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Black and white photograph: people dressed in festive outfits dancing; in the background is a stage decorated with two Israeli flags and a band playing.

Leonard Freed, Simhat Torah ball, Köln, 1961; Jewish Museum Berlin, accession 2006/198/8

German Jews Today

Leonard Freed

At the start of the 1960s, not even 20 years after the abyss of the Holocaust, the American-Jewish photographer Leonard Freed (1929‒2006) spent several months traveling through West Germany. He wanted to use his camera to capture how German Jews were currently living. Through his images, Freed set out to counteract the Germans’ ignorance of the invisible Jewish minority living among them. He took photographs in several Jewish communities, especially in the areas around Frankfurt and Düsseldorf.

11 Nov 2024 to 27 Apr 2025

Map with all buildings that belong to the Jewish Museum Berlin. The Libeskind building is marked in green

Where

Libeskind Building, ground level, Eric F. Ross Gallery
Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin

In 1965, 52 of his photographs were published with accompanying texts under the title Deutsche Juden heute (German Jews Today). These images and texts focus on the Jewish communities and discuss the relationship between Jews and Germans. Jewish life is fragile; there are only a few small communities whose existence is controversial both within and outside of Germany. The themes in Freed’s book were also discussed in two earlier publications that appeared in 1963 and 1964: an issue of the news magazine Der Spiegel with the title “Juden in Deutsch­land” (Jews in Germany); and a volume published by Hermann Kesten called ich lebe nicht in der Bundes­republik (I don’t live in the Federal Republic). The question of whether it is possible to live as a Jew in Germany shapes a debate that lasts until today.

All 52 photographs from Leonard Freed’s series, purchased from the photographer’s widow Brigitte Freed, are part of the museum’s collection. They are exhibited in their entirety for the first time.

Leonard Freed’s Photo Series German Jews Today

1961 und 1962 nimmt Leonard Freed die jüdische Gemein­schaft in West­deutsch­land in den Blick. Es ist nicht das erste Mal, dass er sich einem jüdischen Thema widmet. Bereits 1954 foto­grafiert er ortho­doxe Jüdinnen und Juden in Williams­burg, in Brooklyn, New York, wo er geboren und auf­gewachsen ist. 1958 ver­öffentlicht er 52 Auf­nahmen einer um­fang­reichen Serie über jüdisches Leben in Amster­dam in seinem ersten Buch Joden van Amster­dam.

Für sein Projekt in Deutsch­land foto­grafiert er vor allem in den Gegenden um Frank­furt und Düssel­dorf, aber auch in Bad Sobern­heim, Berlin, Dachau, Essen, Ham­burg, Köln, Mainz, Mün­chen, Nürn­berg, Offen­bach, Waren­dorf, Worms, im Wester­wald und in der Burg Reichen­stein. Nur wenige Auf­nahmen kommen ohne Menschen aus. Die Personen­ab­bildungen sind keine klassi­schen Porträts, sondern geben Situationen und Stimmungen wieder.

Nicht einmal 20 Jahre sind seit dem Ende der Schoa ver­gangen. Die wenigen jüdischen Ge­mein­den sind klein, insge­samt leben um die 25.000 Jüdinnen und Juden in West­deutsch­land. Ihre An­wesen­heit im „Land der Täter“ ist alles andere als selbst­ver­ständ­lich. Die meisten sind aus Mangel an Alter­nativen dort und sitzen „auf ge­packten Koffern“. Auch außer­halb Deutsch­lands werden sie mit Un­ver­ständnis beobachtet. Und die Mehr­heits­gesell­schaft ist weiter­hin durch Anti­semitis­mus ge­prägt. Die Auf­arbeitung des National­sozialis­mus kommt nur lang­sam in Gang. Nach dem Eich­mann-Pro­zess 1961 in Jeru­salem braucht es zwei weitere Jahre, bis der Auschwitz-Prozess in Frank­furt statt­findet. Diplo­matische Be­ziehungen zwischen der BRD und Israel werden erst 1965 auf­genommen. Im selben Jahr dis­kutiert der Bundes­tag über die Ver­jährung von NS-Un­recht, gleich­zeitig wünschen sich nicht wenige Bürgerinnen und Bürger einen „Schluss­strich“. 1966 tagt der jüdische Welt­kon­gress in Brüssel, um über das Thema „Deutsche und Juden - ein un­gelöstes Problem“ zu dis­kutieren - in Deutsch­land wäre eine solche Ver­anstaltung zu dieser Zeit noch un­denkbar.

