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Der Maler Otto Freundlich und seine sozial-utopische „Komposition“

Blick ins Depot

Diese abstrakte Komposition malte Otto Freundlich (1878–1943) im Jahr 1938 – ein Jahr nachdem ein anderes Werk von ihm im national­sozialistischen Deutschland zum Inbegriff der „Entarteten Kunst“ geworden war: Das Titel­blatt des Ausstellungs­führers zur gleich­namigen Feme-Schau zeigte seine Plastik Der große Kopf von 1912.

Anerkennung in Frankreich

In seiner Wahl­heimat Paris dagegen wurde ihm im Jahr 1938 in der Galerie Jeanne Bucher eine Ausstellung zu seinem 60. Geburts­tag ausge­richtet. Mehr als 20 Freund*innen und Künstler­kolleg*innen unter­zeichneten einen Appell an den französischen Staat, zwei Werke für das Musée National d’Art Moderne anzukaufen, um den völlig mittel­losen Künstler zu unter­stützen.

„Entartete Kunst“

Mit dem Begriff „Entartete Kunst“ bezeichneten die National­sozialist*innen alle Kunstwerke und kulturellen Strömungen der Modernen Kunst, die nicht ihrem Kunst­verständnis und ihrem Schönheits­ideal entsprachen. Künstler*innen, deren Werke nicht den national­sozialistischen Idealen entsprachen, die Kom­munist*innen oder Jüdinnen*Juden waren, wurden verfolgt und mit Berufs- und Mal­verboten belegt. Ihre Kunst­werke wurden aus Museen und öffent­lichen Sammlungen entfernt. 
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Jeanne Bucher

Marie-Jeanne Bucher (1872–1946) war eine französische Kunst­händlerin und Gründerin der gleich­namigen Galerie in Paris. 
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Abstraktes Gemälde in Blau-, Schwarz- und Gelbtönen

Otto Freundlich, Komposition; Jüdisches Museum Berlin, Foto: Jens Ziehe. Zum Objekt in unseren Online-Sammlungen.

Denunziation und Deportation

Nach der Besetzung Frankreichs 1940 bemühte sich Otto Freundlich vergeblich um eine Ausreise. Schließlich lebte er versteckt bei einer Bauern­familie in einem Dorf in den Pyrenäen. Doch er wurde denunziert, verhaftet und in das Vernichtungs­lager Sobibor deportiert. Dort starb er noch am Tag seiner Ankunft.

Künstler und Utopist

Sein Leben lang hatte Otto Freundlich enge Kontakte zu linken Avant­garde-Gruppen: Dada in Berlin und Köln, der Gruppe „Progres­siver Künstler“ in Köln und „abstraction-création“ sowie „Cercle et Carré“ in Paris. Die Entstehung einer neuen Kunst und einer neuen Gesell­schaft waren für ihn stets mit­einander verbunden. In Titeln wie ascension (Aufstieg) oder mon ciel est rouge (Mein Himmel ist rot) klingt der sozial-utopische Gehalt seiner gegenstands­losen Kompositionen deutlicher an.

Vernichtungslager Sobibor

Sobibor war von 1942 bis 1943 ein deutsches Vernichtungs­lager im besetzten Polen. 
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Ablehnung aller Begrenzung

In seiner Kunst lehnte Otto Freundlich alles Begrenzende ab – so fügen sich auch in seiner „Komposition“ die Flächen zu einer Bewegung, die über den Rahmen des Bildes hinaus­weist: Die eng geknüpften Beziehungen der zellen­artigen Farb-„Bausteine“ beschreiben eine Bewegung vom Dunklen hin zum Hellen. Dabei löst sich das Blau, die traditionelle Farbe der Trans­zendenz, in ein leuchtendes Gelb auf.

Titel Kompositon
Künstler Otto Freundlich
Sammlungsgebiet Bildende Kunst
Datierung 1938
Material Tempera auf Karton
Maße 54,5 x 45 cm

Otto Freundlich (1878–1943)

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Ausgewählte Objekte: Sammlung Bildende Kunst (12)

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