Adoption als Schutz vor Antisemitismus?
Blick ins Depot
Schon ein jüdisch klingender Name konnte Anlass für Diskriminierungen sein. Daher ließen sich die Geschwister Erich (1888–1944) und Ursula Loevy (1897–1972) mit diesem Vertrag von dem Gymnasialprofessor und Familienfreund Bernhard Gloeden adoptieren: Im Adoptionsvertrag von 1918 heißt es ausdrücklich, dass die beiden volljährigen Kinder des Fabrikanten Siegfried Loevy vom Erbrecht ausgeschlossen seien.
Schutz gegen Benachteiligungen
Zweck der Adoption, die mit dem Einverständnis der leiblichen Eltern geschah, war allein die Annahme eines nicht mehr jüdisch klingenden Nachnamens. Grund dafür waren alltägliche Benachteiligungen in Gesellschaft und Berufsleben, für die häufig schon ein Name Anlass bot, der die jüdische Herkunft erkennbar machte.
Die Tradition jüdischer Namensänderungen
Jüdische Namensänderungen haben eine lange Tradition, wurden von den Behörden jedoch besonders restriktiv behandelt. Anträge wurden fast immer abschlägig beschieden. Auch der Übertritt zum christlichen Glauben berechtigte nach einem Gesetz von 1903 nicht zu einem Namenswechsel. Denn selbst nach einer Taufe sollte die jüdische Herkunft weiterhin erkennbar bleiben. Dahinter verbarg sich nicht nur der Vorwurf, getaufte Jüd*innen wollten sich in die Gesellschaft „einschleichen“; man stellte damit auch die Beweggründe ihres Bekenntnisses zum christlichen Glauben in Frage. Ein Weg, diese antisemitische Verwaltungspraxis zu umgehen, konnte die Adoption sein – wie bei Erich und Ursula Loevy, nun Gloeden, die beide als Kinder christlich getauft worden waren. Doch oftmals wurden auch Adoptionen für lediglich simuliert und damit rechtsunwirksam erklärt.
Die Nürnberger Rassegesetze von 1935
Während der Zeit der NS-Herrschaft, spätestens nach den Nürnberger Rassegesetzen von 1935, schützten meist weder eine Adoption oder Namensänderung noch die christliche Taufe vor der antisemitischen Verfolgung. Ursula Gloeden, nun verheiratete Schroeter, überlebte dank ihres nichtjüdischen Mannes, der sich trotz Drohungen nicht von seiner Ehefrau scheiden ließ.
Doppelleben im Nationalsozialismus
Ihr Bruder, der promovierte Architekt Erich Gloeden, blieb unter dem veränderten Namen im Nationalsozialismus lange Zeit verschont und wurde im Herbst 1939 in die Organisation Todt eingezogen. In dieser Zeit führte er ein Doppelleben: Während er für die Nationalsozialisten arbeitete, wurde Erich Gloeden zum überzeugten Zionisten und versteckte jüdische Freund*innen in seiner Wohnung. Von der Gestapo gesucht, fand General Lindemann, ein Konspirat€ des 20. Juli 1944, Zuflucht im Berliner Haus von Erich und dessen Frau Liselotte Gloeden. Er wurde jedoch verraten und am 3. September 1944 gemeinsam mit dem Ehepaar Gloeden festgenommen. Zwei Monate später wurden Erich und Liselotte Gloeden in Plötzensee hingerichtet.
Titel | Adoptionsvertrag zwischen Bernhard Gloeden und Erich und Ursula Loevy |
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Sammlungsgebiet | Archiv |
Ort und Datierung | Berlin 20. Juli 1918 |
Material | Tinte, Papier, Stempelfarbe |
Maße | 30 x 21 cm |
Erwerb | Schenkung von Petra Aas und Monika Schroeter |
Ausgewählte Dokumente und Objekte: Archiv (10)