Leonard Freed versucht, mit seinen Foto­grafien der Un­wissen­heit der Deutschen über die un­sicht­bare jüdische Mino­rität in ihrem Land ent­gegen­zu­wirken. Es ist ihm ein wichtiges An­liegen – er beobachtet, wie Deutsche sich nicht mit ihrer jüngeren Ver­gangen­heit aus­einander­setzen wollen. Als er seine spätere Frau Brigitte kennen­lernt und sie bei ihren Eltern in Dort­mund besucht, sind auch seine Momente dort von diesem Ein­druck ge­prägt. Neben Freeds auf­klärerischer Moti­vation ist aber auch die Suche nach seiner eigenen jüdischen Iden­tität prägend für das Lang­zeit­projekt.

Brigitte und Leonard Freed wohnen Anfang der 1960er Jahre bereits mit ihrer kleinen Tochter Elke Susannah in Amster­dam. Um für das Foto­projekt gemeinsam in unter­schiedliche deutsche Städte reisen zu können, lassen sie ihre Tochter immer wieder bei ihren Groß­eltern in Dort­mund. Brigitte dolmetscht, organisiert Foto­termine und ist bei den Auf­nahmen dabei. Später stellt sie Ab­züge in der Dunkel­kammer her und be­schriftet die Foto­grafien.

Aus mehreren tausend Bildern wählt Leonard Freed 52 Motive für das Buch aus, das er 1965 auf 96 Seiten mit dem Titel Deutsche Juden heute ver­öffentlicht. Die Gestaltung ver­antwor­tet der renommierte Designer Willy Fleckhaus und mehrere Beiträge von jüdischen Intel­lek­tuellen ver­binden die Foto­grafien kon­genial mit ein­drück­lichen Texten. Zu jedem Motiv schreibt Freed selbst zum Teil sehr aus­führ­liche Bild­legenden. Im Gegen­satz zu anderen Büchern geben diese nicht seine subjektiven Ein­drücke wieder, sondern sind neutral und informativ formuliert.

Auch die Abfolge der Motive ist sicher­lich bewusst gewählt. Leonard Freed zeichnet sowohl skeptische als auch hoffnungs­volle Bilder mit seiner Kamera. Umgesetzt sind fünf Foto­blöcke, die jeweils durch Texte mit­einander ver­bunden sind. Den Anfang macht ein Rund­blick, der unter­schied­liche Themen in einzelnen Foto­grafien vorstellt. Das aller­erste Motiv zeigt Marmor­büsten an einer Mauer des alten jüdischen Fried­hofs in Frank­furt am Main, wen sie dar­stellen, ist nicht bekannt. Auf dem zweiten Motiv ist der jüdische Fried­hof in Worms zu sehen, einer der ältesten Europas. Beide Motive ver­deut­lichen die lange Tradition des Juden­tums in Deutsch­land und den großen Bruch durch den Holo­caust. 

Im Buch finden sich drei Motive mit direktem visuellen Bezug zum National­sozialismus. Alle drei befinden sich im ersten Foto­kapitel: Das erste zeigt den Unter­arm einer Frau mit einer ein­tätowierten Nummer des Kon­zentrations­lagers Auschwitz, das zweite ein Gebet­buch mit ein­gelegten Foto­grafien ermordeter Familien­ange­höriger, das dritte Holz­gitter über den Blut­gräben im ehe­maligen KZ Dachau. 

