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Der erste moderne Chanukka-Leuchter

Blick ins Depot

Messingleuchter mit geraden Kanten und Dreiecksformen, für acht Kerzen nebeneinander und eine kleinere mittig

Chanukka-Leuchter von Ludwig Wolpert, aus Messing gegossen und patiniert, 34 cm hoch und 38 cm breit, Frankfurt am Main, 1924; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2021/136/0, Ankauf mit Unter­stützung der Freunde des Jüdischen Museums Berlin, Foto: Roman März

Elegant, schlicht und funktional – mit der Gestaltung dieses Chanukka-Leuchter brach der Künstler Ludwig Yehuda Wolpert bis dahin geltende Konventionen. 1924 in Frankfurt am Main angefertigt, ist der Leuchter eines der ersten Stücke moderner Judaica. Der Künstler läutete damit einen Wandel in Form und Stil von Zeremonial­objekten ein, der die Formen­sprache über Generationen beeinflusste und prägte. 2021 erwarben die Sammlungen des Jüdischen Museums Berlin den aus Messing gegossenen und patinierten Chanukka-Leuchter.

Das Chanukka-Fest

Jährlich feiern viele Jüdinnen*Juden auf der ganzen Welt acht Tage lang Chanukka: die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem im Jahr 3597 bzw. 164 v. u. Z. Bei Einbruch der Dunkelheit wird jeden Tag eine weitere Kerze angezündet und ein Segen gesprochen, um an das Lichtwunder zu erinnern: Einer Erzählung aus dem Talmud zufolge wurde im zerstörten Tempel ein einziges Kännchen Öl gefunden, das den Tempelleuchter eigentlich nur einen Tag lang hätte erleuchten können. Auf wundersame Weise reichte es jedoch acht Tage und Nächte lang aus.

Stilwandel bei Zeremonialobjekten

Aus den 1920er Jahren sind nur wenige jüdische, von Künstler*innen in Deutschland geschaffene Zeremonialobjekte erhalten. Von den 1890er bis in die 1930er Jahre wurden jüdische Ritualobjekte in der Regel in historisierenden Formen und mit ornamentalen Motiven hergestellt. Der Leuchter von 1924 bildete Wolperts Ausgangspunkt, von dem aus er in der Folgezeit einen völligen Wandel in Form und Stil der Judaica anführte und das Gebiet über Generationen hinweg beeinflusste. Seitdem gilt Wolpert als der „Vater“ der zeitgenössisch gestalteten Judaica-Objekte.

Der Künstler

Ludwig Yehuda Wolpert wurde 1900 in Hildesheim in eine orthodoxe jüdische Familie geboren. Die Familie betrieb zunächst eine kleine Socken- und Handschuh­strickerei, später wurde Wolperts Vater Salomon Schochet (ritueller Schlachter) und amtierte als Rabbiner eines Altenheims. Im Alter von 16 Jahren nahm Ludwig das Studium der Bildhauerei an der Frankfurter Kunstgewerbe­schule auf; nach Abschluss des Studiums im Jahr 1920 begann er, als Bild­hauer zu arbeiten. Da Wolpert sich von der Anfertigung von Gebrauchs­gegenständen ein sichereres Einkommen erhoffte, kehrte er 1925 für ein zweites Studium an die Frankfurter Kunst­schule zurück und wandte sich der Silberschmiede­kunst zu.

1935 emigrierte Wolpert nach Palästina, wo er weiterhin Objekte in seinem einzig­artigen Stil schuf und durch seine Lehr­tätigkeit an der New Bezalel School bis 1956 eine ganze Generation von Silber­schmied*innen ausbildete, die in einem modernistischen Stil arbeiteten. Danach zog Wolpert in die Vereinigten Staaten, wo er die Tobe Pascher Werkstatt im Jüdischen Museum von New York leitete. Wolpert stellte bei den Welt­ausstellungen in New York und in Montreal Werke aus und schuf viele international bekannte Werke, etwa die Bronze­türen der Synagoge am John F. Kennedy Airport. Er starb 1981 in New York.

Signatur im Messingfuß des Leuchters: L. Wolpert 1924

Detail des Chanukka-Leuchters von Ludwig Wolpert, Frankfurt am Main, 1924; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. 2021/136/0, Ankauf mit Unter­stützung der Freunde des Jüdischen Museums Berlin, Foto: Roman März

Einflüsse der Bauhaus-Schule

Leiter der Frankfurter Kunst­schule war zu Wolperts Zeit Christian Dell, zuvor Meister der Form an der Bauhaus-Schule. Dell brachte die innovativen Ideen und Arbeits­methoden der Bauhaus-Schule mit. Wolpert machte sich den modernistischen Stil zu eigen und konzentrierte sich in der Folgezeit auf die Herstellung moderner, funktionaler jüdischer Zeremonial­objekte aus Silber.

1928 beauftragte Karl Schwarz, der Direktor des ersten Jüdischen Museums Berlin, das bis zum 9. November 1938 in der Oranien­burger Strasse existierte, Wolpert mit der Anfertigung einer Reihe von jüdischen Zeremonial­objekten, die dann im Museum sowie in einer Wander­ausstellung gezeigt wurden.

Wolperts Stücke zeichnen sich durch ihre eleganten, schlichten Formen, ihren Funktionalismus und die Schönheit der hebräischen Schrift­züge aus, die er in viele seiner späteren Kreationen integrierte.

Der Weg des Leuchters ins Museum

Das Jüdische Museum Berlin prüft vor Ankäufen die Provenienz: Es besteht kein Verdacht oder Hinweis auf verfolgungs­bedingten Entzug in der Zeit zwischen 1933 und 1945, denn das Objekt wurde häufig in Veröffentlichungen erwähnt, wobei William Gross als aktueller Besitzer genannt wurde, und es gab keine Restitutions­ansprüche. Deshalb ist zu vermuten, dass dieses Objekt als Emigranten­gepäck in das Mandats­gebiet Palästina (heute Israel) gebracht wurde.

Bauhaus

Das Staatliche Bauhaus war eine 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründete Kunst­schule.
Mehr bei Wikipedia

Titel Chanukka-Leuchter
Künstler Ludwig Yehuda Wolpert (1900–1981)
Sammlungsgebiet Judaica
Ort und Datierung Frankfurt am Main, 1924
Material Messing, gegossen und patiniert
Maße 34 x 38 x 8 cm

Ausgewählte Objekte: Judaica-Sammlung (9)

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