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Grabsteine auf einem Friedhof, darüber das Porträt eines Mannes.

Siegfried Burin
(1889–1917)

„Sehr geehrter Herr Burin!

Zu meinem größten Bedauern muss ich Ihnen die traurige Mitteilung machen, dass ihr lieber Sohn, der Gefreite Siegfried Burin am 25.8.17 nachmittags um 4:15 durch Artillerie-Volltreffer den Heldentod mit noch zwei seiner Kameraden gefunden hat.“

Als der Vater des Gefallenen den Brief mit dieser Nachricht in den Händen hielt, wird es ihn wenig getröstet haben, dass eine deutsch-österreichische Gegenoffensive das Gebiet, in dem sein Sohn sich befand, kurz zuvor von den russischen Truppen zurückerobert hatte. Doch „zeitweise auflebende Artilleriefeuer“ um Tarnopol (Ostgalizien), wie es im Heeresbericht vom 25. August 1917 hieß, hatten Siegfried Burin das Leben gekostet.

Tod unter Trümmern

Wie es dazu kam, teilt der Brief ausführlich mit: Beim Versuch, zwei verschüttete Kameraden aus den Trümmern eines Hauses zu retten, traf Burin eine feindliche Granate und tötete schließlich alle drei Soldaten.

Die Opfer wurden im wenige Kilometer entfernten Dorf Bavorov auf dem Gemeindefriedhof mit militärischen Ehren zur Ruhe gebettet. Das Grab dürfte die Familie indes nie besucht haben.

Brief: handschriftlich, Stempel

Brief von Leutnant Wiegels an Marcus Burin mit der Todesnachricht, Ostgalizien, 26. August 1917; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Martin Oppenheimer, Foto: Jens Ziehe

Schwarz-weiß-Foto: Gräber mit Grabkreuzen, neben einem Sandweg, im Hintergrund weitere Grabsteine und ein Wäldchen

Friedhof mit Grabkreuzen, vermutlich mit dem Grab von Siegfried Burin, Bavorov, ca. 1917–1918; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Hilda Burin Spitz, Foto: Jens Ziehe

Kindheit in Wollin

Aus den wenigen Dokumenten, die sich von Siegfried Burin noch erhalten haben, lässt sich sein Leben nur bruchstückhaft rekonstruieren.

Am 25. Juli 1889 kam er als siebtes Kind seiner Eltern Marcus und Eva Burin, geb. Goldschmidt in Körlin/Pommern zur Welt. Fünf ältere Brüder und eine Schwester lebten bereits im Haushalt des aus Russland stammenden Religionslehrers, der seit 1880 preußischer Staatsbürger war. 1895 wurde als letztes Kind die Schwester Jenny geboren, zu der Siegfried offenbar ein enges Verhältnis entwickelte.

Schwarz-weiß-Foto: Fünf Jugendliche, die der Größe nach von links nach rechts aufgestellt sind, Atelieraufnahme

Die Geschwister Jenny, Siegfried, Julie, Alfred und Erich Burin (von links nach rechts), Atelier A. Sarnow, Wollin, ca. 1904; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Martin Oppenheimer, Foto: Jens Ziehe

Nach und nach verließen die Brüder das Haus, um als Kaufleute ihr Glück zu machen.

Auf eigenen Beinen

Auch Siegfried trat 1903 eine kaufmännische Lehre an. 1907 arbeitete er als Handlungsgehilfe in der Firma Martin Aron in Massow/Westpommern, einem Manufakturwaren- und Wollgeschäft.

Bevor er Wollin verließ, schrieb Siegfried seiner jüngsten Schwester einen Vers von Friedrich Rückert ins Stammbuch:

„Willst du, dass wir mit hinein

in das Haus dich bauen,

lass es dir gefallen, Stein,

dass wir dich behauen.“

Dass er diesen Vierzeiler ausgesucht hatte, spiegelt vielleicht seine Kindheitserfahrungen wider. Als jüngster von sechs Brüdern musste er mit Sicherheit bereit sein, sich anzupassen und unterzuordnen.

