Zwi Sofer
Ein Sammler und seine Sammlung
Drei Interessen prägten das bewegte Leben des Sammlers Zwi Sofer (1911–1980): Musik, Volkserzählungen sowie das Aufspüren und Zusammentragen jüdischer Kunst- und Kulturgüter. Letzteres mündete in einer Sammlung von mehr als 300 jüdischen Zeremonialobjekten, aber auch Gemälden, Zeichnungen und Alltagsgegenständen. 1981 wurde diese Sammlung für die Jüdische Abteilung des Berlin Museums erworben und zu einem Meilenstein auf dem Weg zur späteren Gründung des Jüdischen Museums in Berlin.
Wer war der Mann, der diese Sammlung ursprünglich zusammentrug? Warum tat er es und was lässt sich durch die Beschäftigung mit seiner Biografie über die Objekte und die Entstehung der Sammlung des Jüdischen Museums Berlin erfahren?
Von Galizien nach Palästina
Zwi Sofer, auch Gersch Sofer (Jiddisch) oder Grischa Sofer (Russisch) genannt, kam am 28. Januar 1911 in der Kleinstadt Jaltuszkow in der heutigen Ukraine auf die Welt. Schon seit 1793 zählte ein Teil dieser Region zum Russischen Reich und bildete dort das Gouvernement Podolien.
Sofer entstammte einem orthodox jüdischen Elternhaus und bescheidenen Verhältnissen: Als er sechs Jahre alt war – im Jahr der russischen Revolution – starb sein Vater. Seine Mutter musste den Lebensunterhalt verdienen und gab ihren Sohn in die Obhut von Großmutter und Tante.
Sofer besuchte den Cheder, die jüdische Religionsschule, in dem er – nach eigenen Angaben – bereits mit fünf Jahren die Lektüre des Pentateuchs, mit sieben Jahren die Lektüre von Raschis Kommentar und mit acht Jahren das Talmudstudium begann. Seit seinem zehnten Lebensjahr und bis zur „gymnasial-Reifeprüfung humanist. Typs“
im Jahr 1929 besuchte er im galizischen Brody die höhere Schule.
Zwi Sofer war musikalisch. Schon als Kind lernte er Geige zu spielen und die Musik begleitete zeitlebens auch seine berufliche Laufbahn. Nach Abschluss der Schule schloss er sich – wohl auch auf Grund der ökonomisch schwierigen Lage der Familie – der vierten Alija (1924–1939) an und lebte knapp sechs Jahre in Palästina. Dort arbeitete er am Aufbau des Landes mit; der junge Sofer war in Ziegeleien und verschiedenen Werkstätten tätig. In den frühen 1930er Jahren gab er zudem als Solo-Musiker Konzerte, leitete aber auch mehrere Jugend- und Schulorchester.
Studium in Wien
1935 verließ Zwi Sofer Palästina und übersiedelte nach Wien. Dort studierte er ab 1936 am Wiener Pädagogischen Institut, dem Konservatorium und der Universität Kunstgeschichte, Erziehungswissenschaften, Musikwissenschaften und praktische Musik in der Violoncello- und Dirigentenklasse – wie man seinen Immatrikulationsunterlagen entnehmen kann.
Wien blieb für Sofer ein Leben lang als Zentrum der multiethnischen K&K-Monarchie sowie auch osteuropäisch-jiddischer und chassidischer Kultur ein positiver Bezugsort. Denn Sofer interessierte sich schon während seines Studiums für die zeitgenössischen Bemühungen um eine russisch-jüdische Geschichtsschreibung und damit für die „Arbeit am nationalen Gedächtnis“
im Sinne der Ideen des russisch-jüdischen Historikers Simon Dubnow. Dies ist in Hinblick auf Sofers spätere Sammlungstätigkeit sehr aufschlussreich.
