In dem Gemälde »The Jewish Rider« stellt R.B. Kitaj einen Juden als Reisenden dar. In karger Landschaft fährt der Zug vorbei an einem christlichen Kreuz und einem Schornstein als Symbol jüdischen Leidens.
Das Bild beschreibt die Vorstellung vom modernen diasporischen Menschen, für den das Unterwegssein ein intellektuell und emotional angemessener Zustand ist. Gleichzeitig verweist es aber auch auf die Massenvernichtung und deren Transportmittel. Eine kleine Notiz im Nachlaß des Künstlers verrät den gedanklichen Ausgangspunkt des Bildes: »Polen – Auschwitz ( Polen ) – J. Reiter«.
Die Haltung des Reisenden zitiert Rembrandts »Der Polnische Reiter« in einsamer Landschaft. Bei dem Reiter in Kitajs Gemälde handelt es sich um den englischen Kunsthistoriker und –theoretiker Michael Isaac Podro (1931-2008), einen Freund des Künstlers.
Bereits in den frühen 1970er Jahren begann Kitaj, sich intensiv mit dem eigenen Jüdischsein zu beschäftigen. Die »Jüdische Obsession« wurde zu einem zentralen Thema seiner Kunst, unter deren Eindruck er ältere Arbeiten neu zu interpretieren begann. Eine jüdische oder diasporische Kunst sollte Exilerfahrung und Dissidententum zum Ausdruck bringen und eine eigene jüdische Ikonographie entwickeln.
»Mein Freund Michael Podro saß für dieses Gemälde und für die paar damit verbundenen Skizzen etwa ein Jahr lang immer wieder Modell. Es basiert natürlich auf Rembrandts Gemälde »Der Polnische Reiter«, meinem Lieblingsbild in der Frick Collection.
Anders als bei Rembrandts Meisterwerk ist es kein Geheimnis, wer mir Modell saß oder wohin seine Reise geht. Ich glaube, mein Reiter ist unterwegs, um die Orte der Vernichtungslager in Polen zu besuchen, viele Jahre nach dem Krieg. Mich inspirierte eine Reportage, die jemand schrieb, der mit dem Zug von Budapest nach Auschwitz gefahren war, um zu sehen, was die todgeweihten Seelen gesehen haben könnten. Er sagte, die Landschaft sei schön. Ich zeichnete auch noch eine Erinnerung, ein Memento mori des Pferdes aus dem Original hinein. Zur Rechten zieht sich ein Gang mit rotem Teppich hin, und an dessen Ende steht Der nichtjüdische Schaffner (als eine Macht der Finsternis). Juden wurden oft gezwungen, Fahrscheine zu kaufen für die Züge, die sie zu ihrer Ermordung brachten. Ich glaube, Podro und ich genossen unser diasporisches Geplauder, während wir zusammen dieses Bild machten.«
Quelle: Handschriftliche Notiz aus dem Nachlass von R.B. Kitaj
R.B. Kitaj über sein Gemälde »The Jewish Rider« (Ausschnitt aus der Hörführung zur Ausstellung, Sprecher: Armin Köstler)