Aufgeschlagene Doppelseite mit handschriftlichem Eintrag auf der rechten Seite

Poesiealbum von Jenny Burin mit dem Eintrag ihres Bruders Siegfried, Wollin, 16. September 1903; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Martin Oppenheimer, Foto: Jens Ziehe

Im Dienst des Vaterlandes

Das nächste, was wir von Siegfried Burin wissen, ist, dass er am 20. Oktober 1914 in das traditionsreiche Leib-Grenadier-Regiment König Friedrich Wilhelm III. in Frankfurt an der Oder eintrat.

Im Marschgepäck hatte er ein Feldgebetbuch für die jüdischen Mannschaften des Heeres.

Aufgeschlagene Doppelseite mit Titelseite, gedruckt

Feldgebetbuch für die jüdischen Mannschaften des Heeres, hg. vom Verband der Deutschen Juden, Berlin, 1914; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Martin Oppenheimer, Foto: Jens Ziehe

Schwarz-weiß-Foto: 17 uniformierte Soldaten, stehend oder sitzend, Atelieraufnahme

Siegfried Burin, (stehend, 3. von rechts) mit Kameraden vom Leib-Grenadier-Regiment König Friedrich Wilhelm III., Frankfurt an der Oder, 1914; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Hilda Burin Spitz, Foto: Jens Ziehe

In Berlin, wo seine Eltern inzwischen lebten, ließ er sich in diesen Tagen im KaDeWe in Uniform porträtieren.

Das Soldbuch gibt Aufschluss über Burins weitere Stationen. Er befand sich zunächst mit seiner Kompanie an verschiedenen Orten der Ostfront. Am 10. November 1916 wurde er zum Gefreiten ernannt.

Zuvor erkrankte er an Wechselfieber und blieb für Wochen im Seuchenlazarett bei Białystok, bis er im Juli wieder einsatzfähig war. Im März 1917 kam er erneut ins Lazarett, diesmal nach Magdeburg. Über den Grund schweigt sich das Soldbuch aus.

Es ist noch zu erfahren, dass er einen Monat später wieder zu seinem Regiment zurückkehrte. Im Juli wurde ihm ein achttägiger Erholungsurlaub zugebilligt. Wahrscheinlich sahen ihn seine Eltern da ein letztes Mal.

Schwarz-weiß-Foto: Porträt eines uniformierten Soldaten

Schnellfoto im Atelier Kaufhaus des Westens, Berlin, ca. 1914; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Hilda Burin Spitz, Foto: Jens Ziehe

Gedenken und Überlieferung

Vier Söhne der Burins dienten im Ersten Weltkrieg. Während Erich in britische Kriegsgefangenschaft geriet, kamen Max und Paul Burin unbeschadet nach Hause zurück.

Im Andenken an ihren verstorbenen Sohn Siegfried ließen die Eltern sein Porträt in Uniform vergrößern und übermalen.

Es überdauerte im Besitz seiner Schwester Jenny die Zeitläufte. Sie nahm es mit in die Emigration nach Amerika und hütete es bis zu ihrem Tod. Ende der 1980er Jahre kehrte das Bild nach Deutschland zurück und erinnert nun im Jüdischen Museum Berlin an Siegfried Burin und sein kurzes Leben.

Weitere Dokumente zu Siegfried Burin finden Sie in unseren Online-Sammlungen.

Ulrike Neuwirth, Archiv

Schwarz-weiß-Foto: Porträt eines uniformierten Soldaten

Aquarelliertes Porträt von Siegfried Burin in Uniform, Atelier Wertheim, Berlin, ca. 1918; Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Martin Oppenheimer, Foto: Jens Ziehe

Zitierempfehlung:

Ulrike Neuwirth (2016), Siegfried Burin
(1889–1917).
URL: www.jmberlin.de/node/4591

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