„… an einem guten jüdischen Kochbuch ist aber entschieden Mangel.“
Vollständiges Praktisches Kochbuch für die jüdische Küche, von Bertha Gumprich, geb. Meyer. Vierte, bedeutend vermehrte und verbesserte Auflage, Trier, ca. 1900, Schenkung von Herbert und Elisabeth Simon, 2008
2008 erhielt das Jüdische Museum Berlin eine großzügige Schenkung von Elisabeth und Herbert Simon. Neben Küchenutensilien, Tischzeug, Porzellan und Besteck enthielt die Schenkung viele Archivalien von Herbert Simons Großeltern Anselm Simon (1851–1928) und dessen Frau Caroline Simon (geb. Hanau, 1856–1930), darunter auch das 348 Seiten starke Vollständige praktische Kochbuch für die jüdische Küche der Bertha Gumprich. Dieses gehörte Caroline Simon, deren Haushalt koscher geführt wurde. Sie fand darin sicher vielerlei Inspiration und Anleitung zum Kochen und zur angemessenen Haushaltführung.
Die Köchin und Verfasserin
Wenn die vermutete Jahresangabe 1900 für diese vierte Auflage des Kochbuchs zutrifft, ist sie vielleicht sogar noch zu Lebzeiten der Autorin verlegt worden. Auf dem Titelblatt dieser Auflage wird sie noch als „Wittwe Joseph Gumprich“ genannt. Das hat möglicherweise dazu geführt, dass sie in dem zeitgenössischen Lexikon deutscher Frauen der Feder, Berlin 1898, als „Josephine“ angegeben wird. Die Autorenschaft von Frauen, mitunter auch von Männern, war in dieser Zeit unüblich. Man veröffentlichte anonym.
Wer war also diese Bertha Gumprich, die es bereits 1888 wagte, ein Kochbuch im Selbstverlag für die jüdische Küche herauszugeben? Bertha Gumprich, die erst spät mit diesem Namen Erwähnung findet, war eine „Wartefrau“ und Köchin. Als solche konnte sie in der Region Trier bereits an die 30 Jahre ihre Erfahrungen und Kenntnisse sammeln, als sie dieses Kochbuch im Selbstverlag herausgibt. Sie vermerkt dazu in der ersten Auflage von 1888:
„Was ihr hierbei zu Hilfe kam, ist eine mehr als dreißigjährige Erfahrung im Dienste der Kochkunst. Es gab wohl seit Jahren kaum eine hervorragende jüdische Festlichkeit im Reg.-Bez. Trier und darüber hinaus, zu welcher die Verfasserin als Köchin nicht hinzugezogen wurde. Dass sie stets eine streng orthodoxe Küche führte, wird ihr wohl allerseits bezeugt werden können.“
Ein Verkaufsschlager
An Kochbüchern besteht zu dieser Zeit wahrlich kein Mangel – wohl aber an welchen für die jüdische Küche. Obwohl in Trier laut Statistik im Jahr 1895 nur 823 Juden lebten, zeigt sich, dass Bertha Gumprich mit ihrer verlegerischen Entscheidung das richtige Gespür hatte. Das beweisen die in rascher Folge erscheinenden Auflagen: erste Auflage von 1888 mit 1000 Exemplaren, zweite Auflage 1896, dritte Auflage 1899, die vierte Auflage wurde ohne Datumsangabe vermutlich 1900 im Verlag von Kaufmann & Co. in Frankfurt am Main verlegt.
Nach Bertha Gumprichs Tod erschienen noch sechs weitere Auflagen im selben Verlag. Während der Zeit des Nationalsozialismus gingen viele Exemplare verloren und das Buch geriet in Vergessenheit. Erst durch die Recherche der Judaistin Annette Haller wurde es wiederentdeckt. 2002 erschien ein Nachdruck der 2. Auflage von 1896 aus der Universitätsbibliothek Freiburg. In Trier selbst ist weder im Privatbesitz noch in den regionalen Bibliotheken ein Exemplar vorhanden.
Bürgerliche Tafelfreuden
Gumprich ist bestrebt eine zuverlässige und bürgerliche Anleitung zu verfassen, die es den unkundigen und unerfahrenen Frauen ermöglicht, einen Hausstand zu führen oder gar anzuleiten. Sie möchte die „Tafelfreuden und damit die Familien- und Festesfreuden in jüdischen Kreisen erhöhen!“
Mit vereinzelten Hinweisen auf die „christliche Küche“ kommt sie auch der Leserschaft außerhalb der jüdischen Gemeinden entgegen.
Ärmliche Verhältnisse
Trotz des verlegerischen Erfolgs vieler Auflagen und des Interesses nicht nur in der jüdischen Gemeinschaft erzielte die in ärmlichen Verhältnissen lebende Verfasserin durch das Kochbuch zu Lebzeiten keinen großen Gewinn. Dies belegt der Eintrag in genanntem Lexikon: „Möge das Buch viele Freunde finden und so zur Verbesserung der Verhältnisse der armen alten Frau beitragen“. Dies war ihr nicht mehr vergönnt, denn sie verstarb im August 1901 „nach langem, mit Geduld ertragenem Leiden“.
Wir möchten an Bertha Gumprich und ihr Werk erinnern. Es liegt nahe, dies mit einem Rezept aus ihrem Kochbuch zu tun.
Rezept für Nudelpfannkuchen
Koche einen halben Teller voll Nudeln in Salzwasser ab und schütte dieselben auf einen Durchschlag, gieße kaltes Wasser durch, schlage zwei bis drei Eier und etwas Zucker tüchtig, rühre die Nudeln hinein, backe dann aus diesem Teig Pfannkuchen und bestreue sie, wenn sie gar gebacken sind, mit Zucker und Zimt.
Ulrike Sonnemann, Leiterin Bibliothek
Zitierempfehlung:
Ulrike Sonnemann (2021), „… an einem guten jüdischen Kochbuch ist aber entschieden Mangel.“. Vollständiges Praktisches Kochbuch für die jüdische Küche, von Bertha Gumprich, geb. Meyer. Vierte, bedeutend vermehrte und verbesserte Auflage, Trier, ca. 1900, Schenkung von Herbert und Elisabeth Simon, 2008.
URL: www.jmberlin.de/node/8347
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