Exkurs: Simon Dubnows Aufruf zur „Arbeit am nationalen Gedächtnis“
Der Historiker Simon Dubnow hatte 1891 alle russischen Jüdinnen*Juden zur aktiven Arbeit am nationalen Gedächtnis aufgerufen. Damit hatte er eine jüdische Geschichtsschreibung angeregt, die gerade die einfache Bevölkerung und damit auch die Konservierung jüdischer Folklore in den Fokus rückte. Jede*r russische Jude*Jüdin sollte zum*zur freiwilligen Sammler*in werden und teilhaben an dieser neuen Geschichtsschreibung:
„Ich wende mich an alle gebildeten Leser, zu welcher Partei sie auch gehören: an alle Frommen ebenso wie an die Aufgeklärten, an die Alten wie an die Jungen, an traditionelle Rabbiner wie auch an ‘Kronrabbiner’ …: Packt mit an beim Bauwerk der Geschichte! Nicht jeder Mensch mit normaler Schulbildung kann ein großer Schriftsteller oder Historiker sein, aber jeder von euch kann Dokumente sammeln und beim Aufbau unserer Geschichte helfen.“
1936 reiste der Student Sofer nach Vilnius, um das damalige Zentrum der literarischen, linguistischen, folkloristischen und ethnografischen Arbeit des Jiddischen wissenschaftlichen Instituts, kurz YIVO genannt, zu besuchen. Auch das YIVO vertrat die Position, es sei die „Aufgabe des jüdischen Volkes, das Übriggebliebene zu sammeln und vor Zerstörung zu bewahren“
– als Reaktion auf Zerstörung durch Pogrome, aber auch auf die zunehmenden Erscheinungen der Moderne, wie Säkularisierung, Auflösung von Landgemeinden und Verstädterung.
Rückkehr nach Palästina
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland im Jahr 1938 emigrierte Sofer zurück nach Palästina, genauer Haifa, wo er als Kunsterzieher für Gesang und Zeichnen an einer Schule, als Herausgeber musikpädagogischer Schriften und Inhaber eines Musikladens tätig war.
Diese Lebensphase in Palästina war zum einen von den Schatten des Krieges in Europa, den Berichten über die Schoa und der unwiderruflichen Zerstörung jüdischen Lebens in Sofers Herkunftsregion geprägt. Zum anderen gab es auch in Palästina sich immer häufiger ereignende Anschläge und Unruhen und nach der Staatsgründung Israels schließlich den Palästina-Krieg.
Folkloreforschung und Ethnologie
Sofer knüpfte in den späten 1940er Jahren an sein Interesse für jüdische Geschichte und Folklore an. Auch in Haifa, wo Zwi Sofer zu diesem Zeitpunkt lebte, gab es institutionelle Bestrebungen im folkloristisch-ethnologischen Bereich: Ein Archiv jüdischer Volkserzählungen wurde dort in den 1950er Jahren aufgebaut, das zunächst Teil des Ethnologischen Museums in Haifa war und seit dessen Schließung 1983 von der Universität Haifa beherbergt wird. Zwi Sofer unterstützte den Aufbau dieses Archivs aktiv, denn ihn faszinierten nicht nur Objekte, sondern zunehmend auch das Sammeln von Erzählungen, Witzen und Märchen verschiedener Kulturkreise und Zeiten. Sofer soll auch selbst ein guter Erzähler gewesen sein.
Sofer betrieb bereits in den 1940er Jahren ethnologische Feldstudien, etwa zum Pessach-Fest der Samaritaner*innen in Nablus. Darüber verfasste er auch wissenschaftliche Artikel und erwarb in diesem Kontext wohl auch ein Objekt seiner späteren Sammlung – ein Textil, das sich heute in der Sammlung des Jüdischen Museums befindet.
Durch seine Mitarbeit am Aufbau des Israeli Folktales Archives in Haifa fasste Sofer immer stärker Fuß in den wissenschaftlichen Bereichen Folkloreforschung und Ethnologie.
„Durch meine in Israel begonnene Arbeit für das Folklore-Archiv angeregt, habe ich mich in Deutschland hauptsächlich dem Studium der Volkskunde gewidmet.“ (Zwi Sofer)
Akademische Karriere in der Bundesrepublik Deutschland
Im Auftrag des Archivs reiste er von 1959 bis 1963 zu internationalen Kongressen der so genannten Volkserzählforschung: 1959 nach Kiel und Kopenhagen, 1962 nach Antwerpen, Paris, Santo Tirso (Portugal), Cloppenburg und Budapest. Bei der Reise 1959 nach Kiel erhielt Sofer vor Ort von Prof. Kurt Ranke das Angebot zu einem Promotionsstudium im Fach volkskundliche Erzählforschung.
