Der Anfang vom Ende des deutschen Judentums

1933

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Freitag,
12. Mai 1933

Ausbildungsnachweis der Fahrschule für Walter Weissenberg

12 Fahrstunden, absolviert in zweieinhalb Wochen. Mehr Zeit benötigte Walter Weissenberg (1910–2000) nicht, um am 12. Mai 1933 die Zulassung zur Fahrschulprüfung in den Händen zu halten. Nach 152 gefahrenen Kilometern, vom Polizeipräsidium Berlin beglaubigt und abgestempelt, stand er nun kurz davor, »ein Kraftfahrzeug der Klasse 3 mit Antrieb durch Verbrennungsmaschine« führen zu dürfen. Welche Anforderungen ein Fahrprüfer an seine Schüler bei der Prüfung stellte, blieb diesem selbst überlassen, es gab keine einheitliche Prüfungsordnung für Fahrschulen. Einzige Bedingung war, dass der Kandidat mindestens 18 Jahre alt war.

Walter Weissenberg stand zu diesem Zeitpunkt kurz vor dem Abschluss seines Jurastudiums. Er hatte ab 1929 in Freiburg im Breisgau studiert und war dann nach Berlin gewechselt. Hier erlebte er den Reichstagsbrand vom 27 .Februar als ein einschneidendes Erlebnis und kündigte seiner Eltern an: »Hier muss ich raus!« So berichtete es über 70 Jahre später seine Frau Judith. Er trat von seiner bevorstehen juristischen Abschlussprüfung zurück und reiste im Juni 1933 nach England aus.

Michaela Roßberg

Kategorie(n): Berlin | Schule | Studenten
Ausbildungsnachweis der Auto-Fahrschule »Am Bahnhof Charlottenburg« für Walter Weissenberg, beglaubigt vom Polizeipräsidium Berlin am 12. Mai 1933 (Vorderseite).
Schenkung von Judith Weissenberg, geb. Ucko

Von England nach Südafrika

In England erhielt Walter Weissenberg als »Visitor« ein »Certificate of Registration«, das jeder Ausländer bei seiner Ankunft ausgestellt bekam und als Identifikationsnachweis diente, doch keine Arbeitserlaubnis. Mit finanzieller Unterstützung eines Verwandten wanderte er – mit Zwischenstationen in den Niederlande und der Tschechoslowakei – 1935 nach Südafrika aus. Dort verdiente er sich unter anderem als Bäcker, Tennislehrer und Modeagent seinen Lebensunterhalt.

Britischer Ausländerpass für Walter Weissenberg, Großbritannien, 2. Juni 1933
Schenkung von Judith Weissenberg, geb. Ucko 

Verbindungsstudent

Während seiner Studienzeit in Freiburg war Walter Weissenberg Mitglied in der schlagenden jüdischen Studentenverbindung Neo-Friburgia. 1931 wurde er bei der Chargenwahl zum Zweitchargierten gewählt. Damit wurde ihm die verantwortungsvolle Aufgabe zuteil, Veranstaltungen zu organisieren und für den reibungslosen Ablauf im Verbindungshaus zu sorgen. Das Gebäude in der Basler Straße war im Sommer 1930 bezogen worden, weil die zunehmend antisemitische Einstellung der Freiburger Gastwirte es den Studenten schon zu Beginn der 1930er Jahre erschwerte, Räume für ihre Versammlungen zu finden. Am 20. April 1933 wurde das Verbindungshaus geplündert und verwüstet. Eine Woche später gab die Neo-Friburgia ihre Auflösung bekannt.

Gruppenfoto von Mitgliedern der Studentenverbindung Neo-Friburgia, unter ihnen Walter Weissenberg (1. Reihe, 4. von links), Freiburg/Br., 1931
Schenkung von Judith Weissenberg, geb. Ucko  
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