German Jews Today
Leonard Freed
At the start of the 1960s, not even 20 years after the abyss of the Holocaust, the American-Jewish photographer Leonard Freed (1929‒2006) spent several months traveling through West Germany. He wanted to use his camera to capture how German Jews were currently living. Through his images, Freed set out to counteract the Germans’ ignorance of the invisible Jewish minority living among them. He took photographs in several Jewish communities, especially in the areas around Frankfurt and Düsseldorf.
11 Nov 2024 to 27 Apr 2025
Where
Libeskind Building, ground level, Eric F. Ross Gallery
Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin
In 1965, 52 of his photographs were published with accompanying texts under the title Deutsche Juden heute (German Jews Today). These images and texts focus on the Jewish communities and discuss the relationship between Jews and Germans. Jewish life is fragile; there are only a few small communities whose existence is controversial both within and outside of Germany. The themes in Freed’s book were also discussed in two earlier publications that appeared in 1963 and 1964: an issue of the news magazine Der Spiegel with the title “Juden in Deutschland” (Jews in Germany); and a volume published by Hermann Kesten called ich lebe nicht in der Bundesrepublik (I don’t live in the Federal Republic). The question of whether it is possible to live as a Jew in Germany shapes a debate that lasts until today.
All 52 photographs from Leonard Freed’s series, purchased from the photographer’s widow Brigitte Freed, are part of the museum’s collection. They are exhibited in their entirety for the first time.
Leonard Freed’s Photo Series German Jews Today
1961 und 1962 nimmt Leonard Freed die jüdische Gemeinschaft in Westdeutschland in den Blick. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich einem jüdischen Thema widmet. Bereits 1954 fotografiert er orthodoxe Jüdinnen und Juden in Williamsburg, in Brooklyn, New York, wo er geboren und aufgewachsen ist. 1958 veröffentlicht er 52 Aufnahmen einer umfangreichen Serie über jüdisches Leben in Amsterdam in seinem ersten Buch Joden van Amsterdam.
Für sein Projekt in Deutschland fotografiert er vor allem in den Gegenden um Frankfurt und Düsseldorf, aber auch in Bad Sobernheim, Berlin, Dachau, Essen, Hamburg, Köln, Mainz, München, Nürnberg, Offenbach, Warendorf, Worms, im Westerwald und in der Burg Reichenstein. Nur wenige Aufnahmen kommen ohne Menschen aus. Die Personenabbildungen sind keine klassischen Porträts, sondern geben Situationen und Stimmungen wieder.
Nicht einmal 20 Jahre sind seit dem Ende der Schoa vergangen. Die wenigen jüdischen Gemeinden sind klein, insgesamt leben um die 25.000 Jüdinnen und Juden in Westdeutschland. Ihre Anwesenheit im „Land der Täter“ ist alles andere als selbstverständlich. Die meisten sind aus Mangel an Alternativen dort und sitzen „auf gepackten Koffern“. Auch außerhalb Deutschlands werden sie mit Unverständnis beobachtet. Und die Mehrheitsgesellschaft ist weiterhin durch Antisemitismus geprägt. Die Aufarbeitung des Nationalsozialismus kommt nur langsam in Gang. Nach dem Eichmann-Prozess 1961 in Jerusalem braucht es zwei weitere Jahre, bis der Auschwitz-Prozess in Frankfurt stattfindet. Diplomatische Beziehungen zwischen der BRD und Israel werden erst 1965 aufgenommen. Im selben Jahr diskutiert der Bundestag über die Verjährung von NS-Unrecht, gleichzeitig wünschen sich nicht wenige Bürgerinnen und Bürger einen „Schlussstrich“. 1966 tagt der jüdische Weltkongress in Brüssel, um über das Thema „Deutsche und Juden - ein ungelöstes Problem“ zu diskutieren - in Deutschland wäre eine solche Veranstaltung zu dieser Zeit noch undenkbar.
Leonard Freed versucht, mit seinen Fotografien der Unwissenheit der Deutschen über die unsichtbare jüdische Minorität in ihrem Land entgegenzuwirken. Es ist ihm ein wichtiges Anliegen – er beobachtet, wie Deutsche sich nicht mit ihrer jüngeren Vergangenheit auseinandersetzen wollen. Als er seine spätere Frau Brigitte kennenlernt und sie bei ihren Eltern in Dortmund besucht, sind auch seine Momente dort von diesem Eindruck geprägt. Neben Freeds aufklärerischer Motivation ist aber auch die Suche nach seiner eigenen jüdischen Identität prägend für das Langzeitprojekt.
Brigitte und Leonard Freed wohnen Anfang der 1960er Jahre bereits mit ihrer kleinen Tochter Elke Susannah in Amsterdam. Um für das Fotoprojekt gemeinsam in unterschiedliche deutsche Städte reisen zu können, lassen sie ihre Tochter immer wieder bei ihren Großeltern in Dortmund. Brigitte dolmetscht, organisiert Fototermine und ist bei den Aufnahmen dabei. Später stellt sie Abzüge in der Dunkelkammer her und beschriftet die Fotografien.
