Direkt zum Inhalt
Grabsteine auf einem Friedhof, darüber das Porträt eines Mannes.

Theodor Lewin
(1884–1918)

Theodor Lewin kam aus einer kinderreichen Familie. Der Sohn eines Schneiders war das achte von neun Geschwistern und wurde 1884 in London geboren. Als er drei Jahre alt war entschieden seine Eltern, in ihre Heimat nach Deutschland zurückzukehren und sich in Berlin eine neue Existenz aufzubauen.

Berliner Jahre

In der Reichshauptstadt verlebte Lewin seine Kindheit und begann im Alter von 15 Jahren eine Lehre als Textilkaufmann. Gerne hätte er etwas anderes gelernt, beugte sich jedoch dem Willen seiner Eltern. Er arbeitete einige Jahre für verschiedene Berliner Kaufhäuser und nutzte die Gelegenheit, noch eine Ausbildung als Dekorateur zu machen.

Im Jahr 1907 lernte er seine spätere Frau Luise Fleck kennen. Sie war Christin, und er heiratete sie 1909 gegen den Willen seiner Eltern. Der junge Ehemann trug sich jetzt selbst mit dem Gedanken, zu konvertieren und auch seinen Sohn Abraham Albert ließ er nach der Geburt taufen.

Gedruckter Briefkopf, handschriftlich, Stempel

Arbeitszeugnis des Kaufhauses Bernhard Cohn & Cie., Berlin, 31. Oktober 1910; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Rosemarie Lewin, Foto: Jens Ziehe

Schwarz-weiß-Foto: Ehepaar mit Sohn in der Mitte, Atelieraufnahme

Theodor Lewin mit seiner Frau Luise und dem Sohn Abraham Albert, Berlin, ca. 1913; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Rosemarie Lewin, Foto: Jens Ziehe

Abschied von der Familie

Theodor Lewin war 30 Jahre alt, als man ihn im April 1915 zur Infanterie musterte. Einige Wochen später, am 1. Juli, wurde er in das 43. Infanterie-Regiment nach Königsberg eingezogen und trennte sich schweren Herzens von seiner Frau und dem sechsjährigen Sohn, dessen Einschulung er nun nicht miterleben konnte.

Ende August schrieb er seinem „lieben Söhnchen Allichen“ von Königsberg aus eine der beliebten Ansichtspostkarten, mit denen die Soldaten meist verharmlosende oder heroisierende Bilder des Krieges nach Hause schickten.

Lewin selbst hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Fronterfahrung und mag nur geahnt haben, dass die auf der Karte zur Schau gestellte fröhliche Stimmung im Schützengraben nicht annähernd die Schrecken des wirklichen Krieges wiedergab.

Nach zwei Monaten Aufenthalt in Königsberg erhielt Theodor Lewin mit seiner Kompanie den Befehl, an die Ostfront auszurücken. Nun befand auch er sich mitten im Kriegsgeschehen.

Schwarz-weiß-Foto: 12 uniformierte Soldaten, in einem verschneiten Nadelwald stehend

Theodor Lewin (4.v.l.) als Soldat auf einer Gruppenaufnahme, 1916; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Rosemarie Lewin, Foto: Jens Ziehe

Kriegstagebuch

Als Lewin im Frühjahr 1916 erkrankte und zeitweilig zurück nach Deutschland gebracht wurde, schrieb er an einem Kriegstagebuch. Es beginnt mit einer Schilderung seines Lebens, der wir heute wichtige Informationen über ihn entnehmen können. Anschließend notierte er in dem Tagebuch seine Erlebnisse von der Ostfront. Besonders tief hatten ihn die russisch-polnischen Dörfer beeindruckt, deren im Elend lebende Bewohner*innen hauptsächlich jüdisch waren.

