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Fünf gestaltete Cover des Magazins Het Onderwater Cabaret mit Collagen.

Titelblätter des Untergrund­magazins Het Onderwater-Cabaret

Het Onderwater-Cabaret

Curt Blochs satirisches Unter­grund­magazin und ein Blick hinter die Kulissen der Aus­stellung „Mein Dichten ist wie Dynamit“

Über mehr als 19 Monate, zwischen August 1943 und April 1945, schuf Curt Bloch, ein deutscher Jude, der 1942 in den Nieder­landen unter­getaucht war, ein einzig­artiges Werk des kreativen Wider­stands: Het Onderwater-Cabaret (Das Unter­wasser­kabarett). Woche für Woche gab Bloch insgesamt 95 kleine Hefte mit kunstvoll gestalteten Covern heraus. Auf Nieder­ländisch und Deutsch verfasst, behandelte er in 483 Gedichten den Verlauf des Zweiten Welt­kriegs, die Situation im Versteck und das Schicksal seiner Familie, die Verbrechen der Nazis und ihrer Kolla­borateure. Mit beißender Ironie und sardonischem Witz entlarvte er die national­sozialistische Propaganda.

Curt Bloch im Versteck in den Nieder­landen

Etwa 24.000 Jüdinnen*Juden aus Deutsch­land flohen in den 1930er-Jahren in die Nieder­lande, unter ihnen Curt Bloch, dessen juristische Lauf­bahn in Deutschland durch das Gesetz zur Wieder­herstellung des Berufs­beamtentums vom April 1933 beendet wurde und der wegen seiner linken Ein­stellung bedroht war. Die geo­grafische Nähe, das positive Bild als Land der Glaubens­freiheit sowie die Neutralität während des Ersten Weltkriegs machten die Nieder­lande als Einwanderungs­land attraktiv – zumal es anfangs kaum Beschränkungen für deutsche Staats­angehörige gab. Bevor 1938 die Einreise- und Niederlassungs­möglichkeiten begrenzt wurden, benötigten Neuan­kömmlinge kein Visum und auch auf dem Arbeits­markt gab es Anfang 1933 keine größeren Hinder­nisse.

Schwarz-weiß Portrait eines weißen Mannes mit zurückgekämmten Haaren.

Passfoto von Curt Bloch, undatiert; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Lide Schattenkerk

Am 10. Mai 1940 marschierten die Deutschen ein und besetzten die Nieder­lande. Die jüdischen Geflüchteten waren als Erste Verhaftungen, Registrierungen und Zwangs­umsiedlungen aus­gesetzt. Mit seiner Mutter und der jüngeren Schwester Helene, die ihm 1939 in die Nieder­lande gefolgt waren, musste Curt Bloch nach Enschede im Osten des Landes umziehen. Am 25. August 1942, etwa sechs Wochen nach Beginn der Deportationen von Jüdinnen*Juden aus dem Durchgangs­lager Wester­bork nach Auschwitz, tauchte er in Enschede unter, Mutter und Schwester in Apel­doorn und später in Leiden. Im August 1943 begann Bloch im Versteck Het Onderwater-Cabaret heraus­bringen. Der Stift wurde, wie er es selbst beschrieb, zur Waffe.

Wer ist Curt Bloch?

Curt Bloch (1908–1975), deutscher Jurist und Autor des handgefertigten Untergrundmagazins Het Onderwater-Cabaret, Pseudonym Cornelis Breedenbeek, 1933 Flucht in die Niederlande, ab August 1942 dort im Versteck

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OWC-Galerie

Drei Ausgaben des Onderwater-Cabaret mit bio­grafischen und historischen Kontext­informationen sowie Rezitationen als Audio- bzw. Video­aufnahme bieten einen lebendigen Einblick in das einzig­artige Werk, das Bloch zwischen August 1943 und April 1945 geschaffen hat. Während die Gedichte der zweiten Ausgabe vom 30. August 1943 noch zu einem großen Teil auf Nieder­ländisch verfasst und kaum bebildert sind, finden sich in den Ausgaben vom 3. Juni 1944 und der letzten vom 3. April 1945 zahl­reiche deutsche Gedichte, einge­klebte Zeitungs­ausschnitte, Fotos und andere Abbildungen. 
 

Wer las das OWC?

Curt Bloch war die längste Zeit im Haus von Albertus und Aleida Menneken in Enschede versteckt. Im Herbst 1942 nahm das Ehepaar zusätzlich Blochs Freund*innen Karola Wolf (1920–2015) und Bruno Löwenberg (1898–1986) auf. Als Karola Wolf im Mai 1943 das Versteck wechseln musste, ließ ihr Curt Bloch, der sich in sie verliebt hatte, über Boten versiegelte Briefe und Gedichte zukommen. Im August 1943 verfasste er das erste von insgesamt 37 Heften mit dem Titel Secret Service. Diesen Heften mit Liebes­gedichten für Karola Wolf legte Bloch auch Het Onder­water Cabaret (OWC) mit seinen vorwiegend satirischen Inhalten bei. Zuweilen schickte Bloch seiner Erstleserin und Kritikerin Karola Wolf auch mehrere „OWC Nummern“ auf einmal. Über sieben Monate arbeitete Bloch parallel an beiden Magazinen im identischen Format.

