Hebräischer Buchdruck in Berlin
Sammlung in unserer Bibliothek
Unsere Sammlung zum Hebräischen Buchdruck in Berlin wurde größtenteils 1999 bis 2002 von dem Amsterdamer Antiquar Willem Burgers (1929–2013) erworben. Sie umfasst 150 Titel aus dem 18. Jahrhundert und 100 Titel aus dem 19. Jahrhundert sowie aus der Zeit von 1900 bis 1933 ca. 100 hebräische und 50 jiddische Titel.
Wo
W. M. Blumenthal Akademie, Bibliothek
Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz 1, 10969 Berlin
Postanschrift: Lindenstraße 9-14, 10969 Berlin
Anfänge des hebräischen Buchdrucks in Berlin
Später als in anderen deutschen Städten begann der hebräische Buchdruck in Berlin auf Initiative des christlichen Hebraisten und preußischen Hofpredigers Daniel Ernst Jablonski (1660–1741), der 1699 eine hebräische Bibel herausgab und später auch den Druck des Babylonischen Talmuds finanzierte. Als Berater und Drucker engagierte er den jüdischen Gelehrten Jehuda Löb ben David Neumark aus Hanau. Zeev Wolf ben Salman Mirels, Baruch Buchbinder und Neumarks Sohn Natan Neumark betrieben schon bald in eigener Regie Druckereien und veröffentlichten vor allem religionsgesetzliche Werke und Kommentare. Aharon ben Moshe Rofe und Itzig Speier führten diese Tradition bis in die 1760er Jahre fort.
Blütezeit in der jüdischen Aufklärung
Zu einem Zentrum des hebräischen Buchdrucks entwickelte sich Berlin in der Zeit der Haskala, der jüdischen Aufklärung. Deren Vertreter*innen, die an Vernunft, Philosophie und Forschung orientierten Maskilim wie Naphtali Herz Wessely (1725–1805) erschütterten mit ihren auf Hebräisch verfassten Werken die Autorität der rabbinischen Eliten und führten das weltliche Wissen in die religiöse Überlieferung ein. Moses Mendelssohn (1729–1786) übersetzte die Tora ins Deutsche, ließ sie aber von 1780 bis 1783 mit hebräischen Lettern drucken, um die jiddisch sprechenden Juden*Jüdinnen an die deutsche Sprache heranzuführen und zu einem eigenen Urteil über das Buch der Bücher zu befähigen.
Die 1778 gegründete Jüdische Freyschule, die die Bildungsreform der Haskala realisierte, erhielt zu ihrer Finanzierung 1784 die Lizenz für den Druck von Büchern in orientalischen Sprachen. Die nach dieser Lizenz benannte Orientalische Buchdruckerey veröffentlichte unter der Leitung von Isaak Satanow (1732–1805) und Isaak Euchel (1756–1804) die meisten Werke der Haskala, darunter zeitweise die Zeitschrift Ha-meassef (Der Sammler), aber auch Schulbücher und den Calender für die Jüdische Gemeinde, der nach der Auflösung der Freyschule und ihrer Druckerei 1825 noch einige Jahrzehnte auf Hebräisch und später auf Deutsch in hebräischer Schrift erschien.
Ausdifferenzierung im 19. Jahrhundert
Im Zuge der gesellschaftlichen Gleichstellung jüdischer Bürger*innen im 19. Jahrhundert verlor das Hebräische seine Funktion als Gelehrten-, Schrift- und Umgangssprache. Die hebräische Buchkultur differenzierte sich in Quelleneditionen und Lehrbücher für Schule und Hochschule sowie in religiöse Gebrauchsliteratur für Haus und Synagoge aus. Gebetbücher wurden nunmehr zweisprachig gedruckt, aber immer noch von links nach rechts geblättert. Zahlreiche Druckereien wie Lewent, Kornegg, Sittenfeld und Itzkowski belieferten den hebräischen Buchmarkt. Gegen Ende des Jahrhunderts begann im Kontext des Zionismus die von Achad Ha’am (1856–1927) zunächst in Berlin herausgegebene Zeitschrift Ha-shiloah die hebräische Sprache und Literatur zu modernisieren.
Titelliste der Sammlung Hebräischer Buchdruck
Download (PDF / 5.85 MB / auf Deutsch / nicht barrierefrei)Nach dem Ersten Weltkrieg
Eine kurze Blüte erfuhr der hebräische Buchdruck in Berlin noch einmal nach dem Ersten Weltkrieg, als osteuropäische Verleger*innen von der Nachkriegsinflation und Infrastruktur angezogen vor allem jiddische Werke druckten und künstlerisch anspruchsvolle Verlage wie den Rimon- oder Klal-Verlag gründeten. Die Initiative der 1924 gegründeten Soncino-Gesellschaft der Freunde des jüdischen Buches für eine neue Drucktype sorgte mit der 1933 vollendeten Ausgabe der Tora für den vorläufigen Höhepunkt des hebräischen Buchdrucks in Berlin.
Digitalisierung
Eine Auswahl von 65 Bänden dieser Sammlung ist 2022 digitalisiert worden. Unterstützt wurden wir bei diesem Projekt von dem Forschungs- und Kompetenzzentrum Digitalisierung Berlin (digiS) im Rahmen des Förderprogramms zur Digitalisierung von Objekten des kulturellen Erbes Berlin. Publikationen im OPAC anzeigen
Auf der Website des Projektpartners digis steht unser Abschlussbericht zum Download bereit: digis Projektarchiv 2022|2023
Literaturhinweise
- Bendt, Vera, Willem Burgers. Ein Amsterdamer Antiquar im Geiste von Spinoza, in: Imprimatur N.F. 24.2015, S. 11–54.
- Brenner, Michael (Hg.), Jüdische Sprachen in deutscher Umwelt. Hebräisch und Jiddisch von der Aufklärung bis ins 20. Jahrhundert, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2002.
- Feiner, Shmuel, Haskala – Jüdische Aufklärung. Geschichte einer kulturellen Revolution. Aus dem Hebr. von Anne Birkenhauer, Hildesheim: Olms 2007.
- Leicht, Reimund, Daniel Ernst Jablonski und die Drucklegungen des Babylonischen Talmud in Frankfurt/Oder und Berlin (1697–1699, 1715–1722, 1734–1739), in: Joachim Bahlcke/Werner Korthaase (Hg.), Daniel Ernst Jablonski. Religion, Wissenschaft und Politik um 1700, Wiesbaden: Harrassowitz 2008, S. 491–516.
- Meisl, Josef, Berliner jüdische Kalender, in: Soncino-Blätter 2.1927, S. 41–54. – Online: https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/cm/periodical/pageview/3983921
- Steinschneider, Moritz/Cassel, David, Jüdische Typographie und jüdischer Buchhandel, in: Johann S. Ersch/Johann G. Gruber, Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste. 2. Sect., 28 T., Leipzig: Brockhaus 1851, S. 21–94, bes. 89–91. – Online: https://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN362307695
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Spezialsammlungen: Zur jüdischen Kunst und Kultur (6)