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Gescheiterte Emigration

Blick ins Depot

Kurz vor ihrer Deportation am 6. Juli 1942 übergab Frieda Neuber ihrer Nichte Gerda Maison dieses Ledermäppchen. Es enthält Briefentwürfe von Frieda sowie an sie gerichtete Briefe und Telegramme aus einem Zeitraum von knapp drei Jahren.

Bild eines Mäppchens aus Leder gefüllt mit Briefen

Ledermäppchen von Frieda Neuber mit Briefen aus den Jahren 1939-1942; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Gerda Maison, Foto: Jens Ziehe

Vergebliche Emigrationsbemühungen

Im Kern handelt es sich um die Korrespondenz zwischen Frieda Neuber und Bob Kunzig, einem jungen amerikanischen Jurastudenten. Beide kannten sich seit Neubers dreijährigem Aufenthalt in Philadelphia. Bob versuchte seiner „Tante Frieda“ mit dem großmütterlichen Erbe die Einwanderung in die USA zu ermöglichen. Er besorgte ein Affidavit sowie eine Schiffspassage und beschwor sie, persönlich beim amerikanischen Konsul vorzusprechen. Doch die Wartenummer, die Frieda Neuber für ihre Einwanderung in die USA zugewiesen bekommen hatte, war so hoch, dass eine Emigration erst Jahre später möglich gewesen wäre: Sie wurde nach Theresienstadt deportiert und kam dort ums Leben, ebenso wie ihre Geschwister Clara und Hermann.

Affidavit

Ein Affidavit ist die Bezeichnung für eine Bürgschaft, welche der*die Bürger*in eines Aufnahmelandes für eine*n Einwander*in abgibt.

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KZ Theresienstadt

Das Konzentrationslager Theresienstadt in der damals vom Deutschen Reich besetzten Tschechoslowakei war von 1941 bis 1945 ein Sammel- und Durchgangslager zunächst vor allem für tschechische Jüd*innen. Nach der Wannseekonferenz wurden seit 1942 auch alte oder als prominent geltende Jüd*innen aus Deutschland und anderen besetzten europäischen Ländern in das Lager deportiert. In der NS-Propaganda wurde Theresienstadt zum „Altersghetto“ verklärt und während einer kurzen Phase als angebliche „jüdische Mustersiedlung“ verschiedenen ausländischen Besucher*innen vorgeführt.

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Deportation trotz Taufe

Nur Friedas Bruder Robert Maison, der Vater von Gerda, überlebte dank seiner nichtjüdischen Ehefrau. Dass alle vier Geschwister am 12. Oktober 1882 in der Berliner St. Jacobi-Kirche evangelisch getauft worden waren, half ihnen nichts. Über 50 Jahre später galten sie nach den Nürnberger Rassengesetzen als „Volljuden“ und waren den Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialist*innen schutzlos ausgeliefert. Frieda Neuber beschreibt in ihren Briefen den bedrohlichen Alltag in Berlin – schwankend zwischen Hoffnung und tiefer Niedergeschlagenheit.

Nürnberger Gesetze

Die Nürnberger Gesetze wurden 1935 auf dem Reichsparteitag in Nürnberg verabschiedet. Die zwei als Rassengesetze bezeichneten Gesetze (Blutschutzgesetz und Reichsbürgergesetz) schlossen Jüd*innen von der Reichsbürgerschaft aus und stellten sie unter Fremdenrecht. Damit waren auch die Eheschließung und der außereheliche Geschlechtsverkehr zwischen Jüd*innen und Nichtjüd*innen verboten.

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Außergewöhnliche Dokumente

Gerda Maison schenkte das Ledermäppchen 65 Jahre nach der Deportation ihrer Tante dem Jüdischen Museum Berlin. Nicht wenige Familiensammlungen in unserem Archiv enthalten Briefe oder Nachrichten der in Deutschland Zurückgebliebenen an ihre emigrierten Verwandten. Nur selten jedoch sind, wie in diesem Fall, die Briefe beider Korrespondenzpartner*innen erhalten geblieben.

Titel Ledermäppchen von Frieda Neuber mit Briefen aus den Jahren 1939–1942
Sammlungsgebiet Alltagskultur
Ort und Datierung Berlin, Philadelphia, 1939–1942
Material Leder, Papier, Tinte, Bleistift
Erwerb Schenkung von Gerda Maison

Zeitzeuginnenbericht der Deportation

In einem Interview vom 30. Oktober 2007 berichtete die damals 88-jährige Gerda Maison über die Geschehnisse, die sie als junge Frau miterleben musste. Auszüge daraus sind in den folgenden Audios zu hören.

Blick auf die Zink-Fassade des Libeskind-Baus

Gerda Maison berichtet über die vergeblichen Bemühungen von Frieda Neuber um eine Emigration.

Blick auf die Zink-Fassade des Libeskind-Baus

Gerda Maison beschreibt, wie ihre Mutter versuchte, die Deportation ihrer Tanten und ihres Onkels zu verhindern.

Blick auf die Zink-Fassade des Libeskind-Baus

Gerda Maison schildert die Deportation ihrer Tante Frieda Neuber.

Ausgewählte Objekte: Sammlung Alltagskultur (10)

Ausgewählte Dokumente und Objekte: Archiv (10)

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