Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Mittwoch,
8. März 1933

Beschwerdebrief von Jakob Steinhardt vermutlich an die Berliner Polizeibehörden

In der Nacht vom 3. auf den 4. März durchsuchten fünf SA-Männer das Wohnatelier des Malers und Künstlers Jakob Steinhardt (1887–1968) in der Pariser Straße in Berlin, wo Steinhardt mit seiner Ehefrau Minni und der gemeinsamen neunjährigen Tochter Josefa wohnte. Den Ablauf der Geschehnisse schilderte Steinhardt ein paar Tage später in einem Brief, mit dem er sich vermutlich bei den Berliner Polizeibehörden beschwerte. Allerdings hat sich nur der Entwurf dieses Schreibens erhalten, ob Steinhardt es tatsächlich abschickte, wissen wir nicht.

Die Männer besaßen keinen Durchsuchungsbefehl, genauso wenig wie einen Haftbefehl. Dennoch nahmen sie den Maler fest und brachten ihn zum Verhör in eine Privatwohnung. Er wurde beschuldigt, einen Geheimsender zu betreiben. Da sich der Verdacht als haltlos erwies, entließ man ihn nach wenigen Stunden.

In der darauffolgenden Nacht erhielt der Künstler einen anonymen Drohanruf: »Nun Herr Steinhardt, wie hat es Ihnen gestern gefallen? (…) Es ist Zeit, dass Sie jetzt nach Palästina fahren. Wir werden jetzt öfter zu Ihnen kommen, wir haben ja Ihre Schlüssel und kommen jederzeit rein.«

Nach diesem Anruf erlitt Minni Steinhardt einen Nervenzusammenbruch. Auf Anraten des Arztes verließ die Familie am 7. März die Stadt. Nach einem mehrtägigen Aufenthalt im jugoslawischen Kurort Bled, wo Jakob Steinhardt seinen Beschwerdebrief verfasste, gelang ihnen Mitte März die Ausreise nach Palästina. Sie kehrten nie wieder nach Berlin zurück.

Lea Weik

Kategorie(n): Auswanderung | Berlin | Gefangenschaft | Künstler und Schriftsteller
Beschwerdebrief von Jakob Steinhardt vermutlich an die Berliner Polizeibehörden gerichtet (Entwurf, Seite 1), Bled, nach dem 7. März 1933
Schenkung von Josefa Bar-On Steinhardt, Nahariya, Israel
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