Sofer ergriff die Chance, seine zwangsweise in Wien abgebrochene akademische Karriere wieder aufzunehmen, verlegte seinen Wohnsitz nach Kiel und zwei Semester später nach Göttingen, wo er schließlich das Studium 1965 mit dem Doktortitel abschloss.
Auch nach dem Abschluss des Studiums ergab sich für Sofer eine weitere Chance in der Bundesrepublik: 1966 wurde ihm von Prof. Rengstorff eine feste Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institutum Judaicum Delitzschianum (IJD) in Münster vorgeschlagen.
Exkurs: Karl Heinrich Rengstorf
Karl Heinrich Rengstorf war ein bekannter deutscher evangelischer Theologe. Er war Professor für Neues Testament an den Universitäten Kiel und Münster. Rengstorf setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg dafür ein, unter der Trägerschaft des Evangelisch-Lutherischen Zentralvereins für Mission unter Israel ein Institutum Judaicum Delitzschianum in Münster neuzugründen. Dies geschah 1952 und Rengstorf war bis zu seiner Emeritierung dessen Direktor. Das ursprüngliche Institutum Judaicum war 1886 von Franz Delitzsch in Leipzig gegründet worden und geprägt vom Gedanken der Judenmission. In der Nachkriegsneugründung in Münster trat der Judenmissionsgedanke in den Hintergrund. Ab den 1960er Jahren stand vor allem der Christlich-Jüdische Dialog, das Nachdenken über das Christlich-Jüdische Verhältnis im Fokus.
Zwi Sofer in Münster: Eine Ausnahmeerscheinung
Neben Editionsprojekten nahm die Lehre an der Universität in Münster viel Raum in Sofers Arbeitsalltag ein. Er veranstaltete „Einführungen in den jüdischen Gottesdienst und das Gebetbuch“
, gab Seminare zu „Chassidischen Legenden zum Buch Genesis“
, zu „Jiddischer Dichtung von Bialyk und Marc Chagall“
oder unterrichtete „Modernes Hebräisch“
.
Die Lehrveranstaltungen von Zwi Sofer sollen äußerst beliebt gewesen sein, so dass sich bald ein Kreis von begeisterten Studierenden um ihn scharte. Neben Rabbiner Bernhard Brilling war Zwi Sofer im dominant katholisch geprägten Münster in diesen Jahren eine Ausnahmeerscheinung.
Über seine berufliche Tätigkeit hinaus engagierte sich Sofer für den Wiederaufbau und Erhalt mehrerer der immer kleiner werdenden jüdischen Gemeinden in Nordwestdeutschland. Als Vorbeter, Religionslehrer und Trauerredner fungierte er beispielsweise über lange Zeit in der kleinen jüdischen Gemeinde Lübeck, in die er lange Zeit jede Woche von Freitag- bis Samstagabend fuhr; er war aber auch in Essen und vor allem Münster als Chasan (Kantor) tätig.
Verdienste für den christlich-jüdischen Dialog
Zwi Sofer war zudem ein prägendes Mitglied der Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit. Dem in der Bundesrepublik in den 1960er Jahren aufkeimenden Interesse an jüdischer Geschichte und Kultur begegnete Sofer mit Synagogenführungen, populären Kursen zu jüdischer Kultur an der Volkshochschule und jiddischen Konzerten. Zudem veröffentlichte Sofer ein jüdisches Kochbuch und zwei Schallplatten mit Synagogalmusik und populären jiddischen Erzählungen von Leib Peretz.
Diese facettenreichen Aktivitäten für den christlich-jüdischen Dialog blieben nicht unbemerkt. Im Herbst 1977 erhielt Zwi Sofer feierlich das Verdienstkreuz am Bande verliehen, insbesondere für seine Bemühungen um eine Verständigung zwischen Jüdinnen*Juden und Christ*innen.
