Leo Roos
(1896–1917)
Der aus dem westpfälzischen Dorf Brücken stammende Leo Roos erlebte den Kriegsausbruch 1914 in Frankfurt am Main. Er war damals 17 Jahre alt und Banklehrling.
Einen Tag vor der Generalmobilmachung schrieb er am 31. Juli 1914 in einem Brief an seine Eltern und Geschwister aufgeregt und ganz im Geist der Zeit:
„Die Entscheidung naht! Bis der Brief Euch erreichen wird, wird das Los entschieden sein. Nun denn, Frisch auf! Mit Gott für König & Vaterland! Es muß sein!“
Bei allem euphorischen Patriotismus schaute er den kommenden Ereignissen auch mit Sorge entgegen. Den Ansturm auf Banken und Hamsterkäufe in Lebensmittelgeschäften vor Augen, wies er seine Familie an, Vorsorge zu treffen: „ich meine damit Nahrungsmittel & Bargeld (Gold wenn möglich)“. Schließlich müsse man „auf alles gefaßt“ sein. Tröstlich für ihn war, dass der „liebe Papa“, der im 47. Lebensjahr stand, „Gott sei Dank nicht mehr mit ins Feld“ müsse.
Kriegsdienst
Anderthalb Jahre später, im Februar 1916, wurde auch Leo Roos zum Kriegsdienst eingezogen. Für ihn bedeutete das, dass er seine Stellung in dem Frankfurter Bankgeschäft Baruch Strauss, in dem er seit Frühjahr 1915 als Commis (Gehilfe) arbeitete, aufgeben musste.
Mit dem Abschluss der mittleren Reife an der Kreisoberrealschule in Kaiserslautern war er für das sogenannte „Einjährige“ qualifiziert. Damit stand ihm eine Reserveoffizierslaufbahn offen und er kam als „einjähriger Unteroffizier“ zum Regiment 18 der Reserve-Fuß-Artillerie nach Mainz.
Während der Grundausbildung entstand dieses Foto, das ihn mit seinen Kameraden zeigt. Er schickte es an seine Familie und kommentierte es mit den Worten, dass seine Stubengesellschaft darauf „schlecht getroffen“ sei.
Nachrichten aus dem Feld
Leo Roos kämpfte als Soldat an der Westfront. Überliefert sind ein Dutzend Feldpostbriefe und -karten, die er an seine Familie zu Hause schrieb. Darüber hinaus stand er in unregelmäßigem Kontakt mit seinem jüngeren Bruder Julius, der ebenfalls Soldat war.
Aus der Feldpost lassen sich bruchstückhaft Informationen gewinnen, wo er während des Krieges eingesetzt war: Im Mai 1916 hielt er sich z. B. im kriegszerstörten Longuyon in Lothringen auf und im Frühjahr 1917 war er an Kämpfen in Flandern beteiligt.
Die hohen Feiertage 1917
An Rosch ha-Schana, dem jüdischen Neujahrsfest Anfang September 1917, befand sich Leo Roos auf einem Truppentransport. Seine Einheit bezog ihr Ruhequartier in Roeselare, einer Stadt in der belgischen Provinz Westflandern.
An Jom Kippur – dem höchsten jüdischen Feiertag – besuchte er die Synagoge in Gent. Dort predigte anlässlich des Versöhnungstages Feldrabbiner Dr. Georg Wilde zu den versammelten Soldaten. Bis zum Nachmittag fastete Roos. Vor seiner Rückkehr nach Roeselare brach er das Fasten, um sich zu stärken. Schließlich gab es in Gent, verglichen mit den Entbehrungen an der Front, Nahrungsmittel in Hülle und Fülle.
„Gesundheitlich noch gut“
Das letzte Lebenszeichen des 21-Jährigen stammt vom 9. Oktober 1917. Auf einer Feldpostkarte an seine Eltern schrieb er kurz und knapp, dass es ihm „gesundheitlich G[ott] s[ei] D[ank] noch gut“ gehe. Damit schien das Wichtigste gesagt.
Drei Tage später wurde er durch ein Artilleriegeschoss tödlich verletzt.
Man beerdigte ihn auf dem Soldatenfriedhof im belgischen Beveren. Der Batterieführer informierte die Eltern im fernen Brücken und sprach ihnen sein Beileid aus.
Zu spät
Das Schicksal wollte es, dass sich Leos Bruder Julius zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in Westflandern aufhielt und sich am 15. Oktober nichtsahnend auf den Weg machte, um seinen Bruder zu besuchen. Doch es kam zu keinem freudigen Wiedersehen. Julius musste erfahren, dass Leo drei Tage zuvor gefallen war.
Julius besuchte das Grab seines Bruders und schrieb, noch unter Schock stehend, am Abend einen langen Brief an die Familie und teilte mit ihnen seinen Schmerz:
„Das war ein saurer, schmerzlicher Gang. Liebe Eltern, möge Euch der liebe Gott trösten, ich weiss, wir alle hatten ihn so sehr geliebt, ich hatte ihn zu gern, den lieben Leo! (...) Liebe Mama und lieber Papa, macht Euch keinen zu großen Kummer, es ist furchtbar hart und tut weh, sehr weh. Bleibt gesund und wegen mir könnt Ihr auch beruhigt sein.“
Julius versicherte ihnen, dass sie sich um ihn nicht ängstigen müssten, da seine Kompanie vorerst „nicht eingesetzt“ werde.
Die Eltern erhielten mehrere Kondolenzschreiben, in denen die große Wertschätzung zum Ausdruck kam, die Verwandte und Bekannte für den Gefallenen empfanden. Auch sein ehemaliger Frankfurter Arbeitgeber, Baruch Strauss, sprach sein Beileid aus.
Die Frau seines ehemaligen Lehrers schrieb erschüttert:
„Was haben Sie verloren! Welch ein hervorragend begabter edler, schöner charaktervoller Mann ist (…) von der Welt gegangen.“
Auf dem Jüdischen Friedhof in Steinbach am Glan, auf dem Angehörige der Familie Roos beerdigt sind, erinnert bis heute eine Gedenktafel an Leo Roos.
Weitere Dokumente und Fotografien zu Leo Roos finden Sie in unseren Online-Sammlungen.
Jörg Waßmer, Archiv
Zitierempfehlung:
Jörg Waßmer (2016), Leo Roos
(1896–1917).
URL: www.jmberlin.de/node/3848
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