L’amitié au coeur
Ungewöhnliche Objekte im Fokus erzählen Geschichten jüdischen Lebens
Im Zweiten Weltkrieg raubten die Nazis die Skulptur aus der Sammlung von Baron de Rothschild in Paris und brachten sie in Hermann Görings Jagdschloss Carinhall. Die Familie Rothschild wurde Ende der 1950er-Jahre für ihr verlorenes Vermögen von der Bundesrepublik entschädigt. Die Skulptur galt allerdings als verschollen, bis sie Anfang der 1990er-Jahre in Bruchstücken gefunden wurde – Arme und Kopf bleiben verschwunden.

L’amitié au coeur (Herzensfreundschaft) von Étienne-Maurice Falconet (1716–1791), Paris, 1765, Marmor; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. L-2018/1/0, Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland, Foto: Roman März. Zur Herkunftsermittlung siehe: www.provenienzdatenbank.bund.de
Darf ich mich vorstellen?

Wer in der Ausstellung das Herz der Statue berührt, erfährt ihre Geschichte aus erster Hand; Audio aus der JMB App. Das Herz der Statue L'amitié au coeur; Jüdisches Museum Berlin, Inv.-Nr. L-2018/1/3, Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland, Foto: Roman März. Zur Herkunftsermittlung siehe: www.provenienzdatenbank.bund.de
Text zum Mitlesen: Die Herzensfreundschaft stellt sich vor
Sie haben mein Herz berührt – darf ich mich vorstellen?
Man hat mich „L’amitié au coeur“ genannt, auf Deutsch: „Herzensfreundschaft“. Mein Herz hielt ich einst in meinen Händen. Ich bin schon ein paar Jahrhunderte alt. Vielleicht fragen Sie sich, warum mir Kopf und Arme fehlen und wie ich ins Jüdische Museum Berlin kam.
Étienne-Maurice Falconet hieß der Bildhauer, der mich 1765 schuf. Aus Marmor. Für Madame Pompadour, die Mätresse von König Ludwig XV von Frankfreich. Als ich zum ersten Mal in Paris ausgestellt wurde, hat man mich für meine Natürlichkeit und Anmut gefeiert. Später kam ich in die Kunstsammlung von Maurice de Rothschild und seiner Familie.
1940 nahm meine Zeit in Frankreich ein jähes Ende: Die Nazis raubten mich und brachten mich auf Hermann Görings prunkvolles Jagdschloss Carinhall, nordöstlich von Berlin. Dort präsentierte Göring seine zusammengeraubten Kunstschätze. Skulpturen, Gemälde Alter Meister, Wandteppiche – mit Gewalt wurden die jüdischen Eigentümer*innen in ganz Europa ausgeplündert.
Im April 1945, kurz vor Kriegsende, ließ Göring sein Anwesen sprengen – und ich blieb zertrümmert und verschüttet in einem Luftschutzbunker. Galt seither als verschollen. Bis ich in den 1990er-Jahren ausgegraben wurde.
Wem ich heute gehöre? Das ist eine schwierige Frage. Die Familie Rothschild, meine eigentlichen Besitzer*innen, wurden Ende der 1950er Jahre für ihr verlorenes Vermögen von der Bundesrepublik entschädigt. Heute befinde ich mich im Besitz des deutschen Staates.
An mir und meinem Marmor hat die Geschichte deutliche Spuren hinterlassen. Vielleicht bin ich heute ein Sinnbild für Raub, Verlust und Zerstörung … und für die Unmöglichkeit, Gerechtigkeit völlig wiederherzustellen.
Dauerausstellung: 13 Dinge – 13 Geschichten (13)