Doch ihm stieß nicht nur Wohlwollen entgegen: Nur kurze Zeit später, an Heiligabend 1977, wurde das Institutsgebäude, in dem er arbeitete, außen mit einem 25 Meter langen, antisemitischen Spruch und einer Zeichnung beschmiert, die sich direkt auf ihn persönlich bezogen. Der Rektor der Universität erstattete sofort Strafanzeige und ließ Sofer wissen, dass er bestürzt und betroffen von dem Vorfall sei. Dieses Geschehnis wirft wiederum ein Schlaglicht auf den nach wie vor virulenten und verbreiteten Antisemitismus dieser Jahre in der Bundesrepublik.
Sofers Aufbau der Judaica-Sammlung
Nur zwei weitere Lebensjahre waren Zwi Sofer vergönnt. Er starb unerwartet am 25. Januar 1980. In jeder erdenklichen Ecke seiner kleinen Wohnung stieß man nun auf die völlig ungeordneten, teilweise verpackt, aber auch offen gelagerten Judaica, die er zusammengetragen hatte: silberne Leuchter, Lampen, Gewürzbüchsen, Tora-Kronen, Zeichnungen, Bücher, Manuskripte, großformatige Textilien und vieles mehr.
Zwi Sofer baute seine Sammlung vermutlich unsystematisch durch Gelegenheitsankäufe im Antiquitäten- und Kunsthandel, auf Flohmärkten, von Privatpersonen und durch Schenkungen auf. Er trug die Objekte in der Bundesrepublik und auf Reisen im europäischen Ausland (v. a. Schweiz, Belgien, Niederlande, Israel) zusammen. Weder wurden die Objekte katalogisiert noch ihr Erwerb von Sofer dokumentiert.
Im Nachlass des Sammlers ist aber eine andere interessante Quelle vorhanden: eine teilweise annotierte Visitenkarten-Sammlung, die Aufschluss darüber gibt, mit welchen Händler*innen, Sammler*innen und sonstigen Personen er vernetzt war.
Auffällig viele der Händler*innen waren selbst jüdisch und hatten ein Verfolgungsschicksal, wie die in Amsterdam tätigen Schwestern Bettina und Carola Wolf oder Karol und Gustava Geller in Wien. Wertet man dazu Zwi Sofers mit unzähligen Stempeln versehenen Reisepässe aus, lassen sich dessen internationale Erwerbsrouten visualisieren und zentrale, europäische Nachkriegs-Umschlagplätze für Judaica ausmachen – insbesondere Amsterdam und Antwerpen.
Die Konservierung materieller Zeugnisse jüdischer Kultur lag Sofer bereits vor der Schoa am Herzen, bemühte er sich doch um eine jüdische Geschichtsschreibung im Sinne des Historikers Simon Dubnow. Sofers folkloristisch-wissenschaftliches Interesse und seinen beruflicher Werdegang ließen ihn die Judaica vor allem als kulturhistorische Objekte wertschätzen. Die Sammlung lässt sich daher in einen kausalen Zusammenhang mit den volkskundlichen Studien des Sammlers bringen. Sofer verwendete die Objekte aber auch als pädagogische Materialsammlung, als praktisches Anschauungsmaterial für seine Vorträge und Seminare, die sich größtenteils an ein interessiertes nicht-jüdisches Publikum richteten.
Ausstellungen seiner Sammlung
Wegen des „außergewöhnlichen Interesses an den wenigen bisherigen Ausstellungen zur jüdischen Kulturgeschichte und der lebhaften Nachfrage nach Synagogenführungen und Vorträgen über die Welt des Judentums“
begann Sofer in den 1970er Jahren damit, mehrere Wanderausstellungen zu organisieren, die seine Sammlung präsentierten.
Er bezweckte damit, wie er selbst im Katalog beschrieb, „durch originale Zeugnisse und Information über Sitten und Bräuche einen Einblick in den Alltag und den Festtag von Synagoge und jüdischem Haus zu geben“
. Die Ausstellungen in Münster, Lübeck, Duisburg und Hannover stellte er unter das Motto: „Mögen sie beitragen zum gegenseitigen Verstehen zwischen Christen und Juden“
. Diese Regionalausstellungen fanden fulminanten, internationalen Anklang: Über sie wurde bundesweit sowie in Österreich, Israel und der Schweiz berichtet.
