Süßigkeiten sind eine heikle Angelegenheit für Synagogen an Simchat Tora. Um den Neubeginn der zyklischen Lesungen zu feiern, werden die Tora-Rollen durch die Synagoge getragen, während die Gemeinde singt, tanzt und den Kindern Bonbons und Schokolade zuwirft.
In kleinen Synagogen verläuft das meist ohne Zwischenfall. Doch in den größeren sind herumfliegende Schokoriegel nicht unumstritten. Nicht alle Erwachsenen haben Freude an Milkatafeln, denen man nicht immer gut ausweichen kann. Und auch für die Tora-Rollen stellt Schokolade eine Gefährdung dar.
In Anbetracht der schwierigen Situation haben viele Synagogen eine Süßigkeitenregelung eingeführt. Die strengste habe ich in den 80er Jahren in Berlin erlebt, als die Synagoge in der Pestalozzistraße das Bonbonwerfen ganz untersagte. Stattdessen ließ man die Kinder ordentlich antreten, um eine braune Papiertüte in Empfang zu nehmen, die drei Süßigkeiten und ein Sandwich enthielt.
Da ist mir die heutige Regelung dieser Synagoge eigentlich lieber: Die Kinder dürfen mit Beuteln herumlaufen und von den Erwachsenen Süßigkeiten entgegennehmen. Alle sind glücklich, und niemand wird verletzt.
Aber diese neue Regelung hat auch einen Nachteil. Das Besondere des Festes könnte verlorengehen. Wie Chanukka mit Weihnachten, verschmilzt Simchat Tora mit Halloween. Als sie mir ihre Tüte entgegenstreckte, fragte mich eine Fünfjährige: »Süßes oder Saures?«
Naomi Lubrich, Medien