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Bildtermin und Presse­konferenz am 21. Oktober 2024 zur Provenienz des Sammlungs­zugangs von Max Oppen­heimers Gemälde Weintraubs Syncopators / Jazzband (1927)

Pressemitteilung von Mo, 21. Okt 2024

Ab heute zeigt das Jüdische Museum Berlin (JMB) in der Dauerausstellung ein Kunstwerk, das unterschiedliche Aspekte deutsch-jüdischer Geschichte in sich vereint. Hetty Berg, die JMB-Direktorin, kommentiert: „Max Oppenheimers Gemälde Weintraubs Syncopators ist ein großartiger Neuzugang zu unserer Gemäldesammlung. Ich bin sehr glücklich darüber, dass die Provenienz geklärt werden konnte und dass dieses einzigartige Kunstwerk nach Berlin zurückgekehrt ist.“

Kontakt

Dr. Margret Karsch
Pressesprecherin
T +49 (0)30 259 93 419
presse@jmberlin.de

Postadresse

Stiftung Jüdisches Museum Berlin
Lindenstraße 9–14
10969 Berlin

Das Werk steht für einen während der Weimarer Republik in Berlin arbeitenden jüdischen Maler, der hier populäre jüdische Künstler porträtiert hat und dem eine Darstellung des Musikerlebnisses selbst gelungen ist: Den schnellen, mitreißenden Stil der Band übersetzte Max Oppenheimer durch kubistisch inspirierte Formen, Anschnitte und diagonale Staffelungen 1927 in sein Gemälde, das damals noch den Titel Jazzband trug.

Die Weintraubs Syncopators waren in den 1920er Jahren, als die Unterhaltungskultur sich zu einem eigenen Wirtschaftszweig entwickelte, die Stars der Berliner Clubkultur: Sie spielten Jazz und Swing, Schlager, Walzer und Tanzmusik und wechselten fliegend ihre Instrumente. Komik, Wortwitz und Clownerien waren Teil ihrer Bühnenshows. Ab 1927 begleitete Friedrich Hollaender die Band, die 1928 mit Josephine Baker im Theater des Westens auftrat – bis die SA die Veranstaltung störte – und mit Marlene Dietrich in Josef von Sternbergs Film Der Blaue Engel (1930). Überall begeisterten die Weintraubs Syncopators das Publikum. 1933 kehrten die Musiker von einer Auslands-Tournee nicht nach Deutschland zurück. In Australien versuchte die Band vergeblich, Fuß zu fassen, und löste sich schließlich auf.

Der aus Wien stammende, expressionistische Maler Max Oppenheimer (1885–1954) war berühmt für die bildliche Darstellung von Musik und Musiker*innen. Von 1911 bis 1915 sowie von 1925 bis 1931 lebte er in Berlin. Mit Jazzband widmete er sich zum ersten und einzigen Mal dem Jazz. Der erfolgreiche Maler des modernen Großstadtlebens floh 1938 in die Schweiz und dann 1939 in die USA. Das Ölgemälde wird Teil der JMB-Sammlung – und ist ab morgen in der Dauerausstellung im Raum Kunst und Künstler zu sehen. Die Dauerausstellung ist für alle Besucher*innen kostenlos zugänglich. Max Oppenheimers Werk wird im JMB neu präsentiert, eingerahmt in einen originalen Hoffmann-Rahmen aus der Wiener Moderne, der aus der Rahmensammlung von Werner Murrer Rahmen stammt und die Verbindung von Wiener Avantgarde und Berliner Jazzkultur der 1920er Jahre symbolisiert.

Eine faire und gerechte Lösung

Der Rechtsanwalt und Psychoanalytiker Hugo Staub (1886–1942) erwarb das Gemälde nicht lange nach seiner Entstehung. Als Jude und Mitglied der Deutschen Liga für Menschenrechte geriet Staub früh ins Visier der Nationalsozialisten. 1933 floh er zuerst nach Frankreich und später in die USA, wo er 1942 starb. Das Gemälde musste er bei seiner überstürzten Flucht in seiner Berliner Wohnung zurücklassen. Bis heute ist ungeklärt, was danach mit dem Kunstwerk geschah. 1962 tauchte es im Berliner Kunsthandel wieder auf. Seitdem ist es im Besitz der Familie der jetzigen Verkäufer*innen. 2024 erwarb das JMB das Gemälde mit dem Einverständnis der Erb*innen von Hugo Staub. Die Mittel für den Ankauf stammen aus einer Testamentsspende von Gisela Schwandt an die Deutsche Bank Stiftung.

Der lang angestrebte Ankauf konnte nur durch eine faire und gerechte Einigung mit den Erb*innen der geschädigten Eigentümer*innen zustandekommen. Für das JMB und die Deutsche Bank Stiftung war es zunächst wichtig, die Provenienz zu klären. Das Auktionshaus Grisebach vermittelte den Ausgleich zwischen den Erb*innen und den Verkäufer*innen.

Ruth Freiman, die zur Familie der letzteren gehört, ist sehr zufrieden mit dem Ergebnis: „Ich halte es für schlüssig, dass Max Oppenheimers Gemälde Weintraubs Syncopators in die Sammlung des Jüdischen Museums Berlin aufgenommen wird. Es ist nur richtig, dass dem Maler und den Musikern die Ehre zuteil wird, die sie verdienen, nachdem sie von den Nazis aus ihrem Land vertrieben wurden.“

Hugo Staubs Enkel Petronella Clark und John und Hugh Staub gaben vorab ihrer Aufregung über das Treffen von so vielen Familienmitgliedern heute in Berlin Ausdruck: „Die Entdeckung des Gemäldes war eine höchst emotionale und aufregende Reise für unsere ganze Familie. Unser herzlicher Dank gilt allen Beteiligten für ihre unglaubliche Sorgfalt, Professionalität und einfühlsame Handhabung. Dieses großartige Gemälde und seine außergewöhnliche Geschichte verkörpern das jüdische Berlin der Weimarer Zeit, und wir sind der Meinung, dass es kein besseres Zuhause dafür gibt als das JMB.“

Michael Fishers Vater Emanuel und sein Onkel Addy gehörten zur letzten Besetzung der Band, also zu den Bandmitgliedern, die nach Australien flohen. Michael Fisher lebt inzwischen in Zürich – und verspürt angesichts der Aufnahme des Gemäldes in die JMB-Sammlung und Dauerausstellung ein „Gefühl, als würde endlich etwas vollendet“: „Zu sehen, wie die Band in die Stadt zurückkehrt, die sie am Tag nach dem Reichstagsbrand verlassen hat, bedeutet mir unendlich viel.“

100-jähriges Jubiläum der Weintraubs Syncopators

Um das Jubiläum der 1924 gegründeten Weintraubs Syncopators und den Sammlungszugang des Gemäldes von Max Oppenheimer zu feiern, findet am Abend der Pressekonferenz um 19 Uhr im Glashof des JMB die Veranstaltung 100 Jahre Weintraubs Syncopators! statt. Die Berliner Jungle Jazz Band gibt die Tanzfläche frei.

Weitere Informationen finden Sie auf der Seite zur Veranstaltung.

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