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Grabsteine auf einem Friedhof, darüber das Porträt eines Mannes.

Erich Hirschberg
(1893–1918)

Am 19. November 1893 nahm Hermann Hirschberg, der Mohel der westpreußischen Gemeinde Schwetz, seinen wenige Tage alten Enkel Erich in Empfang, um ihn zu beschneiden, wie er es in den Jahrzehnten zuvor auch bei seinen sieben Söhnen getan hatte.

Über 45 Jahre übte Hermann Hirschberg das Amt des Beschneiders aus. Wie bei jeder der 693 Beschneidungen zuvor, verzeichnete er auch die seines Enkels in seinem Mohelbuch.

Als Hermann Hirschberg 1919 starb, hatte er seinen Enkel Erich um ein Jahr überlebt.

Kindheit und Jugend in Bromberg

Erichs Vater Dr. Oskar Hirschberg war Arzt. Er hatte 1892 eine Praxis im nahegelegenen Bromberg eröffnet und im Oktober desselben Jahres die Brombergerin Franziska Knopf geheiratet.

Ein Jahr später kam Erich zur Welt und mit der Geburt seiner Schwester Else 1899 war die Familie vollzählig. Doch schon 1910 verloren die Kinder ihre Mutter, die kaum 40-jährig starb.

Studium in Freiburg im Breisgau

Im April 1912 begann Erich Hirschberg an der Freiburger Universität ein Medizinstudium und trat damit in die Fußstapfen seines Vaters.

Noch im selben Jahr wurde er Mitglied der Studentenverbindung Ghibellinia im Kartell-Convent der Verbindungen deutscher Studenten jüdischen Glaubens (K.C.).

Kartell-Convent

Mit der Mitgliedschaft positionierte sich Erich Hirschberg eindeutig als selbstbewusster Jude und patriotischer Deutscher: Hatte der K.C. doch bei seiner Gründung 1896 formuliert, dass er fest „auf dem Boden deutschvaterländischer Gesinnung“ steht. Aufgabe der Verbindungen sei, der „Kampf gegen den Antisemitismus (…) im Bewusstsein, dass die deutschen Juden einen durch Geschichte, Kultur- und Rechtsgemeinschaft mit dem deutschen Vaterlande unlöslich verbundenen Volksteil bilden, [und] jederzeit bereit und imstande sind, für die politische und gesellschaftliche Gleichberechtigung der Juden einzutreten.“

Schwarz-weiß-Foto: Junge im Matrosenanzug, breitbeinig stehend, die Arme in die Hüfte gestemmt, Atelieraufnahme

Erich Hirschberg im Matrosenanzug, Atelier C. Brasch, Bromberg, ca. 1900; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens Ziehe

Alle Verbindungen im K.C. bekannten sich zu den studentischen Traditionen. Fechten und Mensuren (Fechtduelle) gehörten zum festen Bestandteil des Korporationslebens. Auch Erich Hirschberg trug bei einem Fechtkampf die charakteristischen Schmisse auf der Wange davon.

Zum Wintersemester 1912 verließ er Freiburg und schrieb sich an der Berliner Universität ein, um ein Jahr darauf das Studium in München fortzusetzen.

Kartell-Convent

Der 1896 gegründete K.C. war ein deutschnationaler Verband der jüdischen Studentenverbindungen.

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Erster Weltkrieg

Bei Kriegsbeginn bekundete der K.C. sofort die Bereitschaft, am Krieg teilzunehmen, was fraglos mit Kaiser Wilhelm II. zu tun hatte, der feierlich verkündete: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“. In den K.C.-Blättern vom September 1914 hieß es daraufhin: „Freudig werden wir für unser Vaterland eintreten, sobald der Ruf an uns ergeht.“

Wir wissen nicht, ob Erich Hirschberg auch von Kriegsbegeisterung erfasst wurde. Ein familiäres Unglück lenkte ihn möglicherweise davon ab: 1914 starb überraschend seine Schwester Else. Das Studium setzte er noch bis 1915 fort, dann trat er den Kriegsdienst in einer Sanitätskompanie an.

Im Lauf seiner Dienstzeit wurde Erich Hirschberg mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet und später mit dem Hamburger Hanseatenorden. Zuletzt diente er im Rang eines Feldhilfsarztes bei der Sanitätskompanie 607. Im letzten Kriegsjahr befand er sich in Nordfrankreich nahe der belgischen Grenze.

Erich Hirschberg starb am 21. Juli 1918. Die genauen Todesumstände lassen sich nicht mehr rekonstruieren – das Telegramm, das sein Vater am Tag danach erhielt, spricht lediglich von einer „schweren Krankheit“.

Telegramm, Vordruck, hand- und maschinenschriftlich

Telegramm der bayerischen Kriegslazarett-Abteilung 24 an Oskar Hirschberg, Frankreich, 22. Juli 1918; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens Ziehe

Trauer und Gedenken

Nur wenige Tage später veröffentlichte die Familie im Berliner Tageblatt eine Todesanzeige. Für Oskar Hirschberg war es ein schwerer Schlag: Innerhalb von vier Jahren hatte er beide Kinder verloren.

Erich Hirschberg wurde zunächst auf dem Soldatenfriedhof in Denain bestattet, doch in den 1920er Jahren auf den deutschen Soldatenfriedhof in das nahegelegene Cambrai umgebettet.

Todesanzeige, gedruckt, mit schwarzem Rand

Todesanzeige im Berliner Tageblatt, Berlin, 26. Juli 1918; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Ulrike Neuwirth

Oskar Hirschberg kehrte Bromberg nach dem Krieg den Rücken. Er siedelte nach Berlin über und heiratete ein zweites Mal.

Durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ließ er zum Todestag seines Sohnes Erich 1932 einen Kranz an dessen Grab niederlegen.

Weitere Informationen zu Dokumenten und Fotografien aus unserem Archivbestand zur Familie Hirschberg finden Sie in unseren Online-Sammlungen.

Ulrike Neuwirth, Archiv

Postkarte, Vordruck, handschriftlich ausgefüllt, Briefmarke mit Poststempel, Logo des Volksbunds

Postkarte des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge an Oskar Hirschberg (Vorderseite), Berlin, 1. September 1932; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens Ziehe

Zitierempfehlung:

Ulrike Neuwirth (2016), Erich Hirschberg
(1893–1918).
URL: www.jmberlin.de/node/4587

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