„Die einzelnen Dörfer sind das reine Elend. (…) Die Häuser sind aus Holz mit Schindeldach. Steinhäuser habe ich in Russisch Polen nicht angetroffen. Der Raum wird von der ganzen Familie bewohnt. Darin wird gekocht, geschlafen, gewaschen und alle anderen Verrichtungen ausgeführt. Die Familien sind sehr kinderreich. In der einen Ecke des Raumes ist eine Art Podium gebaut, auf der die ganze Familie schläft. Mit alten Lumpen decken sie sich zu. An der Decke ist noch eine Kiste an Stricke befestigt, die eine Wiege darstellen soll. Darin liegt noch ein Baby. Auch ihr übriges Vieh hält sich in dem Raum auf. Waschen ist bei den Einwohnern selten. Daher viel Ungeziefer und der unangenehme Geruch in der Behausung. Die Kinder laufen halbnackt herum, erledigen ihr Bedürfnis im Freien. Laufen meistens barfüßig auch während des Winters einher. Die Männer gehen in Pelze[n] und hohe[n] Schaftstiefel[n], die Frauen barfüßig mit einem Tuch um den Kopf. (…) Die Ortschaften sind überwiegend von Juden bevölkert.“

Über seine Kampferlebnisse an der Front äußerte sich Lewin in einer kurzen Passage, die seine Erschütterung vor den Schrecken der Schlacht zum Ausdruck bringt:

„Ende September hatten wir noch (…) Gefechte mit den Russen, die sich bis Anfang Oktober hinzogen. Der Eindruck den ich machte war ein tiefer für mich. Zu sehen Tote, Verwundete in ihrem Schmerz. Dies alles mitzuteilen, sträubt [sich] meine Hand.“

Bericht: handschriftlich

Bericht von Theodor Lewin über seine Kriegserlebnisse (1. Seite), Mai 1916; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Rosemarie Lewin, Foto: Jens Ziehe

Auszeichnung

„Im Namen seiner Majestät des Kaisers und Königs“ wurde dem Musketier Theodor Lewin im März 1918 das Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen. 
 

Vordruck, maschinenschriftlich ausgefüllt, formlos, Stempel, mit Schmutzflecken

Vorläufiger Ausweis über die Verleihung des Eisernen Kreuzes II. Klasse, 25. März 1918; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Rosemarie Lewin, Foto: Jens Ziehe

Er war jetzt schon im vierten Jahr Soldat und diente inzwischen in der 12. Kompanie des Infanterie-Regiments 477 an der Westfront. Während der Frühjahrsoffensive in Frankreich hatte er sich offenbar durch besondere Verdienste hervorgetan.

Letzte Nachricht von der Front

Kaum sechs Monate, nachdem Theodor Lewin ausgezeichnet wurde, erhielt seine Frau die letzte Nachricht von der Front. Es war ein Beileidsschreiben vom Leutnant seiner Kompanie:

„Die Kompagnie muß Ihnen leider die traurige Mitteilung machen, daß Ihr Ehemann in den schweren Kämpfen bei Soissons am 7.9.18 den Heldentod für das Vaterland erlitten hat. Er ist durch Artillerie-Volltreffer so schwer verwundet, daß der Tod sofort eingetreten ist. Er war der Kompagnie erst seit einigen Tagen von der 12. Komp[agnie] zugeteilt.
Namens der Kompagnie spreche ich Ihnen für den bitteren Verlust mein herzlichstes Beileid aus.“

Brief: handschriftlich, Stempel

Beileidsschreiben von Leutnant Bruckner an Luise Lewin zum Tod ihres Mannes, 9. September 1918; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Rosemarie Lewin, Foto: Jens Ziehe

Es ist nicht bekannt, wo Theodor Lewin begraben liegt.

Weitere Dokumente und Fotografien zu Theodor Lewin finden Sie in unseren Online-Sammlungen.

Franziska Bogdanov, Archiv

Zitierempfehlung:

Franziska Bogdanov (2016), Theodor Lewin
(1884–1918).
URL: www.jmberlin.de/node/4574

Links zu Themen, die Sie interessieren könnten

Teilen, Newsletter, Kontakt