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„Die schlaue Esther“ – nichts für Kinder?!

Viele bunt angezogene Stoffpuppen in einer langen Glasvitrine

Die Purim-Installation in der Akademie 2015; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Shlomit Tripp

Purim ist ein Familien­fest, bei dem sich Kinder verkleiden, mit Ratschen lärmen und traditionelle Haman­taschen naschen. Bei so viel Heiterkeit mutet es ein wenig erstaunlich an, dass dieses Fest auf einer biblischen Geschichte basiert, die alles andere als fröhlich und jugendfrei ist.

Das Buch Esther, welches an Purim gelesen wird, berichtet von einer spektakulären Rettungs­aktion des jüdischen Volks durch das Waisen­mädchen Esther in dem von König Achaschwerosch regierten persischen Reich. Der unbekannte Autor verfasste die Geschichte im Stil einer literarischen Dichtung, in deren Handlungs­verlauf Gott keine maßgebende Rolle zu spielen scheint. Vielmehr steht die List im Vordergrund, mit der es Esther und ihrem Onkel Mordechai gelingt, den Wesir Haman daran zu hindern, sein geplantes Pogrom gegen die persischen Juden in die Tat umzusetzen.

In fünf Kapiteln wird von Scheidung, Liebe, Eifersucht, Intrige, Hass und Mord berichtet und zwar so detailliert, dass man damit fünf Staffeln einer brasilianischen Telenovela füllen könnte. Die detailreichen Schilderungen inspirierten mich im vergangenen Sommer dazu, ein Kinderbuch zu verfassen.

Eine Stoffpuppe sitzt auf einem Thron und schaut eine weibliche Stoffpuppe an, die auf einem Podest steht

Der König Achaschwerosch verliebt sich in Esther; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Shlomit Tripp

Dabei empfand ich es als eine besondere Herausforderung, einen Bogen zwischen der biblischen Erzählung und einem fröhlichen Kinderfest zu spannen. Und es reizte mich, die Geschichte vom Überlebens­geist des jüdischen Volks und von einem Fest nachzuerzählen, das eine wichtige Stellung im Zyklus der jüdischen Feiertage einnimmt.

Ich begann damit, die Geschichte mit selbst­genähten Püppchen und orientalischen Requisiten zu inszenieren und baute in meinem Wohnzimmer persische Fantasie­landschaften. Diese hielt meine Kollegin Nadja Rentzsch fotografisch fest und ich bearbeitete die Bilder in gefühlten 1001 Sommer­nächten bis zum Sonnen­aufgang. Zugleich diskutierte ich mit Myriam Halberstam, der Gründerin des Ariella-Verlags, eifrig über die nicht-jugend­freien Stellen des Esther-Buchs – wie zum Beispiel über das Schicksal der Königin Waschti, die sich weigerte vor den Gästen ihres Mannes zu tanzen. Laut den Schrift­quellen wurde Waschti umgebracht. Wir einigten uns darauf, dass Waschti und König Achaschwerosch sich scheiden ließen – bevor dieser Esther heiratete.

Buchcover mit einem Bild vieler Stoffpuppen vor blauem Hintergrund

Die schlaue Esther. Eine jüdische Erzählung aus dem alten Persien. Neu erzählt von Shlomit Tulgan mit den bubales – Jüdisches Puppentheater Berlin © Ariella-Verlag, Foto: Nadja Rentzsch

Das Ergebnis unserer Diskussionen und bildlichen Szenen, mein Buch Die schlaue Esther ist im Februar 2015 beim Ariella Verlag erschienen. Nach gut jüdischer Manier werden Texte und Bilder an den Seiten kommentiert. So stellen der rothaarige Shlomo und sein humorloses Schaf Mendel in Sprech­blasen klar, dass die Bestrafung des Juden­hassers Haman in der „Esther-Rolle für Erwachsene“ etwas weniger zimperlich ausging – aber damals waren ja auch „brutale Zeiten“.

Das Ergebnis meines Freizeit-Buchprojekts eröffnete mir auch in meiner Arbeit am Familien-Programm zu Purim im Jüdischen Museum Berlin neue Perspektiven: Im Eingang der Akademie baute ich eine Installation auf, die die Besucher*innen in eine Fantasie-Welt entführt.

Zwei Stoffpuppen vor blauem Hintergrund. Eine weilbliche sitzt auf einem Plüschpferd, eine männliche steht davor

Die geschiedene Königin Waschti verlässt den Palast; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Shlomit Tripp

Eine riesige Esther-Rolle wird dabei zur Bühne für orientalisch gekleidete Puppen und eine persische Landschaft. Ich entschied mich, die Rolle nicht mit hebräischer Schrift zu versehen, da die Original­texte für sehr fromme Jüdinnen*Juden als heilig gelten und ich mit meinem künstlerischen Experiment keine religiösen Gefühle kränken wollte.

Happy Purim für Groß und Klein!

Shlomit Tripp (ehemals Tulgan), Autorin von „Die schlaue Ester“, Puppentheater­spielerin und Mitarbeiterin in der Bildungs­abteilung

Literaturangabe

Die schlaue Esther. Eine jüdische Erzählung aus dem alten Persien. Neu erzählt von Shlomit Tulgan mit den bubales – Jüdisches Puppen­theater Berlin. Fotografien von Nadja Rentzsch. Berlin: Ariella Verlag 2015. ISBN 978-3-945530-009, Hardcover, 32 Seiten, 14,95 €.

Viele bunt angezogene Stoffpuppen in einer langen Glasvitrine

Die Purim-Installation in der Akademie 2015; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Shlomit Tripp

Zitierempfehlung:

Shlomit Tripp (2015), „Die schlaue Esther“ – nichts für Kinder?!.
URL: www.jmberlin.de/node/6843

Feiertage: Alte Riten, neue Bräuche (19)

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