„Erinnerungswelle“ in Deutschland
Einem immens steigenden Interesse an jüdischer Geschichte und Kultur durch die „Erinnerungswelle“ der 1970er Jahre stand diametral der Mangel an Expertise zu jüdischem Leben, religiöser Praxis und auf dem Gebiet der Judaica gegenüber. Die Wissensträger*innen zu den Objekten, ihrer Verwendung und ihren kulturhistorischen Kontexten waren ermordet worden oder im Exil. Die Objekte aber waren teilweise noch da oder migrierten, den Gesetzen des Marktes folgend, frei auf dem internationalen Antiquitätenmarkt. Ab den 1970er Jahren gelangten sie so immer häufiger auch zurück nach Europa und in die Bundesrepublik.
Das Engagement Sofers für die Musealisierung jüdischer Kulturgeschichte reiht sich zeitlich und regional in die Vor- und Frühgeschichte der jüdischen Museen in Deutschland nach dem Krieg ein.
Nordwestdeutschland bildete in den 1960er Jahren das Epizentrum dieser Entwicklung: Von hier gingen impulsgebende Wanderausstellungen wie die Monumenta Judaica in Köln und Synagoga in Recklinghausen aus. All diese Ausstellungsprojekte waren allerdings zeitlich limitiert.
Sofers Plan für ein jüdisches Museum
Sofer dachte bereits einen Schritt weiter: Er betrachtete seine Sammlung Mitte der 1970er Jahre als den Grundstock für ein zu errichtendes permanentes Jüdisches Museum und hatte sogar recht konkrete Pläne dafür: Im März 1975 traf er sich mit Vertreter*innen des christlich-jüdischen Dialogs in Köln, um seinen „Plan zur Errichtung eines jüdischen Museums in der Bundesrepublik“
zu besprechen . Man verständigte sich auf die Einrichtung eines ständigen Jüdischen Museums für die Bundesrepublik, das, nach Vorbild des jüdischen Museums in Wien, eine Bundeseinrichtung sein, mit Mitteln aller Bundesländer finanziert und möglichst in Köln situiert sein sollte. Da sich der Plan in Köln nicht realisieren ließ, bot Sofer ein paar Jahre später der Essener Stadtgemeinde schriftlich den Ankauf seiner Sammlung an und führte dafür noch konkreter seine Museumspläne aus:
„Ich habe in mehreren Jahrzehnten eine Judaica-Sammlung zusammengetragen – die m. W. die größte Privatsammlung in der Bundesrepublik ist. Sie besteht aus Kultgegenständen, Gemälden, Erstdrucken, insgesamt über 500 Exponate unterschiedlicher Größe. Ziel meiner Sammlung: Ein ständiges Museum Judaicum. Angeschlossen sein sollte ein Archiv für Wissenschaft und Geschichte des Judentums als Forschungsstelle (wozu ich ebenfalls Material besitze). Meine Exponate, die allein schon zur Errichtung eines kleinen Museums ausreichen würden, könnten in ihrem Haus, verstärkt durch die vorhandenen einschlägigen Bild- und Tondokumente der Essener Stadtgeschichte, die Grundlage für das 1. Judaica-Museum in Deutschland bilden.“
In gewisser Weise sollte Sofers Plan sich realisieren, bildeten die Objekte aus seinem Besitz doch den ursprünglichen Kern der Sammlung des Jüdischen Museums in Berlin. Zwar eröffnete dieses erst 2001, gut zwanzig Jahr nach Sofers Tod, doch war seine Sammlung ein wichtiges Argument beim politischen Ringen um dessen Realisierung in den 1980er und 1990er Jahren. Auf diese Weise wurde Zwi Sofer zu einem Bestandteil der Institutionengeschichte des Jüdischen Museums Berlin. Das Wissen um die Biografie des Sammlers und den Aufbau seiner Sammlung ist so ein Stück hauseigene Geschichte. Darüber hinaus kann es heute vor allem beim Versuch der Klärung offener Provenienzfragen zu einzelnen Objekte seiner Sammlung behilflich sein.
Anna-Carolin Augustin
Zitierempfehlung:
Anna-Carolin Augustin (2019), Zwi Sofer. Ein Sammler und seine Sammlung.
URL: www.jmberlin.de/node/6035