Ein Bankett, zu dem der US-amerikanische Konsul 1854 in London ein Dutzend exilierte Revolutionäre geladen hatte, inspirierte R.B. Kitaj zu diesem surreal anmutenden Bild: Er verpflanzt darauf Männer mit wildem Antlitz – den Anarchisten Michail Bakunin (1814-1876) und Alexander Herzen (1812-1870) – in ein Ambiente aus elegant anmutender moderner Architektur.
In »The Red Banquet« offenbaren sich wesentliche Aspekte von Kitajs Denk- und Arbeitsweise: Motive aus unterschiedlichen Kontexten werden unvermittelt zusammengefügt, so dass das Gemälde Gedankensprünge abzubilden scheint. Dieses Prinzip war Kitaj von den Surrealisten und den US-amerikanischen Dichtern Ezra Pound (1885-1972) und T. S. Eliot (1888-1965) ebenso vertraut wie durch seine Auseinandersetzung mit dem Werk Walter Benjamins, den Kitaj schon früh für sich als großen »Fragmentist« [Fragmentariker] entdeckte.
In den sechziger Jahren wurde Kitaj während seines Studiums als Schüler von Edgar Wind in Oxford auf die kunst- und kulturhistorischen Bildforschungen des Warburg Institute in London aufmerksam. Sie gehen auf Aby Warburg (1866-1929) zurück, der mit der Arbeit an seinem Bilderatlas »Mnemosyne« einen außergewöhnlichen Bildervorrat erschlossen hatte. Auch Aby Warburgs These über den gleichen Ursprung von Magie und Vernunft kam dem Denken Kitajs entgegen.
»The Red Banquet« gehört zu den ersten Bildern, die Kitaj in London
malte und in die er Blätter mit handschriftlichen Texten collagierte. Das in dieses Gemälde eingefügte Blatt enthält ein von Kitaj handschriftlich notiertes Zitat aus einer Publikation zu dem historischen Bankett sowie Erläuterungen zum Bildaufbau und zu den verwendeten Bildquellen:
»›Im Februar 1854 gab Mr. Saunders, der amerikanische Konsul, ein Bankett für ein Dutzend der einflussreichsten ausländischen Flüchtlinge in London. Unter den Gästen waren Alexander Herzen, Garibaldi, Mazzini, Orsini, Kossuth, Ledru-Rollin, Worcell und andere bedeutende Flüchtlinge. Unter den Gästen befand sich auch der amerikanische Botschafter James Buchanan, der später Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden sollte.‹
Herzen ist links im Gemälde zu sehen, auf Höhe seiner Körpermitte habe ich ein Abbild von Michael Bakunin ins Bild geschmuggelt. … (Bakunin war nicht anwesend, er kam erst Ende 1861 nach London). Dieses ›Rote Bankett‹ ist von E.H. Carr in seinem Buch ›The Romantic Exiles‹ [Romantiker der Revolution] (Penguin, 1949) beschrieben. Die Szenerie wurde in ein Haus versetzt, dem ein Photo von Le Corbusiers Haus in Garches, nahe St. Cloud 1927-28 zugrunde liegt.«