Eine Retrospektive der Werke Kitajs, die am 16. Juni 1994 in der Londoner Tate Gallery eröffnete, erhielt vernichtende Kritiken in führenden britischen Tageszeitungen. Von diesen Kritiken fühlte sich Kitaj nicht nur als Künstler angegriffen, sondern auch als Amerikaner und Jude. Er war nicht nur tief gekränkt, sondern gab den Kritikern auch die Schuld am Tod seiner Frau Sandra Fisher, die kurz nach der Ausstellung überraschend gestorben war.
Kitaj verarbeitete diese für ihn traumatischen Erlebnisse in seinen Bildern. Wut und Trauer brachte er in einer dreiteiligen Werkreihe zum Ausdruck, die er mit »Sandra« betitelte. In dem Bild »The Killer-Critic Assassinated by his Widower, Even«, das aus dieser Reihe stammt, setzte sich Kitaj zur Wehr. Aggression, Rachegelüste, das Gefühl, ungerecht beurteilt worden zu sein und Trauer bestimmen das Gemälde, in dem der Künstler historische und fiktionale Ereignisse und Figuren mit eigenen Erfahrungen in einer Collage verbindet.
Die Auseinandersetzungen zwischen den britischen Kritikern und R.B. Kitaj dauerten noch fast ein Jahrzehnt lang an. Immer wieder zeigte Kitaj Arbeiten, mit denen er die Kritiker angriff und für den Tod seiner Frau verantwortlich machte. Diese wiederum reagierten mit Artikeln und Kommentaren.
»Ich nehme an, aufmüpfig-gehässige Bilder und Kommentare an den Wänden der Tate Gallery auszuhängen und in dem sehr schönen Katalog dazu eine kosmopolitische (sprich jüdische) Persönlichkeit zu zeigen, war sehr unbesonnen. Es bedeutete, wie man heute sagt, ins feindliche Radar zu geraten und Vergeltungsschläge zu provozieren. Ich wusste im Voraus, dass ich schlechte Presse bekommen würde, denn alte und neue Gegner - ich nenne sie die lebenden Toten - standen kampfbereit versammelt.
Doch meine Ausstellung war eine ganz schöne Explosion, und unter meinen reaktionären Feinden lauerte unverkennbar (wenn auch kleinwüchsig) das Böse, was die lebenden Toten zu leugnen bestrebt sein werden. Ich glaube, die Bilder in der Tate waren nicht das eigentliche Angriffsziel. Aufrichtige Kritik gab es so gut wie nicht. Viele Menschen wissen das. Auf die Spitze getrieben wurde die Raserei in der Londoner Boulevardpresse, die ihren Hass über meine großmäulige Persönlichkeit und ihre Werke ergoss. Hass zu meiner Linken, Hass zu meiner Rechten, ein nicht ganz unbekanntes Phänomen im kosmopolitischen (jüdischen) Konflikt und der Geiferei, die er auf sich zieht. Jeder, der sich dieses Drama oder Melodram mit angesehen hat, weiß, dass ›Krieg‹ dafür nicht das falsche Wort ist.
Ich beschuldige meine Londoner Feinde der Xenophobie. Abgesehen davon, dass ich der einzige prominente jüdische Maler war, der es wagte, das Jüdischsein vor sich her und in seine Bilder hinein zu tragen, war ich auch der einzige prominente - und für sie unerträglich überprominente - Amerikaner in der Londoner Kunstszene.
Von den lebenden Toten wurde eingewandt, ich sei geistesgestört, schließlich würden Auerbach, Freud, Kossoff und Caro in London alle sehr gut behandelt. Diese vier jüdischen Künstler zählen nicht nur zu den besten unserer Zeit - sie sind auch leichter zu mögen als ich, gemäß den komplexen politisch-ästhetisch-persönlichen Regeln des Kunstbetriebs, nach denen die lebenden Toten sich richten. Und ich weiß, ich bin schwierig, bin paranoid, ein Außenseiter-Ausländer und polemischer Dissident. Am Abend bevor Max und ich aus London nach Kalifornien abreisten, brachten Auerbach und Freud uns indisches Essen als letztes Abendmahl in die Elm Park Road 62, und da wusste ich, mit diesen großen Malern ließ ich das Beste zurück, was England zu bieten hatte.«
Quelle: R.B. Kitaj, Tate War (I accuse), Aufzeichnung aus dem Nachlass von R.B. Kitaj, undatiert
R.B. Kitaj über sein Gemälde »The Killer-Critic Assassinated by his Widower, Even« (Ausschnitte aus der Hörführung zur Ausstellung, Sprecher: Armin Köstler)