Gescheiterte Emigration
Blick ins Depot
Kurz vor ihrer Deportation am 6. Juli 1942 übergab Frieda Neuber ihrer Nichte Gerda Maison dieses Ledermäppchen. Es enthält Briefentwürfe von Frieda sowie an sie gerichtete Briefe und Telegramme aus einem Zeitraum von knapp drei Jahren.
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Ledermäppchen von Frieda Neuber mit Briefen aus den Jahren 1939-1942; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Gerda Maison, Foto: Jens Ziehe
Vergebliche Emigrationsbemühungen
Im Kern handelt es sich um die Korrespondenz zwischen Frieda Neuber und Bob Kunzig, einem jungen amerikanischen Jurastudenten. Beide kannten sich seit Neubers dreijährigem Aufenthalt in Philadelphia. Bob versuchte seiner „Tante Frieda“ mit dem großmütterlichen Erbe die Einwanderung in die USA zu ermöglichen. Er besorgte ein Affidavit sowie eine Schiffspassage und beschwor sie, persönlich beim amerikanischen Konsul vorzusprechen. Doch die Wartenummer, die Frieda Neuber für ihre Einwanderung in die USA zugewiesen bekommen hatte, war so hoch, dass eine Emigration erst Jahre später möglich gewesen wäre: Sie wurde nach Theresienstadt deportiert und kam dort ums Leben, ebenso wie ihre Geschwister Clara und Hermann.
Deportation trotz Taufe
Nur Friedas Bruder Robert Maison, der Vater von Gerda, überlebte dank seiner nichtjüdischen Ehefrau. Dass alle vier Geschwister am 12. Oktober 1882 in der Berliner St. Jacobi-Kirche evangelisch getauft worden waren, half ihnen nichts. Über 50 Jahre später galten sie nach den Nürnberger Rassengesetzen als „Volljuden“ und waren den Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialist*innen schutzlos ausgeliefert. Frieda Neuber beschreibt in ihren Briefen den bedrohlichen Alltag in Berlin – schwankend zwischen Hoffnung und tiefer Niedergeschlagenheit.
Weitere Dokumente von Frieda Neuber
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Schreiben des amerikanischen Konsulats an Frieda Neuber mit der Wartenummer für die Einwanderung in die USA, Berlin 12. Mai 1939; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Gerda Maison, Foto: Jens Ziehe
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An Friederike Neuber adressierter Briefumschlag; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Gerda Maison, Foto: Jens Ziehe
Außergewöhnliche Dokumente
Gerda Maison schenkte das Ledermäppchen 65 Jahre nach der Deportation ihrer Tante dem Jüdischen Museum Berlin. Nicht wenige Familiensammlungen in unserem Archiv enthalten Briefe oder Nachrichten der in Deutschland Zurückgebliebenen an ihre emigrierten Verwandten. Nur selten jedoch sind, wie in diesem Fall, die Briefe beider Korrespondenzpartner*innen erhalten geblieben.
Titel | Ledermäppchen von Frieda Neuber mit Briefen aus den Jahren 1939–1942 |
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Sammlungsgebiet | Alltagskultur |
Ort und Datierung | Berlin, Philadelphia, 1939–1942 |
Material | Leder, Papier, Tinte, Bleistift |
Erwerb | Schenkung von Gerda Maison |
Zeitzeuginnenbericht der Deportation
In einem Interview vom 30. Oktober 2007 berichtete die damals 88-jährige Gerda Maison über die Geschehnisse, die sie als junge Frau miterleben musste. Auszüge daraus sind in den folgenden Audios zu hören.
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Gerda Maison berichtet über die vergeblichen Bemühungen von Frieda Neuber um eine Emigration.
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Gerda Maison beschreibt, wie ihre Mutter versuchte, die Deportation ihrer Tanten und ihres Onkels zu verhindern.
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Gerda Maison schildert die Deportation ihrer Tante Frieda Neuber.
Ausgewählte Objekte: Sammlung Alltagskultur (10)
Ausgewählte Dokumente und Objekte: Archiv (10)