Der zweite Foto­block widmet sich religiösen Aspekten der jüdischen Gemein­schaft, darunter mehrere Auf­nahmen aus der polnischen Gebets­stube in Frank­furt, aber auch Bilder einer jüdischen Hoch­zeit oder einer Bar Mizwa. Als nächstes folgen Motive zu unter­schiedlichen Berufen, ein Stein­metz, ein Textil­fabrikant, zwei Auf­nahmen einer koscheren Schlächterei. Das vor­letzte Foto­kapitel zeigt bekannte Per­sönlich­keiten. Zum Schluss richtet Freed seinen Fokus auf junge Menschen, Kinder und Jugend­liche. Dieser Ab­schluss des Buches mit größten­teils offenen und freund­lichen Bildern unter­streicht den optimis­tischen Blick des Foto­grafen. Seine Bilder zeugen von Empathie, Sensi­bilität und Ernst­haftig­keit, aber kennen auch humor­volle Details.

Neben jüdischen Aspekten foto­grafiert Leonard Freed seit den frühen 1950er Jahren auch immer wieder andere Motive in Deutsch­land und führt diese 1970 in dem Buch Made in Germany zusammen. Freed ist fasziniert von den Deutschen und Deutsch­land und fragt in der Ein­leitung, wie das Land in 25 Jahren aus­sehen werde. Bemerkens­wert sind einzelne kleine Texte am Ende des umfang­reichen Bild­teils, die mit Trauma I bis IV über­schrieben sind und per­sönliche Ge­schichten und Er­fahrungen zu Vor­urteilen und Anti­semi­tismus aus Freeds Per­spektive wieder­geben.

Später schreibt Freed „Dass ich in den USA geboren bin, gibt mir, so glaube ich, eine eigene, frische Per­spektive, durch die mir Dinge auffallen, die der Durch­schnitts­deutsche über­sieht.“ (Fax von Leonard Freed an Ute Eskildsen, 1990; Leonard Freed Archiv). Dies gilt sicher­lich auch für seine Foto­grafien der Serie Deutsche Juden heute aus den 1960er Jahren.

Theresia Ziehe, Kuratorin für Fotografie und Kuratorin der Ausstellung

I (Don’t) Live in the Federal Republic

Black and white photograph: people dressed in festive outfits dancing; in the background is a stage decorated with two Israeli flags and a band playing.

Exhibition German Jews Today. Leonard Freed: Features & Programs

Exhibition Webpage
Current page: German Jews Today. Leonard Freed – 11 Nov 2024 to 27 Apr 2025, with all photos shown in the exhibition
Accompanying Events
Curator’s tour: Thu 23 Jan & 13 Feb & 13 & 27 Mar & 10 Apr 2025, 4 pm, in German
“German Jews Today” – a discussion from the 1960s – Panel discussion on 18 Mar 2025, in German
See also
Leonard Freed, Photographer
Leonard Freed’s photograph of Hugo Spiegel

Exhibition Information at a Glance

  • When 11 Nov 2024 to 27 Apr 2025
  • Entry Fee Free of charge. You can book tickets for a specific time slot online before your visit at our ticket shop, or in person at the ticket counter.
  • Where Libeskind Building, ground level, Eric F. Ross Galerie
    Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin
    See Location on Map
Credits

Curators

Leonore Maier
Theresia Ziehe

Project Management

Daniel Ihde

Graphic Design

Team Mao, Berlin (Siyu Mao und Björn Giesecke)

Web Page

Dagmar Ganßloser

Marketing & Communikation

Sandra Hollmann

Marketing Campaign Design

bürominimal / Hanno Dannenfeld and Kristina Friske

Graphics Production

Fotoreklame Gesellschaft für Werbung FRG mbH

Art Handling and Exhibition Maintenance

Leitwerk Servicing

Translations

Jake Schneider
SprachUnion

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