Provenienzforschung
Wem hat ein Objekt gehört, bevor es Teil einer Sammlung wurde? Diese Frage nach der Herkunft von Sammlungsobjekten stellen sich Sammler*innen und Museumsmitarbeiter*innen von je her. Eine „gute Provenienz“ (oder auch „Pedigree“ – Stammbaum – genannt), etwa die Herkunft aus einer renommierten Sammlung, steigerte stets den Wert und das Ansehen von Kunst und Kulturgütern.
Heute dient die Erforschung früherer Besitzverhältnisse von Sammlungsobjekten häufig der Aufklärung unrechtmäßiger Raubkontexte. Gerade der nationalsozialistische Kunst- und Kulturgutraub steht seit dem Bekanntwerden des so genannten „Schwabinger Kunstfunds“ bei Cornelius Gurlitt (2012) öffentlich im Fokus dieses Forschungszweigs. Neben der Herkunft von Gemälden und Skulpturen wird zunehmend auch die von Objekten der angewandten Kunst, Büchern, Archivalien und von Objekten, die in den ehemaligen Kolonien erworben wurden, erforscht.
Eng verknüpft mit der Provenienzforschung ist die Frage nach der Rückgabe (Restitution). Nach den 1998 verabschiedeten Washingtoner Prinzipien sind öffentliche Institutionen verpflichtet, zu prüfen, ob ihre Sammlungen Objekte enthalten, die ihren Vorbesitzer*innen zwischen 1933 und 1945 „NS-verfolgungsbedingt entzogen“ wurden. Ist dies der Fall, sind sie angehalten, die rechtmäßigen Eigentümer*innen zu ermitteln und mit ihnen gemeinsam nach „fairen und gerechten Lösungen“ zu suchen.
Mit den Themen Raub und Zerstörung von jüdischem Kulturgut ist auch und gerade die Sammlungsarbeit an einem Jüdischen Museum regelmäßig konfrontiert. Sammlungsobjekte erzählen hier häufiger als in anderen Museen eine Raub- oder Exilgeschichte, sind auf Grund der nationalsozialistischen Verfolgung beschädigt oder gelten als „verwaist“. Konsequenterweise fokussierte daher die 2009 erfolgte Theresienstädter Erklärung unter anderem explizit auf die Auseinandersetzung mit der Herkunft von Judaica und jüdischen Kulturgütern.
Weltweit haben auch Jüdische Museen, wie das Jewish Museum New York, das Israel Museum Jerusalem und das Jüdische Museum Prag, Projekte zur Provenienzforschung entwickelt. Das Jüdische Museum Berlin zählt zu den Museen in Deutschland, die die Herkunft ihrer Sammlungsbestände systematisch prüfen.