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„If I were a rich mouse ...“

Micky, Minnie und das Chanukkageld

Seit fast 20 Jahren verwende ich denselben Chanukka-Leuchter. Ich finde ihn ästhetisch fragwürdig und äußerst unpraktisch: Er ist schwer zu reinigen, und die Kerzen halten nicht. Und doch verwende ich ihn immer weiter, denn er bringt mich zum Nachdenken. Wenn ich diesen mit Figuren geschmückten Leuchter auf die Fensterbank stelle, um der Öffentlichkeit „das Lichtwunder zu Chanukka zu verkünden“, kommen mir immer wieder dieselben drei Fragen in den Sinn: Wer hat diesen Leuchter entworfen? Was haben die sich dabei gedacht? Und: Sind Micky und Minnie Maus eigentlich jüdisch?

Der im Text beschriebene Chanukka-Leuchter auf einem Tisch mit Geschenken, Lampe und Dreidel

Mäuse, die Mäuse machen; Foto: Michal Friedlander

Die Uhr auf dem Kaminsims zeigt zwölf nach zwölf an (mittags oder nachts?), Micky und Minnie haben es sich vor dem Feuer gemütlich gemacht und sind fröhlich vertieft in das für die Chanukkatage typische Dreidelspiel, das sich aus einem alten deutschen Kreiselglücksspiel entwickelt hat. In dieser jüdischen Variante sind auf die vier Seiten des Dreidels hebräische Buchstaben geschrieben, die anzeigen, wie viel man sich aus dem Pott nehmen darf. Je nach Familientradition können die Spieleinsätze Plastikchips, Centmünzen, Knöpfe, Nüsse oder Süßigkeiten sein. Die rabbinische Überlieferung wiederum hat den hebräischen Buchstaben eine theologisch-symbolische Bedeutung für das Lichterfest verliehen.

Im Haushalt der Mäuse steht viel auf dem Spiel: Gold- und Silbermünzen türmen sich neben ihnen auf, zwei Säcke enthalten offenbar weiteres Geld, auch drei angebissene Schokoladentaler liegen auf dem Boden. Den Rahmen für diesen zur Schau gestellten Reichtum bildet auf jeder Seite je ein noch verpacktes Geschenk. Als Aussage der Szenerie dürfen wir annehmen, dass Micky und Minnie deutlich länger wachbleiben dürfen als üblich und unbegrenzten Zugriff auf Schokomünzen haben; ein bei jüdischen Kindern recht verbreiteter Wunschtraum.

Der Ursprung des Brauchs, dass Kinder zu Chanukka Geld bekommen, ist allerdings unklar. Schon vor Jahrhunderten gaben Eltern ihrem Nachwuchs zum Lichterfest Münzen, die sie an ihre Lehrer*innen verteilen sollten, und die Wohlhabenden spendeten für Toraschüler. Das bis heute sehr beliebte „Chanukkagelt“ aus Schokolade kam in den 1920er-Jahren in den USA auf, als die ersten Hersteller Schokomünzen in Metallfolie anboten. Zur Bedeutung der Geldgeschenke zu Chanukka gibt es verschiedene Thesen. Manche sagen, sie dienten dazu, den Kindern Wohltätigkeit beizubringen, andere betrachten die Münzen als Symbol der Freiheit. In der Geschichte, die dem Fest zugrunde liegt, befreien sich die Jüdinnen*Juden von einem Unterdrückungsregime, und das Prägen von Münzen kann als Zeichen der Unabhängigkeit gelten.

Ein schwarzer Geldbeutel, auf den ein Dreidel, Münzen und in hebräischen Buchstaben das jiddische Wort „Chanukka-Gelt“ gestickt ist.

Chanukka-Geldbeutel; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2004/172/0, Foto: Jens Ziehe. Weitere Informationen zu diesem Objekt finden Sie in unseren Online-Sammlungen

Wenn wir aber diese jüdischen Interpretationsansätze beiseitelassen und uns wieder meinem Chanukka-Leuchter zuwenden, was sehen wir da? Als Motive dominieren Mäuse (freundliches jüdisches Ungeziefer) und Geld; die vorherrschenden Themen scheinen also Konsum und Wohlstand zu sein. Wir leben in einer Zeit, in der die stereotypische Verbindung von Juden und Geld immer noch weit verbreitet ist und sogar bestärkt wird.

In Polen kaufte ich neulich, nach langem Abwägen, ein „Żydki“-Gemälde für die Sammlung des Jüdischen Museums Berlin. Ich lief über den Straßenmarkt in einer Kleinstadt und stieß auf eine große Auswahl dieser Miniaturbilder und -drucke, die klischeehafte Juden mit Bärten beim Geldzählen zeigen. Dreimal hatte ich dem Stand schon den Rücken gekehrt, ehe ich doch noch die Zähne zusammenbiss und meine Złoty in so ein Original von zweifelhafter künstlerischer Qualität investierte. Solche Bilder und auch Figürchen werden heute in Polen für ein breites Publikum hergestellt, dem sie als Glücksbringer gelten. Sie hängen in Läden und Restaurants an der Wand und natürlich in Privathaushalten.

Auf einem Tischtuch liegen kleinformatige Ölgemälde, die bärtige Männer mit Schläfenlocken und Geld in der Hand, aber auch Pferde, Blumen oder Bauernhofmotive zeigen.

„Glücksjuden“ oder bäuerliches Idyll? Der Markt in Poznań bedient den Geschmack seiner Kund*innen; Foto: Noam Friedlander

In Polen betrachten die meisten Nichtjuden*jüdinnen sie als hübsche Erscheinungsform der Volkskunst. Aus der Sicht zum Beispiel eines jüdisch-amerikanischen Touristen jedoch sind die Bilder grell antisemitisch. Diese beiden Auffassungen aus unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängen koexistieren in dubioser Weise. Die polnischen Bilder dringen mit jeder Touristin, die eines kauft, an neue Orte vor und werden im öffentlichen und privaten Rahmen zur Schau gestellt, so wie mein Disney-Leuchter. Wir sollten die Bildmacht und den Einfluss der Botschaften nicht unterschätzen, die scheinbar harmlose Gegenstände aussenden.

Michal Friedlander ist Kuratorin für Judaica und Angewandte Kunst und erwarb für unser Museum kürzlich eine Yoda-Lego-Mesusa. Aber das ist eine andere Geschichte.

Lucky Jews von Erica Lehrer

Eine empfehlenswerte Untersuchung zu den polnischen „Glücksjuden“ legt Erica Lehrer mit ihrem Buch Lucky Jews: Poland's Jewish Figurines vor (Krakau 2014).

www.luckyjews.com

Gerahmtes Gemälde eines bärtigen Mannes mit schwarzem Fellhut, der Geldscheine zählt

Hängen Sie dieses Bild (in Polen) verkehrt herum auf, und es wird Geld regnen; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2015/296/0, Foto: Jens Ziehe

Zitierempfehlung:

Michal Friedlander (2015), „If I were a rich mouse ...“. Micky, Minnie und das Chanukkageld.
URL: www.jmberlin.de/node/6647

Feiertage: Alte Riten, neue Bräuche (19)

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