Während das OWC den „Mennekens“, Bruno Löwen­berg und anderen Freund*innen und Besucher*innen des Hauses bekannt war und mit ihnen geteilt wurde, hielt Bloch Secret Service streng geheim. Im März 1944 endete die Romanze. Bloch stellte die Arbeit an Secret Service ein, blieb jedoch mit Karola Wolf im engen brieflichen Austausch und ließ ihr weiterhin Ausgaben des OWC zukommen. Seine zahl­reichen Briefe, von Karola Wolf sorgsam bewahrt, bieten aufschluss­reiche Einblicke in Blochs Arbeit am OWC und weiteren Schriften.

Cover eines Secret Service Heftes mit Collage eines Matrosens mit Akkordeon, auf dessen Kopf der Kopf von Curt Blochgeklebt ist und Segeln im Hintergrund.

Secret Service Nr. 27 „Seemannsrose“, Februar 1944; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr.: 2023/141/26, Schenkung von Robert Saunders

Schwarz-weiß Fotografie von zwei Männern und drei Frauen, die auf Stühlen in einem Garten sitzen.

Von links: Bruno Löwenberg, eine unbekannte Frau, Helene Bloch, Curt Bloch und Karola Wolf, aufgenommen vermutlich im Sommer 1941; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr.: TE83 (OndCab)/29, Schenkung von Robert Saunders

Die Restaurierung der OWC-Hefte

Bevor er 1948 aus den Nieder­landen in die USA emigrierte, ließ Curt Bloch die 95 Ausgaben von Het Onderwater-Cabaret binden. Im Januar 2023 kamen vier Bände mit Het Onderwater-Cabaret und ein fünfter Band mit weiteren Schriften in das Jüdische Museum Berlin. Die Einzel­hefte wurden sorgfältig von­einander getrennt und restauriert, um sie erforschen und aus­stellen zu können.

Papier­restaurator Stephan Lohrengel gibt Einblicke in seine Arbeit, und die Kura­tor*innen Aubrey Pomerance und Ulrike Kuschel erläutern, welche Möglich­keiten die Restaurierung für Aus­stellung und Forschung bietet; Jüdisches Museum Berlin 2024, Drehbuch, Kamera und Schnitt: Peter Wollring

Möge Het Onderwater-Cabaret durch diese neue Zugäng­lichkeit endlich das von Bloch angestrebte größere Publikum erreichen, schließlich ist es in der heutigen Welt, in der Krieg, Des­information, Diskriminierung, Aus­grenzung und Verfolgung allgegen­wärtig sind, weiter hoch­aktuell.

Zitierempfehlung:

Ulrike Kuschel/Jüdisches Museum Berlin (2024), Het Onderwater-Cabaret. Curt Blochs satirisches Unter­grund­magazin und ein Blick hinter die Kulissen der Aus­stellung „Mein Dichten ist wie Dynamit“.
URL: www.jmberlin.de/node/10232

Collage in grau-blau auf orangem Hintergrund mit blauer Zickzacklinie: der Kopf eines Mannes in einer Taucherglocke, seine Hand umfasst einen Schlauch, daneben ein Manometer.

Alle Angebote zur Ausstellung „Mein Dichten ist wie Dynamit“ Curt Blochs Het Onderwater Cabaret

Über die Ausstellung
„Mein Dichten ist wie Dynamit“ Curt Blochs Het Onderwater Cabaret – 9. Feb bis 23. Jun 2024
Begleitprogramm
Katastrophe. Wirken im Versteck. Führung durch die Ausstellung – Termin nach Absprache
Ausstellungseröffnung – 8. Feb 2024
Kuratorenführung für Mitglieder der FREUNDE DES JMB – 8. Apr 2024
Joodse vluchtelingen – Schicksale deutsch-jüdischer Emigrant*innen in den Niederlanden – 3. Mär 2024
Archivbestände zu deutschen Jüdinnen und Juden in den Niederlanden – Show and Tell für Mitglieder der FREUNDE DES JMB, 7. Mär 2024
Het Onderwater Cabaret Live. Ein musikalisch-literarischer Abend – 11. Apr 2024
Publikationen
JMB Journal 26: Het Onderwater Cabaret – Sonderausgabe zur Ausstellung
Digitale Angebote
Aktuelle Seite: OWC-Online-Feature – Ein Blick hinter die Kulissen der Aus­stellung
Leben und Werk von Curt Bloch – Essay mit biografischen Einblicken, JMB Journal 26
Versteckt in Enschede. Zeitzeugengespräch mit Herbert Zwartz – Video-Mitschnitt vom 16. April 2024 am Jüdischen Museum Berlin
Auf dem Flügel meiner Phantasie – Video mit Marina Frenk, Richard Gonlag und Mathias Schäfer, auf Deutsch, Niederländisch und in deutscher Gebärdensprache
„Es ist kompliziert“ – Ein Text von Simone Bloch, Tochter von Curt Bloch, JMB Journal 26
„Ik neurie mee ’t propellerlied …“ – Essay über Het Onder­water-Cabaret als Zeugnis poli­tischen Wider­stands im nieder­ländischen Exil (1943–1945)
Untergrundliteratur in den Niederlanden 1940–1945 – Essay, JMB Journal 26
Alle Audiostücke der Ausstellung – mit Transkriptionen und Übersetzungen
Alle Ausgaben von Het Onderwater-Cabaret – zum Durchblättern
Siehe auch
Überleben im Versteck
Zum Webprojekt www.curt-bloch.com

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