Aus mehreren tausend Bildern wählt Leonard Freed 52 Motive für das Buch aus, das er 1965 auf 96 Seiten mit dem Titel Deutsche Juden heute veröffentlicht. Die Gestaltung verantwortet der renommierte Designer Willy Fleckhaus und mehrere Beiträge von jüdischen Intellektuellen verbinden die Fotografien kongenial mit eindrücklichen Texten. Zu jedem Motiv schreibt Freed selbst zum Teil sehr ausführliche Bildlegenden. Im Gegensatz zu anderen Büchern geben diese nicht seine subjektiven Eindrücke wieder, sondern sind neutral und informativ formuliert.
Auch die Abfolge der Motive ist sicherlich bewusst gewählt. Leonard Freed zeichnet sowohl skeptische als auch hoffnungsvolle Bilder mit seiner Kamera. Umgesetzt sind fünf Fotoblöcke, die jeweils durch Texte miteinander verbunden sind. Den Anfang macht ein Rundblick, der unterschiedliche Themen in einzelnen Fotografien vorstellt. Das allererste Motiv zeigt Marmorbüsten an einer Mauer des alten jüdischen Friedhofs in Frankfurt am Main, wen sie darstellen, ist nicht bekannt. Auf dem zweiten Motiv ist der jüdische Friedhof in Worms zu sehen, einer der ältesten Europas. Beide Motive verdeutlichen die lange Tradition des Judentums in Deutschland und den großen Bruch durch den Holocaust.
Im Buch finden sich drei Motive mit direktem visuellen Bezug zum Nationalsozialismus. Alle drei befinden sich im ersten Fotokapitel: Das erste zeigt den Unterarm einer Frau mit einer eintätowierten Nummer des Konzentrationslagers Auschwitz, das zweite ein Gebetbuch mit eingelegten Fotografien ermordeter Familienangehöriger, das dritte Holzgitter über den Blutgräben im ehemaligen KZ Dachau.
Der zweite Fotoblock widmet sich religiösen Aspekten der jüdischen Gemeinschaft, darunter mehrere Aufnahmen aus der polnischen Gebetsstube in Frankfurt, aber auch Bilder einer jüdischen Hochzeit oder einer Bar Mizwa. Als nächstes folgen Motive zu unterschiedlichen Berufen, ein Steinmetz, ein Textilfabrikant, zwei Aufnahmen einer koscheren Schlächterei. Das vorletzte Fotokapitel zeigt bekannte Persönlichkeiten. Zum Schluss richtet Freed seinen Fokus auf junge Menschen, Kinder und Jugendliche. Dieser Abschluss des Buches mit größtenteils offenen und freundlichen Bildern unterstreicht den optimistischen Blick des Fotografen. Seine Bilder zeugen von Empathie, Sensibilität und Ernsthaftigkeit, aber kennen auch humorvolle Details.
Neben jüdischen Aspekten fotografiert Leonard Freed seit den frühen 1950er Jahren auch immer wieder andere Motive in Deutschland und führt diese 1970 in dem Buch Made in Germany zusammen. Freed ist fasziniert von den Deutschen und Deutschland und fragt in der Einleitung, wie das Land in 25 Jahren aussehen werde. Bemerkenswert sind einzelne kleine Texte am Ende des umfangreichen Bildteils, die mit Trauma I bis IV überschrieben sind und persönliche Geschichten und Erfahrungen zu Vorurteilen und Antisemitismus aus Freeds Perspektive wiedergeben.
Später schreibt Freed „Dass ich in den USA geboren bin, gibt mir, so glaube ich, eine eigene, frische Per
spektive, durch die mir Dinge auffallen, die der Durch
schnitts
deutsche über
sieht.“
(Fax von Leonard Freed an Ute Eskildsen, 1990; Leonard Freed Archiv). Dies gilt sicherlich auch für seine Fotografien der Serie Deutsche Juden heute aus den 1960er Jahren.
Theresia Ziehe, Kuratorin für Fotografie und Kuratorin der Ausstellung
I (Don’t) Live in the Federal Republic
Exhibition German Jews Today. Leonard Freed: Features & Programs
- Exhibition Webpage
- Current page: German Jews Today. Leonard Freed – 11 Nov 2024 to 27 Apr 2025, with all photos shown in the exhibition
- Accompanying Events
- Curator’s tour: Thu 23 Jan & 13 Feb & 13 & 27 Mar & 10 Apr 2025, 4 pm, in German
- “German Jews Today” – a discussion from the 1960s – Panel discussion on 18 Mar 2025, in German
Exhibition Information at a Glance
- 11 Nov 2024 to 27 Apr 2025
- ticket shop, or in person at the ticket counter. Free of charge. You can book tickets for a specific time slot online before your visit at our
Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin
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Libeskind Building, ground level, Eric F. Ross Galerie
Credits
Curators
Leonore Maier
Theresia Ziehe
Project Management
Daniel Ihde
Graphic Design
Team Mao, Berlin (Siyu Mao und Björn Giesecke)
Web Page
Dagmar Ganßloser
Marketing & Communikation
Sandra Hollmann
Marketing Campaign Design
bürominimal / Hanno Dannenfeld and Kristina Friske
Graphics Production
Fotoreklame Gesellschaft für Werbung FRG mbH
Art Handling and Exhibition Maintenance
Leitwerk Servicing
Translations
Jake Schneider
SprachUnion