf der Rückseite eine Fahrt von Berlin nach Küstrin im November und die Rückreise nach Berlin im Dezember desselben Jahres bescheinigt sind, beide Garnisonsstädte, in denen französische Truppen zu versorgen waren.
Abzug der Franzosen aus Berlin
Ende 1808 zogen die Franzosen aus Berlin ab. Im folgenden Jahr stellte die Königlich Preußische Kurmärkische Regierung den Gebrüdern Borchardt eine Bescheinigung aus, dass sie "bedeutende Lieferungs-Geschäfte aller Art" für die Grande Armée zur Zufriedenheit betätigt hatten. Vier Jahre später, nach der Niederlage der Franzosen bei der Völkerschlacht bei Leipzig, wurde Moritz Borchardt nunmehr mit der Belieferung des preußischen Heers beauftragt. Mehrere Geschäftsreisen brachten ihm in der Folgezeit nach Frankreich, unter anderem im Juli 1815 in das Hauptquartier des Generals Gebhard Leberecht von Blücher, der Napoleons endgültige Niederlage in Waterloo nur einen Monat zuvor besiegelt hatte.
Aubrey Pomerance, Archivleiter
Zitierempfehlung:
Aubrey Pomerance (2021), Laissez-passer. Passierschein der Grande Armée für Maurice Bouchard, Berlin, 1808, Schenkung von Dr. Walter Borchardt-Ott und Ruth Jarecki geb. Borchardt-Ott, 2012.
URL: www.jmberlin.de/node/8215