Montag,
17. Juli 1933
Brief von Hans Brakebusch an seinen Kollegen Rudolf Rülf
Auf dem Briefpapier des Reichsverbands der Zahnärzte informierte Hans Brakebusch über eine wenige Tage zuvor stattgefundene Sitzung der Kassenärztlichen Vereinigung des Freistaates Braunschweig. Bei diesem Treffen war unter Berufung auf die »Verordnung über die Tätigkeit von Zahnärzten und Zahntechnikern bei den Krankenkassen« vom 2. Juni – von Brakebusch kurz »Ariergesetz« genannt – »festgestellt« worden, dass Rülf aufgrund seiner »nichtarischen Abstammung« die Kassenzulassung zu entziehen sei.
Brakebusch wusste, dass dies die Existenzgrundlage seines Kollegen zerstören würde. Bemerkenswerterweise wollte er nicht abwarten, bis die Kassenvereinigung Rülf in Kenntnis setzte. Bis dahin würde womöglich kostbare Zeit verstreichen, um Vorkehrungen zu treffen, etwaige Papiere zu beschaffen, die notwendig waren, um Widerspruch einlegen zu können. Brakebusch entschied sich deshalb, dem »geehrten Herrn Kollegen« Interna aus der kassenärztlichen Sitzung mitzuteilen und ihm Gelegenheit zu geben, »sich im Rahmen des Möglichen gegen materiellen Schaden zu schützen«. Brakebusch war als Parteimitglied vermutlich ein überzeugter Nationalsozialist, dennoch stellte er hier seine Kollegialität unter Beweis.
Tatsächlich hatte Rudolf Rülf bereits von der Kassenärztlichen Vereinigung die Mitteilung über den Entzug seiner Zulassung erhalten. In den folgenden Wochen bemühte er sich vergeblich darum, diesen Beschluss rückgängig zu machen.
Jörg Waßmer