Kindertransporte 1938/39
Nach den Novemberpogromen 1938 versuchten Tausende von Jüdinnen und Juden, das Deutsche Reich so schnell wie möglich zu verlassen. Unklar war jedoch, wer sie aufnehmen würde. Die Einreisebestimmungen waren und blieben überall streng und die Wartelisten lang. Einige Länder erklärten sich lediglich bereit, jüdische Kinder aufzunehmen, allen voran Großbritannien.
Dort setzte sich wenige Tage nach den Pogromen im Deutschen Reich eine Gruppe von einflussreichen Jüdinnen*Juden und Quäker*innen bei dem britischen Premierminister Chamberlain dafür ein, dass zumindest die Kinder für eine Übergangszeit aufgenommen würden. Sie versprachen, dass für jedes Kind eine Garantiesumme von 50 britischen Pfund hinterlegt, dass für die Kinder eine Unterkunft gefunden würde und dass sie eine Ausbildung bekämen. Der britische Staat wollte damit erreichen, dass sich die Kinder schnell einleben, ohne aber dem Land finanziell zur Last zu fallen.
20.000 Kinder in Sicherheit gebracht
Der erste Kindertransport verließ bereits am 1. Dezember 1938 deutschen Boden. In einer großangelegten Rettungsaktion wurden nun bis zum deutschen Überfall auf Polen und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs 10.000 Kinder allein nach Großbritannien in Sicherheit gebracht, weitere 10.000 Kinder in die Niederlande, Belgien, Frankreich, die Schweiz und Schweden.
Neben deutschen und österreichischen Kindern wurden auch tschechische jüdische Kinder durch die Kindertransporte gerettet. Die Jüdischen Gemeinden und Hilfsorganisationen im Deutschen Reich und in den Aufnahmeländern kümmerten sich um die Einreisegenehmigungen, die Überfahrt und den neuen Aufenthaltsort der Kinder. Großbritannien beispielweise vergab Gruppenvisa, die es ermöglichten, die Ausreise möglichst schnell zu organisieren.
Auflagen bei der Ausreise
Die Nationalsozialisten begrüßten die Auswanderung der jüdischen Kinder, erlaubten ihnen jedoch nicht, Kapital außer Landes zu führen. Die Eltern hatten also keine Möglichkeit, ihren Kindern als Sicherheit Geldsummen oder Schmuck mitzugeben. Sie durften lediglich einen Koffer, eine Handtasche und 10 Reichsmark mitnehmen.
Reise und neues Zuhause
Die Kinder reisten in Gruppen mit dem Zug und dem Schiff und wurden von Erwachsenen begleitet, bis sie im neuen Land ankamen. Manche Kinder konnten dort bei Verwandten unterkommen, die bereits ausgewandert waren; die meisten wurden jedoch in Pflegefamilien oder Heimen untergebracht. Nicht selten mussten sie in ihren Gastfamilien Hausarbeiten verrichten, durften aber in der Regel die Schule weiter besuchen.
Kontakt mit den Eltern
Nach ihrer Ausreise konnten die Kinder nur noch über Briefe mit ihren Eltern in Verbindung bleiben. Mit Beginn des Krieges mussten dafür Vordrucke verwendet werden, die über das Rote Kreuz verschickt wurden und oft lange unterwegs waren, bis sie den*die Adressat*in erreichten. In vielen Fällen brach der Kontakt nach dem Beginn der Deportationen im Herbst 1941 ab und die Kinder erhielten keine weiteren Nachrichten mehr.
Die Trennung der Kinder von den Eltern war für beide Seiten traumatisch – es war jedoch oft die einzige Möglichkeit, die Kinder zu retten.
In unseren Sammlungen
Das Jüdische Museum Berlin bewahrt in seinen Sammlungen Dokumente, Fotografien und Objekte zum Kindertransport. Darunter Briefe und Postkarten von Kindern und ihren Eltern, Ausweise, mit denen die Kinder das Deutsche Reich verlassen haben, und Erinnerungsstücke, wie ein Kuscheltier, die sie auf der Fahrt begleiteten.